Digital Streetwork Minecraft, Tiktok, Instagram: Sozialarbeiter sind auch online für Jugendliche da
Hauptinhalt
16. Juli 2024, 08:51 Uhr
Kinder und Jugendliche verbingen heute viel Zeit im Internet. Statt sich in Skateparks oder Jugendclubs zu treffen, zocken sie Online-Spiele oder scrollen sich durch Social Media. Darauf reagieren Sozialarbeiter. Bislang haben sie die jungen Menschen vor allem auf der Straße angesprochen und Hilfe in schwierigen Lebenslagen angeboten. Jetzt müssen sie zusätzlich online aktiv sein. Digital Streetwork nennt sich das Konzept.
- Beim gemeinsamen Spielen von Online-Games finden Sozialarbeiter Anknüpfungspunkte, um über Gefühlsausbrüche und Frust zu sprechen.
- Bei der digitalen Streetwork geht es oft um Themen wie Einsamkeit und psychische Gesundheit.
- Jugendarbeit ist kommunale Aufgabe, das Netz ist dagegen grenzenlos – das bringt Fragen der Finanzierung mit sich.
Seit vergangenem Jahr betreibt der Kreis-Kinder- und Jugendring Mansfeld Südharz einen eigenen Minecraft-Server. In dem beliebten Computerspiel geht es darum, aus würfelförmigen Elementen eine eigene Welt zu erschaffen. Jürgen Frenzel ist Sozialarbeiter und verantwortlich für das Projekt "MSH zockt". Solche Spiele seien hervorragende Eisbrecher, um die Jugendlichen zu erreichen.
Frenzel sagt, er bemerke beim Spielen die Frustrationstoleranz der Kinder und Jugendlichen. "Auch Gewalt war plötzlich ein Thema, wo man dann gefragt hat: 'Hey, was macht dich eigentlich so wütend in dem Moment?' Da konnte man gut weiterarbeiten", erzählt der Sozialarbeiter. Er erinnert sich an einen jungen Menschen. "Den kenne ich bis heute noch. Und da war es gut, das zu haben, weil man dann so Anknüpfungspunkte hatte. Wo kommt der Frust her, der sich über das Spielen entladen hat?"
Statt auf die Straße in soziale Medien
Digital Streetwork heißt das umfassende theoretische Konzept hinter Projekten wie diesen. Die Idee: Die aufsuchende Sozialarbeit, die in den 70er Jahren populär wurde um dem Drogenkonsum entgegenzuwirken, verlagert sich ins Netz. Christina Dinar forscht an der Katholischen Fachhochschule Berlin zu dem Thema. "Ich kann in Kommentarspalten aufsuchend tätig sein. Ich kann unter Hashtags gehen oder mir eine Community aufbauen oder in eine Community reingehen, zum Beispiel in Streams", erklärt Dinar.
Ich kann in Kommentarspalten aufsuchend tätig sein. Ich kann unter Hashtags gehen oder mir eine Community aufbauen.
Was klassische und digitale Streetworker gemeinsam haben, ist, dass sie versuchen, Jugendlichen zu helfen, die sonst durchs System fallen, weil sie zum Beispiel keine Jugendzentren oder Angebote der Schulsozialarbeit nutzen. Die Themen im Netz seien aber häufig andere, sagt Dinar. "In Digital Streetwork ist das Hauptthema einfach Einsamkeit und Desorientierung oder Orientierung überhaupt im Kontext von sich selbst, psychischer Gesundheit, Information und Orientierung in der Informationsökologie der sozialen Medien."
Digitale Jugendarbeit hilft vor allem im ländlichen Raum
Einige Leuchtturmprojekte der Digital Streetwork gibt es in Bayern. Doch auch in Sachsen sind Sozialarbeiterinnen längst online unterwegs – jedoch nicht ausschließlich. Scarlett Wiewald ist geschäftsführende Bildungsreferentin beim Landesarbeitskreis mobile Jugendarbeit. Sie sieht die Arbeit im Netz als Ergänzung, die vor allem in ländlichen Räumen helfe, wo die Jugendlichen sehr verstreut lebten. Sie habe aber ihre Schwächen.
Wiewald betont: "Aufsuchen ist zwar eine Methode. Die umfasst bei uns aber viel, viel mehr als nur auf Jugendliche zuzugehen und die anzusprechen. Sondern das dient auch gleichzeitig dazu, die Lebenswelt der jungen Menschen zu erkunden: Wo bewegen die sich, wie ist ihr Gemeinwesen, ihr Sozialraum. Und sowas fällt in der Regel weg, wenn man sowas nur online tut."
Schwierig ist zudem die Finanzierung. Denn Jugendarbeit ist kommunale Aufgabe – das Netz aber grenzenlos. Deshalb wünscht sich Wiewald mehr Engagement der Länder und des Bundes.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Juli 2024 | 07:53 Uhr