Ferien mit wenig Geld So fördert der Staat den Familienurlaub
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12. August 2023, 05:00 Uhr
Eine Woche Ostsee: Rund ein Fünftel der Deutschen können sich so einen Urlaub nicht leisten. Das betrifft auch Familien und ganz besonders Alleinerziehende. Doch für diese Menschen gibt es auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Hilfe vom Land, um Ferien mit Kindern zu machen.
- 42 Prozent der Alleinerziehenden können sich keine Woche Urlaub leisten.
- Für Familien-Urlaube gibt es in Mitteldeutschland verschiedene Förderungen.
- Die Bundesregierung plant Kürzungen beim Bau von Familienferienstätten.
Der dunkle Koffer liegt auf dem Boden. Davor hockt Sandra und packt: Bettwäsche, kurze und lange Klamotten, Regenjacke. "Es ist momentan ja auch so unbeständig draußen", sagt die alleinerziehende Mutter aus Leipzig. Es soll in den Sommerurlaub gehen – jedoch nur für ihre Tochter.
Die sechsjährige Lea ist noch in der Kita. In zwei Tagen fährt sie mit ihrem Vater an die polnische Ostsee. Auch Sandra hat Urlaub, aber den verbringt sie zu Hause. Sie ist Verkäuferin auf einem Käsewagen und arbeitet zusätzlich im Callcenter; insgesamt 30 Stunden in der Woche. Außerdem erhält sie Unterhalt, Kinderzuschlag und Wohngeld. Zum Leben in einer kleinen Zweiraumwohnung reicht das – für große Reisen nicht.
Es beschränkt sich meistens wirklich auf ein verlängertes Wochenende bei uns.
"Es beschränkt sich halt meistens wirklich auf ein verlängertes Wochenende bei uns", erzählt die 37-Jährige. Das habe sie über Ostern mit ihrer Tochter in der Ferienwohnung von Freunden im Harz verbracht. "Also, wir haben da unseren Urlaub für dieses Jahr schon erlebt", sagt Sandra und zieht den lila Reißverschluss des Koffers ihrer Tochter zu.
Alleinerziehende am stärksten betroffen
Rund 22 Prozent der Deutschen können es sich nicht leisten, eine Woche im Jahr in den Urlaub zu fahren. Das geht aus einer europaweiten Eurostat-Umfrage hervor. Bei Alleinerziehenden wie Sandra sind es demnach sogar 42 Prozent.
Bei Alleinerziehenden stehen die Finanzen immer im Vordergrund. Das hört Brunhild Fischer vom Landesverband Sachsen für Selbstbestimmte Handlungsstrategien und Initiativen für Alleinerziehende (SHIA) regelmäßig in Beratungsgesprächen. "Denn sie haben ja nur ein einziges Einkommen." Somit gebe es nur eine Ansparmöglichkeit, wenn es in den Urlaub gehen soll. "Und das ist natürlich sehr schade, weil gerade soziale Beziehungen, Familienbindungen und so weiter entstehen gerade in solchen Erholungsphasen."
Die Förderungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Um Alleinerziehenden, finanziell Schwachen oder kinderreichen Familien trotzdem diese Erholungsphase zu ermöglichen, gibt es in fast allen Bundesländern Förderprogramme. In Sachsen etwa werden bis zu neun Euro pro Person und pro Übernachtung gezahlt, für mindestens sieben und maximal 14 Tage. Es werden Urlaube in ganz Deutschland gefördert.
In Sachsen-Anhalt gibt es keine direkte Urlaubsförderung, dafür aber ein Familienbildungsprojekt. Danach sind Kosten zwischen 20 und 30 Euro pro Person und Urlaub selbst zu tragen. Die Reisezeit darf zwischen drei und zehn Tagen betragen – das gilt allerdings nur für einen Urlaub innerhalb Sachsen-Anhalts.
In Thüringen läuft von Juli bis Dezember 2023 das Sonderprogramm "Ferien für alle". Hier werden bis zu 80 Prozent der Kosten für zwei bis sieben Tage gefördert, allerdings nur in anerkannten Ferienstätten im Bundesland.
Viele Eltern kennen Förderungen offenbar nicht
Vielen seien diese Programme allerdings unbekannt, bemängelt SHIA-Leiterin Fischer. Dazu kämen bürokratische Hürden. Zwar hat der Antrag in Sachsen nur drei Seiten. Aber: Das Formular muss inklusive Einkommensnachweis vor dem Urlaub eingereicht werden.
"Dann fahren die Menschen ganz normal in den Urlaub und nehmen diesen Zettel mit", erklärt Fischer. "Und dort geht man entweder, wenn es auf dem Zeltplatz ist, oder bei irgendeinem Bürgeramt, einer Meldestelle, Kuramt, Information oder so was", um es sich abstempeln zu lassen. Dann müsse es binnen 14 Tagen an einen der anerkannten Träger in Sachsen geschickt werden. Erst dann werde das Geld überwiesen.
