"Bach bewegt" Neues Buch zeigt, wie Bach in Filmen dargestellt wird
Hauptinhalt
25. Februar 2025, 03:00 Uhr
"Bach bewegt" heißt ein neues Buch von Filmkritiker Knut Elstermann. Er hat dafür alle Filme untersucht, in denen Bach dargestellt wird. So konnte er sich ein Bild vom Komponisten machen, im Aussehen, als Mensch und als Musiker. Was sich zeigte: Bach war kein auf Inspirationen wartendes Genie sondern ein unermüdlicher Arbeiter – mit genialer Begabung. Zum Buch und seinen Erkenntnissen ist Elstermann im Gespräch mit MDR KULTUR.
MDR KULTUR: Ihr Buch beschäftigt sich mit der Frage, wie Bach eigentlich ausgesehen hat. Haben Sie bei der Recherche eine Antwort bekommen?
Knut Elstermann: Welches Bild entwerfen wir überhaupt von Bach? Wie versuchen wir uns diesen Mann zu vergegenwärtigen? Und da gibt es unendlich viele Filme! Ich habe das für mich mal nachgezählt, ich glaube, er ist der meistverfilmte Komponist überhaupt, mehr als Beethoven und Mozart. Was wahrscheinlich damit zu tun hat, und damit komme ich jetzt auf die Frage, dass wir eben sowohl vom Äußerlichen als auch vom Charakter nur eine sehr verschwommene Vorstellung haben.
Wir wollen aber wissen, wer er war. Wir wollen wissen, wie er aussah und wir wollen wissen, wie er als Person durch dieses Leben gegangen ist. Und das sind größtenteils auch ziemliche Erfindungen. Es ist immer ein eigener Entwurf – jeder Film, jedes Gemälde ist ein Entwurf.
Ich glaube, Bach ist der meistverfilmte Komponist überhaupt.
Und was das wirklich authentische Bild betrifft, da kann ich ganz eindeutig sagen: Es gibt im Grunde genommen nur das Bild, das im Bachmuseum in Leipzig hängt – beziehungsweise die Kopie, das Original ist im Alten Rathaus zu sehen, das ist leider ein bisschen kaputtrestauriert worden. Aber im Bachmuseum, das strahlt, und das hat eine Lebendigkeit, das ist sehr ehrfurchtsvoll. Da wissen wir, nur bei diesem Bild, das hat Bach wirklich auch mit eigenen Augen gesehen. Er hat dafür Modell gesessen.
MDR KULTUR: Gibt es bei der filmischen Darstellung Bachs Unterschiede in unterschiedlichen Zeiten?
Knut Elstermann: Ja, sehr große! Ich habe mir fast alle Filme ansehen können, in denen Bach als Figur auftaucht. Und da wandelt sich das Bachbild natürlich.
1941, mitten in der Nazizeit, gibt es den Film "Friedemann Bach" – das ist übrigens das erste Mal, dass Bach als Figur im Kino auftaucht. Er wird gespielt von Eugen Klöpfer, ein bekennender Nazi, er war in der NSDAP und hat bei "Jud Süß" mitgespielt. Und der spielt ihn sehr altväterlich, sehr fränkisch. Das ist wirklich so ein Denkmal der deutschen Kunst, der deutschen Musik, dieser Bach.
Und dann gibt es, um mal ein Gegenbeispiel zu nennen, 1968 den berühmten Film "Chronik der Anna Magdalena Bach" von Straub und Huillet, ein Regiepaar. Die sind ganz geprägt von Brecht und von dieser Aufbruchszeit und erzählen die Geschichte mit vielen Brüchen, wirklich als Chronik. Sie springen auch, versuchen, gar keine Illusion herzustellen: So könnte Bach gewesen sein.
Was übrigens auch interessant ist als Verfremdung: Gustav Leonhardt, später ein ganz berühmter Bach-Interpret, der spielt den Bach. Und kümmert sich überhaupt nicht drum, dass er mit niederländischem Akzent spricht und dass er diesem Bachbild überhaupt nicht ähnelt, das wir kennen. Das finde ich aber ganz interessant, weil da nämlich mal gezeigt wird – auch im Sinne von Brecht: Das ist jetzt hier was Gemachtes, das ist was Erfundenes, das ist nicht Bach, den ihr hier seht.
