Reaktionen Merz will schnelle Koalitionsverhandlungen
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23. Februar 2025, 22:43 Uhr
Ein Fiasko für SPD und FDP. Grüne und BSW können auch nicht zufrieden sein. Freude bei der Union, Jubel bei AfD und Linken. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz will nun schnelle Koalitionsverhandlungen. Reaktionen von Parteien und Wirtschaft auf die Bundestagswahl.
Inhalt des Artikels:
- CDU-Chef Merz will schnell Regierung bilden
- Kanzler Scholz: Werde nicht Verhandlungen mit Union führen
- Habeck: Grüne bereit für Regierungsbeteiligung
- AfD-Chefin Weidel: "Waren nie stärker"
- BSW-Chefin Wagenknecht: "Wir werden zittern müssen"
- Lindner deutet Rückzug an
- Linke kündigt soziale Opposition an
- Reaktionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
- Reaktionen aus der Wirtschaft
CDU-Chef Merz will schnell Regierung bilden
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will so schnell wie möglich eine handlungsfähige Bundesregierung bilden. Die Union habe die Bundestagswahl gewonnen, sagte Merz in Berlin. Er wisse um die Dimension der Aufgabe und, "dass es nicht einfach werden wird". Deutschland könne sich keine langatmige Regierungsbildung leisten. Es müsse jetzt schnell klar werden: "Deutschland wird wieder zuverlässig regiert."
CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt bekräftigte die Absage an eine Koalition der Union mit den Grünen: "Mit den Grünen gibt es keinen Politikwechsel." Er könne sich keine Regierungsbeteiligung der Grünen vorstellen.
Kanzler Scholz: Werde nicht Verhandlungen mit Union führen
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl eingestanden: "Das ist ein bitteres Wahlergebnis für die sozialdemokratische Partei", sagte er in Berlin. Zugleich machte er klar, er trage für das Ergebnis Verantwortung. In der Berliner Runde von ARD und ZDF kündigte Scholz dann an, im Fall von Koalitionsgesprächen von Union und SPD stehe er nicht als Verhandlungsführer seiner Partei zur Verfügung.
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sprach von einer "dramatischen Niederlage". Die Wahl sei eine Zäsur für die SPD. Die Partei müsse programmatisch und auch personell neu aufgestellt werden. Es müsse jetzt ein "Generationenwechsel" kommen.
Habeck: Grüne bereit für Regierungsbeteiligung
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck zeigte sich trotz der Stimmenverluste zufrieden. Man habe sich nach dem Ampel-Aus aus einem Umfrageloch von unter zehn Prozent herausgekämpft. Die Grünen sind laut Habeck bereit, sich auch an einer künftigen Regierung zu beteiligen. "Der Regierungsauftrag ist bei Friedrich Merz und der Union."
Die Grünen-Co-Vorsitzende Franziska Brantner sieht die Demokratie in Deutschland und Europa herausgefordert: "Ich glaube, das ist jetzt das Gebot der Stunde für alle, dass alle Demokraten über sich hinauswachsen und wir diesen Kontinent zusammenhalten in Frieden und in Freiheit."
AfD-Chefin Weidel: "Waren nie stärker"
AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem historischen Wahlergebnis für ihre Partei: "Wir waren noch nie stärker im Bund", sagte Weidel nach Bekanntgabe der Prognose in Berlin. "Man wollte uns halbieren, das Gegenteil ist eingetreten", fügte Weidel hinzu. "Die Menschen wollen eine blau-schwarze Koalition haben", sagte Weidel im ZDF.
Co-Chef Tino Chrupalla bot der CDU Zusammenarbeit mit der AfD an: "Wenn Friedrich Merz seine Wahlversprechen umsetzen möchte, dann wird er auf uns zukommen müssen." Die Union könne nicht zehn oder zwölf Millionen AfD-Wähler ausgrenzen und ausschließen.
BSW-Chefin Wagenknecht: "Wir werden zittern müssen"
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sagte zu ersten Hochrechnungen: "Wir werden noch zittern müssen." Aber unabhängig vom Ergebnis sei es schon beeindruckend, wo das BSW stehe. "Wir haben das großartig gemacht." Und falls das BSW den Einzug nicht schaffe, sei das nicht das Ende der Partei.
Lindner deutet Rückzug an
FDP-Chef und Spitzenkandidat Christian Lindner räumte die Niederlage seiner Partei ein: "Wir haben zu wenige Menschen (...) gewinnen können." Die Freien Demokraten seien jedoch "nicht endgültig besiegt". Die FDP sei vergangenen Herbst "ins volle politische Risiko gegangen". Für Deutschland sei "diese Entscheidung aber richtig" gewesen. Lindner kündigte seinen Rückzug an, falls die Partei aus dem Bundestag fliegt. Er sagte ARD und ZDF, "es sei völlig klar, dass er dann auch aus der Politik ausscheidet".
