Akne-Pickel und Narben auf der Gesichtshaut
Pubertätsblocker für trans Jugendliche sind umstritten. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Geschlechtsangleichende Maßnahmen Wie riskant sind Pubertätsblocker für Jugendliche?

25. Juli 2024, 05:00 Uhr

Jugendliche können Pubertätsblocker erhalten, wenn sie sich in ihrem eigenen Geschlecht nicht zu Hause fühlen. Viele Fachleute befürworten das und sehen darin eine große Entlastung für transgeschlechtliche Jugendliche. Andere äußern Bedenken. Auch eine Hörerin von MDR AKTUELL fragt sich, warum es Minderjährigen möglich ist, eine so weitreichende Entscheidungen zu treffen.

Unter 16 dürfen Jugendliche viele Dinge nicht: kein Alkohol, kein Führerschein, keine Party bis spät in die Nacht. In manchen Dingen sollen sie sich Zeit lassen, bis sie Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen können und müssen. Das gilt auch per Gesetz.

Hormonspezialist befürwortet Einsatz von Pubertätsblockern bei Jugendlichen

Beim Thema Pubertätsblocker kommt Abwarten aber nicht in Betracht, erklärt Dr. Achim Wüsthof, Hormonspezialist für Kinder und Jugendliche. Denn die körperlichen Veränderungen seien für die Betroffenen sehr belastend. "Deswegen wäre es aus meiner Sicht unethisch zu sagen: 'Ja, du musst jetzt warten, bis du mal 18 bist. Ist ja egal, ob du jetzt Stimmbruch oder ob du jetzt Brüste hast.' Das ist aus meiner Sicht nicht vertretbar. Bei jemandem, bei dem eine sehr klare Transidententwicklung vorliegt."

"Entscheidung darf nicht leichtfertig getroffen werden"

Gebe es dagegen Unsicherheit bei der betroffenen Person selbst oder bei begleitenden Fachleuten, dann sei es sinnvoll zu warten, so Dr. Wüsthof. Überhaupt müssten die jungen Menschen sorgfältig begleitet werden. Eine solche Entscheidung dürfe keineswegs leichtfertig getroffen werden. "Die Eltern sind selbstverständlich auch stark involviert in diesem ganzen Prozess. Außerdem muss ein Kinder- und Jugendpsychiater oder ein Psychologe das sozusagen indizieren. Und wenn das dann stattgefunden hat, dann erst wird das in Erwägung gezogen."

Medizinische Leitlinie zur Behandlung von Transjugendlichen stößt auf Kritik

Wüsthof hat in den vergangenen Jahren an einer medizinischen Leitlinie zur Behandlung von Transjugendlichen mitgearbeitet. Sie ist nicht rechtlich bindend, sondern soll Ärztinnen und Ärzten Orientierung geben.

Der Entwurf dazu stößt in der Fachwelt teils auf ähnliche Bedenken wie bei unserer Hörerin, zum Beispiel in der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. In einer Pressemitteilung heißt es: "Mit großer Sorge registriert die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern zunehmende Tendenzen, Minderjährigen mit einer Geschlechtsdysphorie Pubertätsblocker und Hormone zu verabreichen, obwohl derzeitig eindeutig keine ausreichend medizinische Evidenz für deren Einsatz in dieser Altersgruppe hinsichtlich einer nachhaltigen Verbesserung der Symptomatik vorliegt." Für ein Interview stand von der Ärztekammer niemand zur Verfügung.

Bundesärztetag will Pubertätsblocker nur im Rahmen von Studien zulassen

Auf den Antrag der Kammer hatte der Bundesärztetag beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, Pubertätsblocker nur im Rahmen von wissenschaftlichen Studien zuzulassen, so wie es Großbritannien seit einiger Zeit macht.

Für Leitlinien-Mitautor Achim Wüsthof wäre das ein Rückschritt. Die Kritik der Bundesärztekammer sei politisch motiviert, vermutet er. Die Antragsteller hätten selbst gar keine Expertise in der Behandlung solcher Jugendlicher. Auch in Expertenkreisen gebe es kritische Stimmen und es sei auch richtig, vorsichtig mit dem Thema umzugehen. "Aber aus meiner Sicht ist jede Form extrem falsch: Sowohl es komplett zu verbieten ist falsch, als auch sehr schnell und zu rasch eine solche Behandlung zu beginnen."

Extrem niedrige Abbruchrate bei Behandlung mit Pubertätsblockern

Er berichtet aus der Praxis, dass ein bis zwei Prozent der Jugendlichen eine Behandlung mit Pubertätsblockern wieder abbrechen. Dann beginnt die Pubertät auf normalem Weg nur mit Verzögerung. Veränderungen am Körper kommen erst durch Geschlechtsangleichung durch Hormontherapien oder Operationen, die üblicherweise frühestens mit 16 beziehungsweise 18 Jahren folgen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. Juli 2024 | 06:00 Uhr

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