Mehr Befugnisse? Sächsische Datenschutzbeauftragte hat Sorge wegen Abhörzentrum
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12. Dezember 2023, 05:00 Uhr
Das sogenannte Abhörzentrum in Leipzig hat mit jahrelangen Verzögerungen zu kämpfen. Doch obwohl die Technik noch nicht einsatzbereit ist, erwägen die beteiligten Innenministerien offenbar eine Ausweitung der Befugnisse.
- Die sächsische Datenschutzbeauftragte hat Bedenken wegen des GKDZ.
- Sie sorgt sich, dass das Zentrum auch für Onlinedurchsuchungen genutzt wird.
- Der Start des Abhörzentrums ist auch für das kommende Jahr fraglich.
Das sogenannte Abhörzentrum stand in den vergangenen Jahren vor allem wegen erheblicher Verzögerungen in der Kritik. Doch nun könnte eine Debatte um die Befugnisse des offiziell GKDZ genannten Zentrums hinzukommen. Grund dafür sind Bedenken der sächsischen Datenschutzbeauftragten Juliane Hundert. Sie sagte dem MDR, es gebe den Wunsch aus den Ländern, dass das Zentrum nicht nur für die Telekommunikationsüberwachung genutzt werde, sondern auch für die technische Umsetzung einer Onlinedurchsuchung, der akustischen Wohnraumüberwachung oder zur Auswertung von Beschlagnahmen.
"Dieses Vorgehen ist aus meiner Sicht durch den GKDZ-Staatsvertrag nicht gedeckt. Das haben wir Datenschutzbeauftragten gegenüber den Innenministerien aus den anderen beteiligten Bundesländern auch wiederholt deutlich gemacht", sagte Hundert weiter.
GKDZ für Telekommunikationsüberwachung zuständig
Das sogenannte Abhörzentrum heißt eigentlich "Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung", kurz GKDZ. Betrieben wird es von einer Trägergesellschaft im Auftrag der ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin.
Im GKDZ mit Sitz in Leipzig sollen künftig die benötigten Daten angefordert und für die Polizeien der Länder aufbereitet werden. Das ist in einem Staatsvertrag festgehalten. Dort heißt es: "Die Anstalt ist die zentrale Dienstleisterin der Trägerländer auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung."
Doch was das praktisch genau heißt, darüber gibt es offenbar unterschiedliche Ansichten. Juliane Hundert sagte dem MDR, trotz der Bedenken hätten die Ministerien den Datenschutzbeauftragten gegenüber bewusst offengelassen, welche Daten genau sie am Ende erheben und verarbeiten wollen. "Das macht mir Sorgen."
Onlinedurchsuchung und Telekommunikationsüberwachung
Bei der Telekommunikationsüberwachung werden etwa Gesprächsdaten und -inhalte, Messengernachrichten oder Emails erfasst und ausgewertet. Bei der Online-Durchsuchung wiederum erlangen Ermittler mit Hilfe eines Trojaners, also einer bestimmten Software, Zugriff auf Handys oder Computer. Dadurch können sie auch dort gespeicherte Daten auslesen – und nicht nur Daten, die verschickt wurden.
Allerdings sind die Regeln für die Onlinedurchsuchung viel strenger. Sie ist zeitlich begrenzt und darf nur bei bestimmten Straftaten und zur Strafverfolgung angewendet werden – zudem muss sie von einem Richter angeordnet werden.
In den Bundesländern unterschiedlich sind wiederum die Regelungen zur Gefahrenabwehr, also dem präventiven Hacken eines Handy oder Computers. Geregelt wird das in den jeweiligen Polizeigesetzen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen dürfen die Ermittlungsbehörden die Onlinedurchsuchung nach bisherigem Stand nicht anwenden. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte zuletzt aber gefordert, die Befugnisse dafür auszuweiten. Allerdings gibt es dagegen starke Bedenke innerhalb der Regierungskoalition.
GKDZ: Was gibt die Technik her?
Nach Aussage der sächsischen Datenschutzbeauftragten ist derzeit unklar, ob die vom GKDZ angeschaffte beziehungsweise bestellte Technik auch auf die Verarbeitung von Daten etwa aus Onlinedurchsuchungen ausgelegt ist: "Hier würden wir uns mehr Informationen wünschen. Sollten die Innenministerien tatsächlich eine Verarbeitung auch von solchen Daten anstreben, müsste erst der Staatsvertrag geändert werden – und dafür müssten die Parlamente beteiligt werden."
Auf MDR-Anfrage verwiesen die beteiligten Innenministerien beziehungsweise der Berliner Innensenat ebenfalls auf den Staatsvertrag und die Telekommunikationsüberwachung als Kernaufgabe des Abhörzentrums. Die Innenministerien schrieben aber auch: "Welche Infrastrukturbereiche des Trägerlandes und welche Infrastrukturbereiche des GKDZ für die genannten besonderen Ermittlungsmaßnahmen von den ermittlungsführenden Dienststellen genutzt werden, ist abhängig von rechtlichen und technischen Maßgaben, die erst kurz vor Erreichen des Wirkbetriebes verlässlich beurteilt werden können." Was das in der Praxis heißt, bleibt unklar. Sollte die Onlinedurchsuchung künftig aber in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen auch nach Landesrecht zulässig werden, könnte eine vorab im GKDZ geschaffene Infrastruktur die Auswertung erleichtern.
Start für Abhörzentrum in Leipzig auch 2024 unklar
Zuletzt hatte das GKDZ vor allem mit Verzögerungen und Kostensteigerungen beim Aufbau für Aufregung gesorgt. Ursprünglich sollte das Zentrum in Leipzig im Jahr 2019 den Betrieb aufnehmen. Dann war 2021 geplant, später wurde der Termin auf 2024 verschoben. Doch auch dieses Datum scheint nun fraglich. Vom Sächsischen Innenministerium hieß es auf MDR-Anfrage, das beauftragte Unternehmen könne die Software bis Mitte 2024 noch nicht wie vereinbart liefern. Wann das Unternehmen ihr Produkt in abnahmereifer Form an das GKDZ liefern könne, sei offen. Technische Alternativen, um doch noch 2024 starten zu können, würden geprüft.
Nach MDR-Informationen ist damit gemeint, zunächst eine technisch reduzierte Software-Version zu nutzen. Das Sächsische Innenministerium äußerte sich dazu nicht. Aber: Wegen Lieferverzögerungen würden derzeit auch Schadensersatzansprüche geprüft.
Wegen der jahrelangen Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des GKDZ sind die Kosten bereits extrem gestiegen. Ein externes Gutachten hatte die Kosten für das Abhörzentrum im Jahr 2014 für alle Bundesländer auf 16 Millionen Euro geschätzt. Allein Sachsen geht bis 2024 aber schon von Kosten von knapp 20 Millionen Euro aus. Hochgerechnet auf die Anteile der anderen Bundesländer könnten die Kosten so auf 70 Millionen Euro klettern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 12. Dezember 2023 | 08:30 Uhr