Entführungen, Abtauchen, Unfälle Rund 900 Menschen werden in Mitteldeutschland vermisst
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14. September 2024, 08:08 Uhr
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden aktuell rund 900 Personen vermisst. Die Zahl ist gleichbleibend hoch und nicht selten werden Kinder und Jugendliche schon länger vermisst. Neben Entführungen und Unfällen gibt es aber auch andere Gründe für ihre Verschwinden.
- Kinder und ältere Menschen verschwinden häufiger, weil sie wegrennen oder desorientiert sind.
- In Mitteldeutschland werden rund 900 Menschen vermisst.
- Gründe für das Verschwinden können Entführungen, Unfälle, begangene Straftaten oder der Wunsch nach einem neuen Leben sein.
Axel Petermann ist Profiler, Kriminalist und Autor. Seit 25 Jahren befasst er sich mit der Analyse von Kriminalfällen. Heute ist er vor allem beratend unterwegs, wenn es um die ganz schwierigen Fälle geht.
Gefahr für Kinder und Ältere hoch
Noch aus seiner aktiven Zeit als Kriminalkommissar weiß Axel Petermann, dass es ganz typische Situationen gibt, in denen vor allem Kinder und Jugendliche verschwinden. Zum Beispiel am Ende eines Schuljahrs: "Wenn wir Zeugnisausgaben haben, dann verschwinden doch eher Jugendliche, verschwinden Kinder, die Angst haben, mit den gezeigten Leistungen oder den dokumentierten Leistungen nach Hause zu gehen."
Bei Kindern wird die Polizei besonders schnell aktiv, denn: "Immer dann, wenn ein Kind unter 14 Jahren verschwunden ist, ist von einem Vermisstenfall auszugehen, weil es sich normalerweise nicht selbst versorgen kann", erklärt Petermann. Auch nach Senioren hat er immer wieder gefahndet: "Es gibt ältere Menschen, die desorientiert sein können, die verschwinden, die einfach nicht zurück nach Hause oder ins Heim finden."
Vor allem Kinder und Jugendliche verschwunden
Rund 900 Menschen waren Anfang Juli allein in Mitteldeutschland als vermisst gemeldet. Ein Großteil davon seien Kinder und Minderjährige, erzählt Elke Eisenlohr, Leiterin der Vermisstenstelle beim Bundeskriminalamt. "Bei den vermissten Kindern haben wir insgesamt 151 Personen, also bis einschließlich 13 Jahre. Zwischen 14 und 17 Jahren gibt es insgesamt 415 vermisste Jugendliche."
Viele der Vermissten werden zeitnah wiedergefunden. Rund die Hälfte der Fälle klärt sich dem BKA zufolge innerhalb der ersten Woche auf. Die anderen bleiben länger verschwunden. So sind von den 900 vermissten Personen in Mitteldeutschland 730 länger als zwei Monate nicht auffindbar.
Elke Eisenlohr zufolge gibt es keine bundesweite Definition für den Begriff Langzeitvermisst: Grundsätzlich sei es in der Vermissten-Sachbearbeitung so vorgesehen, dass, wenn ein Vermisstenfall auch nach zwei Monaten noch nicht geklärt sei, bis spätestens dahin die zuständige Polizeidienststelle alle Informationen erhoben haben sollte, die für den Fall, dass die Person tot aufgefunden wird, dazu dienen, eine eindeutige Identifizierung durchzuführen.
Gründe für das Verschwinden
Doch nicht immer muss eine Straftat oder ein tödlicher Unfall hinter dem Verschwinden stecken. Kriminalist Petermann hat es auch oft erlebt, dass gerade Jugendliche und Erwachsene sich absetzen, um ein neues Leben zu beginnen.
Wenn jemand als vermisst gemeldet wird, dann überprüft die Polizei als erstes, ob die Person in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Danach werde im persönlichen Umfeld nach Hinweisen gesucht, erklärt Petermann: "Das Wichtigste, wenn Menschen verschwinden, ist, dass man sich mit der Persönlichkeit dieser Person beschäftigt und sich fragt, wer ist dieser Mensch eigentlich?"
Auch eine Straftat kann der Grund für das Verschwinden von einem Menschen sein. Wenn keine der polizeilichen Maßnahmen Erfolg hat, steht eine bundesweite Fahndung nach der Person an.
Psychische Belastung für Angehörige
Petermann beschäftigt sich aktuell intensiv mit einem offenen Fall aus der frühen DDR. Die damals 13-jährige Katrin Jarosch ist auf dem Schulweg verschwunden: "Seit 37 Jahren ist das Kind spurlos verschwunden und der Vater, der bald 80 Jahre alt wird, grämt sich immer noch, dass er nicht weiß, was mit seiner Tochter geschehen ist. Und er versucht alles vor seinem Tod, wie er selbst formulierte. Das sind sehr schlimme Momente, die diese Menschen erfahren, die überhaupt nicht wissen, was geschehen ist."
Gerade für Angehörige von Vermissten gibt es Hilfe, zum Beispiel durch Vereine, die beratend zur Seite stehen und psychologische Unterstützung bieten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. September 2024 | 06:17 Uhr