Reaktionen Kritik an den Bauernprotesten: "Jeder ist laut und aggressiv gegen alles"
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15. Januar 2024, 07:47 Uhr
Blockierte Auffahrten, verstopfte Straßen, wütende Bauern, die das ganze Land lahmlegen. Nicht jeder findet das gut - zum Beispiel, weil geplante Operationen in Gefahr sind, Überstunden genommen werden müssen oder die Wut Angst machen kann. Wir haben mit Thüringer Teilnehmern von MDRfragt gesprochen, die wenig Verständnis für diese Art der Proteste haben.
35.000 Menschen aus Mitteldeutschland und damit überdurchschnittlich viele haben an der aktuellen MDRfragt Umfrage teilgenommen. Es ging um die Proteste der Bauern - neun von zehn Befragten haben Verständnis dafür. Jeder und jedem Dritten gehen die Proteste sogar nicht weit genug. Aber was sagen die, denen die Treckerdemos zu weit gehen?
Ein Pfarrer, der kein Verständnis für den Bauernprotest hat? So ist es nicht. Doch Thomas Göhring vom evangelisch-lutherischen Pfarrbereich Stadtlengsfeld-Gehaus-Oechsen hat kein Verständnis für die Art des Protests - dafür, dass Autobahnen lahmgelegt werden. Der Pfarrer kritisiert die Bauernproteste: "Falsche Adressaten". Er sagt, der Protest sei falsch adressiert - die Bauern sollten vor den Läden demonstrieren, die ihnen nicht genug zahlen, oder bei den Lobbyisten.
Ich habe Verständnis für die Bauern, aber die Proteste sind falsch adressiert. Sie sollten demonstrieren vor den Läden, die ihnen nicht genug zahlen, oder bei den Lobbyisten.
Göhring sagt, das Problem sei kein Problem der Ampel. Schon Jahrzehnte bekämen die größten Betriebe die meiste Förderung und würden kleine Betriebe sterben. Aber jetzt gebe es Protest. Bei ihm im Ort musste wegen der Straßenblockaden der Kindergarten geschlossen bleiben - die Kindergärtnerin sei nicht zur Arbeit durchgekommen. Auf dem Dorf würden dann häufig die Großeltern einspringen.
Angst vor dem Protest der Bauern und der Wut
Viola Worsch gibt in der MDRfragt-Umfrage zum Verständnis für die Bauernproteste an, dass sie "emotional betroffen" sei und ihr die Entwicklungen "Angst machen". Proteste weiteten sich zu Randalen aus, Menschen würden bedroht, andere genötigt. Das ist inakzeptabel, so Wosch. Dass man protestieren kann, seine Meinung äußern kann, das ist ihr wichtig. Aber sie hat das Gefühl, dass "jeder gegen alles ist und das laut, aggressiv und gewalttätig" - besonders in der Truppe. "Wenn man sie an der Seite erwischt, am Tag vor oder nach dem Protest, sind die Bauern normal und harmlos - sie sind wie du und ich", sagt Viola Worsch. Doch sie hat die Proteste in der vergangenen Woche als aggressiv erlebt und würde sich wünschen, dass deutlich wird, wo man mit Aggressionen hindriftet.
Ich möchte den ganzen Tag mit Alarm durch die Straße laufen und sagen: Macht die Augen auf!
Viola Worsch ist Außenstellenleiterin beim Weißen Ring. Sie hat bei der Beratung mit Gewalt im Privaten zu tun und fürchtet diese nun auch in der Gesellschaft. "Viele sind sauer, weil alle sauer sind. Sie machen Gott und die Welt verantwortlich und sind dabei wohl unzufrieden mit sich selbst", vermutet sie. "Fragt man die Menschen: Was ist dein Ärger, können sie es oft nicht erklären".
OP-Termin in Gefahr
Bei Birgit Arndt und ihrem Mann ist das Unverständnis für den Protest ganz konkret mit einer geplanten Operation verknüpft. In der Umfrage teilt sie mit, dass sie wegen des Termins und auf der Fahrt dahin große Probleme gehabt habe. Ihr Mann erklärt auf Nachfrage, dass sie an drei Tagen von Altenburg nach Leipzig fahren mussten - ausgerechnet die Tage mit Bauernprotest und dann auch noch Bahnstreik.
Die OPs sind überstanden - aber mit viel Einsatz und mehr Kilometern. Und dann kam noch der Bahnstreik hinzu - da fiel der Zug als Alternative aus. Alles sehr kontraproduktiv.
Er sagt, heute müsse man flexibel sein - das seien sie gewesen und hätten es geschafft, aber es habe genervt.
Überall Stau: Eine Stunde für eine Mülltonne
Dietmar Krebs aus dem Wartburgkreis hatte in der MDRfragt-Umfrage angegeben, auch wenig Verständnis für den Protest der Bauern zu haben. Er sagt, "wir sind zuhause gelassen worden" und meint damit, dass sein Entsorgungsunternehmen den Mitarbeitern freigestellt habe, wie sie es handhaben. Krebs habe Stunden von seinem Überstundenkonto genommen, denn Montag hätte er sonst nach eigenen Aussagen "nur dumm rumgestanden". Dienstag wollte er wieder arbeiten - doch da war es auf seiner Strecke ebenfalls noch schwer. In der Rhön stand er eine Stunde im Stau, weil er eine Gelbe Tonne ausliefern musste.
Ich hätte die Tonne auch hinrollen können - die hat ja Räder. Als ich fast losgelaufen wäre, hat sich der Stau aufgelöst.
Man hat den Eindruck, er hat nicht viel Verständnis für die Art des Protests - nimmt es aber dennoch mit Humor. So fragte er die Polizei, die er mit "Rennleitung" ansprach, wann er seine Tonne wohl ausliefern könne. Sie hätten gemeinsam drüber gelacht.
Auf die Frage, ob er wütend geworden sei, erklärt er: "Da denke ich mir meinen Teil. Die Zeiten, wo ich wütend werde, sind vorbei". Ihn stört, dass die Bauern dagegen protestieren, höhere Steuern auf Sprit zu zahlen - und dann laufe der Motor die ganze Zeit und er erinnert daran: "Wir haben alle unser Päckchen zu tragen".
Zur Einordnung der Ergebnisse:
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien gewichtet, um die Aussagekraft zu erhöhen.
Die MDRfragt-Ergebnisse sind nicht repräsentativ.
Bei der Gewichtung wird die Verteilung von verschiedenen Merkmalen wie Alter, Abschluss oder Geschlecht unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern so ausgeglichen, dass sie der Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung entsprechen.
Die Befragten geben oft nicht nur ihre grundsätzliche Position an. Sie begründen diese in den Kommentarspalten. Das erlaubt dem Team vom Meinungsbarometer MDRfragt, die Argumente der verschiedenen Meinungsspektren aufzuzeigen.
MDRfragt wird wissenschaftlich begleitet.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 15. Januar 2024 | 12:00 Uhr
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