"Wir verstehen, dass das sicherlich auch wieder eine Hürde ist. Aber wir motivieren trotzdem die Eltern – die alleinerziehenden Eltern im Besonderen – sich diese finanzielle Urlaubsunterstützung nicht entgehen zu lassen", so Fischer. Damit die Förderung so schnell wie möglich ausgezahlt wird, versuche der Landesverband für Alleinerziehende, die Überweisung innerhalb von drei Werktagen anzuweisen. Dafür könne der letzte Beleg auch schon aus dem Urlaub verschickt werden.
Wie eine Familie Urlaub in Sachsen machen konnte
"Es war schön, Sachsen zu sehen. Wir waren auch einen Tag in Tschechien", berichtet Irene. Sie ist mit ihrem Mann, Kindern und Großeltern aus der Nähe von Trier nach Burkhardtsgrün ins Erzgebirge gefahren. Irene ist gelernte Bürokauffrau, für die Familie und die insgesamt sieben Kinder bleibt sie aber zu Hause. Ehemann Sergej ist Holzmechaniker und tagsüber oft zehn Stunden unterwegs. Umso wichtiger ist es für die Familie, im Urlaub gemeinsam Zeit zu verbringen.
Die Reise ist für sie erst durch das Förderprogramm ihres Heimatbundeslandes möglich. In Rheinland-Pfalz ist die Förderung vom Land höher als beispielsweise in Sachsen. "Die Unterstützung ist auf jeden Fall eine große Hilfe für uns", sagt Mutter Irene. "Das ist pro Kind 25 Euro. Wir haben eine behinderte Tochter. Für sie gibt es da 30 Euro pro Tag. Und für mich und meinen Mann jeweils zehn Euro."
Irene kann von der Förderung die gesamte Unterkunft bezahlen und hat noch Geld für die Anfahrt übrig. In Burkhardtsgrün hat die Familie eine von sechs anerkannten Ferienstätten in Sachsen besucht – das ist ein Kriterium für den Landeszuschuss durch Rheinland-Pfalz.
Bundesregierung plant Kürzungen bei Familienferienstätten
Dass es für die Familienförderung kein einheitliches System gibt, wirkt nicht fair. Dsa findet auch der Vorstand der Familienferienstätte im Erzgebirge: "Das ist schwierig und auch den Familien nur schwer zu vermitteln", so Thomas Scheffler. "Also für uns wäre es bedeutend schöner, wenn es dort eine bundeseinheitliche Bezuschussung gäbe. Aber da sind die Fördersätze in den Bundesländern leider sehr unterschiedlich, auch je nach finanzieller Ausstattung der Bundesländer."
In der christlichen Einrichtung machen geförderte Familien, laut Scheffler, jedes Jahr rund zehn Prozent der Urlauber aus. Künftig könnte die Finanzierung solcher Familienferienstätten schwieriger werden. Denn die Bundesregierung plant laut Haushaltsentwurf Kürzungen für Bau- und Sanierung der Einrichtungen.
Sandra könnte die Förderung erhalten
Die alleinerziehende Mutter Sandra hatte zuvor von der Urlaubsförderung noch nicht gehört. Auf Anfrage erfährt MDR Investigativ, dass in Sachsen tatsächlich nicht alle im Haushalt für Urlaube eingeplanten Fördergelder ausgegeben wurden. So wurden etwa 2022 von 600.000 Euro nur knapp 70 Prozent an Familien ausgezahlt.
Sandra findet mit dem Förderrechner der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung heraus, dass sie Anspruch auf die Hilfsmittel hätte. Sie denkt, dass ihr das etwas bringen würde. "Das hilft auf jeden Fall. Das sind 18 Euro am Tag, die man dann schon wieder frei hat, um irgendwo was zu machen."
Sandra sagt, dass sie nicht unbedingt in Urlaub fahren müsse. "Ja gut, andere fahren jetzt irgendwo groß in Urlaub. Ich mache es mir selber schön", sagt sie, während sie in ihrer Wohnung neben dem gepackten Koffer der Tochter steht. "Ich brauche dazu jetzt nicht unbedingt irgendwo einen großen Urlaub und weit weg."
Einen großen Reisewunsch für die Zukunft hat Sandra trotzdem: "Die Lea wünscht sich irgendwann mal in den Urlaub zu fliegen. Ich habe da halt auch einen Wunsch. Es gibt ein Land, wo ich einfach irgendwann mal hinmöchte: Das ist Island." Sie will versuchen, dafür etwas Geld beiseite zu packen, sodass sie es sich in ein paar Jahren erlauben könnten, dorthin zu reisen. Eine Flugreise machte Sandra zuletzt vor 20 Jahren nach Spanien – damals noch mit ihren Eltern.
Quelle: mpö
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 09. August 2023 | 20:15 Uhr