Gesundheitswesen Medizinische Fachangestellte wandern aus Arztpraxen ab
Hauptinhalt
16. August 2023, 09:36 Uhr
Früher nannte man sie Arzthelfer oder Arzthelferin. Heute wird die Berufsgruppe unter dem Kürzel MFA zusammengefasst: Medizinische Fachangestellte. Von ihnen gibt es zu wenige, vor allem in niedergelassenen Arztpraxen. Oft sind Krankenhäuser die attraktiveren Arbeitgeber.
- Vor allem in niedergelassenen Arztpraxen gibt es zu wenige Medizinische Fachangestellte, kurz MFA.
- Das liegt unter anderem daran, dass Krankenhäuser und Gesundheitsverwaltungen oftmals attraktivere Arbeitgeber sind.
- Außerdem ist die Stressbelastung für MFA hoch.
In Arztpraxen übernehmen Medizinische Fachangestellte vielfältige Aufgaben, wie Terminvergabe, Blutabnahme, Laborarbeiten und Abrechnungen. 38 Prozent der MFA in Deutschland arbeiten nach Angaben ihres Berufsverbands im Niedriglohnsektor. Für Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe, ein unhaltbarer Zustand. Und auch sonst könne man nicht von Großverdienern sprechen. "Ich rede hier von Gehältern, die nach Agentur für Arbeit bei MFA bei 2.778 Euro liegen. Das ist im Medium ein Stundenlohn von 16,04 Euro." Die tarifvertraglich festgelegten Einstiegsgehälter liegen nochmal niedriger.
Fachkräftemangel in niedergelassenen Praxen
Besonders niedergelassene Praxen leiden seit etwa zwei Jahren erheblich unter Fachkräftemangel, erklärt Wilfried von Eiff. Er ist Professor an der Handelshochschule Leipzig und leitet dort das "Center for Health Care Management and Regulation". Auch er sieht als einen Grund die vergleichsweise niedrige Entlohnung der MFA. "Und auf der anderen Seite sind die natürlich mit einer hohen Arbeitsbelastung konfrontiert. Das schreckt Bewerber ab. In der Konsequenz heißt das: Die Kapazität der Praxis reicht nicht aus, um den Patientenansturm zu bewältigen. Und das führt zu Wartezeiten."
Viele MFA wollen lieber in Krankenhäusern und Gesundheitsverwaltungen arbeiten
Erschwerend kommt hinzu, dass MFA vermehrt in andere Medizinsektoren wandern. Eine zentrale Herausforderung für Praxen, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV schriftlich mitteilt: "Entscheidend ist, dass die Praxis als attraktive Arbeitgeberin auftreten kann. Dazu gehört nicht nur, aber auch, dass Praxen wettbewerbsfähige Gehälter zahlen können. MFA werden nicht nur von Krankenhäusern, sondern auch von Krankenkassen und Gesundheitsverwaltungen gesucht. Eine attraktive Bezahlung können viele Praxen nicht mehr leisten."
Dass die Praxen oft das Nachsehen haben, bestätigt auch Annette Rommel, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. Jährlich kämen in Thüringen rund 150 neue Medizinische Fachangestellte auf den Markt. "Aber die Suche nach einer Medizinischen Fachangestellten in den Praxen ist nach wie vor schwierig, weil die MFA natürlich auch schauen, wo kann ich gut Geld verdienen? Wo kann ich eine gewisse Karriere starten? Und da gibt es für sie mehr Möglichkeiten als die Praxen. Sie gehen dann möglicherweise ins Krankenhaus oder in andere Einrichtungen, wo sie tatsächlich mehr Geld verdienen als in den Praxen."
Krankenhäuser zahlen bis zu 500 Euro mehr im Monat
Im Schnitt sind das mindestens 400 bis 500 Euro mehr pro Monat, die Medizinische Fachangestellte in Klinken verdienen können. Auf Anfrage bestätigt die Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG, dass es "seit einigen Jahren eine wachsende Tendenz des Wechsels von MFA aus niedergelassenen Arztpraxen in die Krankenhäuser" gibt. Mit Zuschlägen kann man als MFA dort nach Angaben der DKG bis zu 3.750 Euro im Monat verdienen.
Hohe Stressbelastung für Medizinsiche Fachangestelle
Hannelore König vom Berufsverband für medizinisches Fachpersonal ist selbst MFA und würde den Beruf immer wieder ergreifen. Es gebe aber auch viele negative Aspekte rund um den Job: Bürokratie, eine Digitalisierung, die nicht funktioniere und das teils fordernde bis aggressive Verhalten von Patienten. "Wir müssen beim Thema betriebliches Gesundheitsmanagement die Stressbelastung reduzieren. Und ganz wichtig ist natürlich auch das Thema Wertschätzung. Einmal durch den eigenen Arbeitgeber – im Team mitgestalten zu können und auf Augenhöhe im Team zu arbeiten. Und viele MFA wünschen sich, das kommt immer wieder durch, mehr Wertschätzung durch die Politik und die Medien. Dass sie gesehen werden. Dass gesehen wird, wie wichtig sie für die ambulante Versorgung sind."
Um die künftige Bezahlung von MFA geht es auch bei den aktuellen Honorarrahmenverhandlungen zwischen Kassenärzten und Krankenkassen. Die 300 Euro Plus für nicht-ärztliches Praxispersonal, die die KBV fordert, wären zumindest ein Anfang. Da sind sich alle Befragten einig.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. August 2023 | 06:09 Uhr