MDR KULTUR: DDR-Sozialisierte erinnern sich noch an die Verfilmung "Johann Sebastian Bach" mit Ulrich Thein, der da den gleichen Typ spielt wie zuletzt auch Devid Striesow. Sie haben in Arnstadt geschaut, in Leipzig geschaut, sich auch viele Porträts angeschaut und mit vielen Experten gesprochen. Vermittelt sich da auch ein Bild, was den inneren Bach zeigt?
Knut Elstermann: Also es sind, wie gesagt, immer die Erfindungen, es sind immer die Projektionen. Und weil Sie gerade Ulrich Thein erwähnen: Ich finde es hervorragend! Das sind vier Teile, vom DDR-Fernsehen. 1985 kamen die ins Fernsehen – auch ein Bach-Jahr. Und die sind mustergültig. Ich finde nach wie vor, die haben absolute Gültigkeit, weil Ulrich Thein auch selbst ein sehr musikalischer Mensch ist und wirklich gut spielt. Man merkt eben, er ist in diese Figur hineingestiegen.
Und das ist übrigens etwas, was vielleicht dann doch verschiedene Bachbilder verbindet, auch Devid Striesow nämlich: Man sieht hier kein Genie, das auf die große Inspiration wartet!
So war es vermutlich auch gar nicht. Jemand, der so arbeiten musste, Woche für Woche Meisterwerke geschaffen hat, Kantaten schaffen musste, konnte nicht in seiner Komponierstube sitzen und warten, bis ihn dann irgendwann die Muse küsst. Sondern er hatte sein Handwerk, er wusste, was er tut. Das war ein genialer Musiker, der mit seinen Mitteln arbeiten konnte. Und deshalb sehen wir ihn sehr oft in den Filmen, das ist nicht untypisch, eben auch als tatkräftigen Mann: als Chorleiter, der Orgel spielt, der komponiert. Und das war er ja auch.
Das ist diese Doppelfunktion, die fürs Kino, fürs Fernsehen wunderbar ist. So wie Brecht eben Theatermann war und Autor oder Shakespeare eben geschrieben hat und fürs Theater gelebt hat, so war Bach einerseits aktiver Musiker und gleichzeitig eben der große Komponist. Und das lässt sich im Film ganz gut erzählen, finde ich, wenn man ihm bei der Arbeit zusehen kann.
MDR KULTUR: Warum Bach?
Knut Elstermann: Als junger Mensch habe ich mir mal eine Karte fürs Weihnachtsoratorium gekauft, weil ich die Thomaner mal hören wollte. Und ich wusste gar nicht genau, was ein Oratorium überhaupt ist. Ich komme auch aus einem ganz atheistischen Haushalt, man hörte bei uns gern Beethoven und Mozart – Bach war nicht so angesagt. Aber ich dachte, das klingt gut: "Weihnachtsoratorium".
Und das hat mich dann erwischt. Das ist eigentlich der Klassiker, das geht ja vielen Leuten so: Ich hatte das Gefühl, so als Zwölf-, Dreizehnjähriger, Ich habe bis dahin noch nie so schöne Musik gehört – und es war ja auch so! Und es hat mich wirklich für ein Leben geprägt. Und ich sage immer: Die Sonne Bachs ist da aufgegangen und sie wird auch hoffentlich noch lange scheinen.
Das Buch
Knut Elstermann: "Bach bewegt. Der Komponist im Film"
176 Seiten, 14 x 22 cm, gebunden
ISBN 978-3-89809-262-3
Bebra Verlag
Quelle: MDR KULTUR (Knut Elstermann im Gespräch mit Annett Mautner)
Redaktionelle Bearbeitung: op
Transparenzhinweis: Knut Elstermann arbeitet auch regelmäßig für MDR KULTUR als Filmkritiker.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. Februar 2025 | 16:10 Uhr