Hörer machen Programm Kriminologische Studie: Viele Jugendliche haben Messer zur Verteidigung dabei
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28. August 2024, 09:19 Uhr
Wieder schockt eine Messerattacke Deutschland: Beim Stadtfest in Solingen hatte ein Mann am Freitag mutmaßlich drei Menschen getötet und mehrere verletzt. Ein gezielter Anschlag, bei dem vermutlich die Wahl der Waffe die leichte Verfügbarkeit entschieden hat. Auch bei Alltagskriminalität kommen Messer häufig zum Einsatz. Wie kann man solche Taten verhindern? Ein MDR AKTUELL-Hörer will wissen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Hintergründe und Motive der Täter zu verstehen.
- Einer Studie des kriminologischen Forschungsinstituts zufolge tragen immer mehr Jugendliche Messer bei sich.
- Allgemein ist die Datenlage zu Messerangriffen eher dünn, aber eine Studie zeigt eine Häufung von psychischen Vorbelastungen und problematischem Alkoholkonsum bei Tätern.
- Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei verweist in Bezug auf den ungleichmäßig hohen Anteil nichtdeutscher Täter auf äußere Umstände wie Mittel- und Arbeitslosigkeit.
Ob Solingen, Wolmirstedt, Mannheim, Frankfurt, Fulda oder Aken: Die jüngsten Messerangriffe unterscheiden sich zwar in vielerlei Hinsicht, in einem Punkt ähneln sie sich aber: Die Tatverdächtigen sind allesamt jung und männlich. In Solingen zum Beispiel war es mutmaßlich ein 26-Jähriger. Thomas Bliesener ist Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Er sagt: "Die Täter sind, wenn man sie mit anderen Tätergruppen vergleicht – da gibt es keine Besonderheiten – junge Männer, wie wir das häufig bei Gewalttaten haben."
Immer mehr Jugendliche führen Messer zur Selbstverteidigung mit sich
Das kriminologische Forschungsinstitut hatte in den vergangenen Jahren Schülerinnen und Schüler befragt, warum sie Messer bei sich tragen. Dabei kam heraus, dass diejenigen, die selbst Gewalt erlebt haben, häufiger Messer mitführen. "Zu den Motiven wissen wir aus eigenen Untersuchungen, dass sich da eine entscheidende Besonderheit ergeben hat, nämlich: Ein Messer mitzuführen, um sich damit im Notfall selbst verteidigen zu können, dieses Motiv ist deutlich angestiegen."
Aus Studien wisse man aber auch, dass ein Messer in Konflikten mit höherer Wahrscheinlichkeit genutzt werde, wenn man es einmal bei sich trage, sagt Bliesener. "Die Tatorte sind der öffentliche Raum, deshalb auch das Absinken während der Corona-Pandemie. Wir haben natürlich auch im häuslichen Bereich den Einsatz von Messern." Aber dabei spiele das Motiv, sich notfalls verteidigen zu können und deshalb ein Messer mitzuführen keine Rolle. Dort seien die Messer einfach verfügbar.
Täter vor allem aus sozialen Brennpunkten
2023 veröffentlichte Elena Rausch von der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden eine weitere Studie zu Messerkriminalität. Sie fand heraus, dass psychische Vorbelastungen und ein problematischer Alkoholkonsum bei verurteilten Gewalttätern, die Messer nutzen, häufiger sind. Prinzipiell ist die Datenlage zum Thema Messergewalt aber noch sehr dünn. Jochen Kopelke, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, sagt, die Polizei brauche in der Regel Daten, damit man Lagebilder erstellen und erkennen könne: "Was ist das Problem? Welche Maßnahmen können wir drauflegen und da ist alles noch zu unklar", erklärt Kopellke.
Für 2023 weist das Bundeskriminalamt insgesamt etwa 14.000 Messerangriffe aus. Meistens stehen Opfer und Tatverdächtige in einer Beziehung zueinander. Und der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger ist insgesamt höher, als es dem Anteil an der Bevölkerung entspricht. "Da sehen wir, dass insbesondere die jungen Täter, die aus sozialen Brennpunkten, ohne Arbeit, ohne Einkommen, mit sehr wenig Geld, eher Messer einsetzen, um schnell an Beute zu kommen", ordnet Kopellke diesen Umstand ein.
In absoluten Zahlen haben Messerangriffe bundesweit zuletzt zwar zugenommen. Fachleute sind trotzdem vorsichtig, daraus einen klaren Trend abzulesen. Denn Messergewalt wird erst seit 2021 systematisch erfasst. Klar ist: Jede Tat ist eine zu viel. Kriminologe Thomas Bliesener wünscht sich deshalb unter anderem mehr Aufklärung über die Gefährlichkeit von Messern. Denn vielen sei gar nicht bewusst, wie schnell ein Messer töten könne.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 28. August 2024 | 06:18 Uhr
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