Linke kündigt soziale Opposition an
Linken-Co-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek kündigte eine soziale Opposition ihrer Partei im neuen Deutschen Bundestag an. Sie sagte im Fernsehsender Phoenix: "Wir werden für genau die Themen kämpfen, mit denen wir jetzt auch in den Wahlkampf gegangen sind, für einen Mietendeckel, für ein Bauprogramm für sozialen Wohnraum."
Spitzenkandidat Jan van Aken bejubelte den Stimmenzuwachs: "Die Linke lebt". Co-Parteichefin Ines Schwerdtner sprach vom "Comeback des Jahres".
Reaktionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
Die sächsische CDU wertete das Wahlergebnis als "starken Regierungsauftrag". Generalsekretär Tom Unger sagte im MDR, er hoffe, dass es für eine Zweier-Konstellation reiche. Das Land brauche jetzt stabile Verhältnisse. Man werbe für einen Politikwechsel in Deutschland und nehme das Wahlergebnis mit Demut an.
Sachsens BSW-Landesvorsitzender Jörg Scheibe sagte dem MDR am Sonntagabend: "Wir sind optimistisch, dass wir den Einzug noch schaffen. Die Rolle von Sahra Wagenknecht wird generell zu überdenken sein." Für Sachsen habe es nur bedingt Folgen, wenn das BSW den Einzug in den Bundestag verpasse. Im Landtag habe das BSW eine starke Fraktion.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: "Wir brauchen jetzt so schnell wie möglich eine stabile Regierung". Mit Blick auf das starke Abschneiden der AfD forderte er einen Politikwechsel. Die nächste Bundesregierung müsse einen vernünftigen Kurs einschlagen, "sonst wird es 2029 ein böses Erwachen geben".
Der Landesvorsitzende der AfD, Martin Reichardt, bezeichnete das Ergebnis als Krönung der politischen Arbeit der vergangenen Jahre: "Wir sind gesichert Volkspartei."
Thüringens CDU-Ministerpräsident Mario Voigt sprach von einem "Weckruf". Erst wenn sich in Berlin etwas grundlegend ändere, bestehe die Chance, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Zugleich sieht er das AfD-Ergebnis als Ansporn, den pragmatischen Politik-Kurs der Thüringer Landesregierung fortzusetzen.
Dagegen wertete AfD-Landesparteichef Bernd Höcke das gute Abschneiden seiner AfD auch als Signal in Richtung Landesregierung. Die Thüringer hätten nicht nur die Ampel abgewählt, sondern auch die sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD.
Der Thüringer Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow sieht "eine Renaissance" seiner Partei. Noch vor drei Monaten sei die Linke "politisch für tot" erklärt worden, sagte er in Erfurt.
Industrie-Verband und Handwerk fordern schnell stabile Regierung ohne AfD
Der Präsident des Bundes der Industrie, Peter Leibinger, forderte eine rasche Regierungsbildung: "Die deutsche Wirtschaft braucht sehr schnell eine handlungsfähige neue Bundesregierung mit stabiler Mehrheit in der demokratischen Mitte", die den Entscheidungs- und Handlungsstau in vielen Fragen wie etwa Bürokratierückbau, staatliche Investitionen, Energieversorgung und Sicherheitspolitik lösen muss. Andernfalls zögerten Unternehmen und Verbraucher mit Investitionen und Käufen, die Wirtschaft stagniere und das Land werde geschwächt.
Ähnlich reagierte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich,: "Alle müssen sofort vom Wahlkampfmodus in den Regierungsbildungsmodus umschalten."
Export-Branche: Brauchen "nationale Kraftanstrengung"
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) forderte für Deutschland einen "Befreiungsschlag, angefangen bei der Bürokratie". Die Situation im Land sei "vergleichbar mit der Lage unmittelbar nach der Wiedervereinigung" und erfordere "eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung", erklärte BGA-Präsident Dirk Jandura.
DIW sieht Risiken durch parteipolitische Zersplitterung
DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht im Ausgang der Bundestagswahl eine Zäsur. "Die parteipolitische Zersplitterung könnte eine Zwei-Parteien-Koalition unmöglich machen", sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Union habe als Wahlsieger bemerkenswert schlecht abgeschnitten. Selbst eine Zwei-Parteien-Koalition könnte es schwer haben, einen klaren Kurs durchzusetzen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. Februar 2025 | 20:00 Uhr