Statistik des BKA Fast 2.000 Kinder und Jugendliche in Mitteldeutschland sexuell missbraucht
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30. Oktober 2023, 20:23 Uhr
Das BKA hat am Montag das erste Mal ein Lagebild "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen" vorgestellt. In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gab es demnach im vergangenen Jahr 1.957 Fälle missbrauchter Kinder und Jugendlicher. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher.
- 1.957 Opfer sexueller Gewalt wurden 2022 in Mitteldeutschland gezählt – bundesweit knapp 18.500 Kinder und Jugendliche.
- Opfer und Tatverdächtige kennen sich in vielen Fällen.
- Bundesinnenministerin Nancy Faeser: Junge Menschen müssen besser geschützt werden.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat am Montag das erste Mal ein Lagebild "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen" vorgestellt. Darin werden für das Jahr 2022 in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen insgesamt 1.957 Opfer sexueller Gewalt gezählt. 1.808 Opfer sind jünger und 149 älter als 14 Jahre. In Thüringen sind 452 Fälle sexuellen Missbrauches an Kindern unter 14 Jahren registriert worden, in Sachsen-Anhalt 561 und Sachsen 795 Fälle.
Bundesweit sind 2022 mehr als 17.000 Opfer unter 14 Jahren gezählt. Davon war wiederum jedes siebte jünger als sechs Jahre. Außerdem wurden etwa 1.200 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren als Opfer sexueller Gewalt gezählt. Im Vergleich zum Vorjahr 2021 blieb die Zahl der Missbrauchsfälle an Kindern in etwa gleich – sie sank nur leicht um 1,9 Prozent. In dem Bericht heißt es, man gehe von einem noch höheren Ausmaß aus, da nicht alle Taten angezeigt würden.
Opfer und Tatverdächtige oft aus derselben Familie
In mehr als der Hälfte der Fälle kannten sich laut Bericht Opfer und Tatverdächtige – häufig gehörten sie derselben Familie an. Insgesamt sind rund 11.500 Tatverdächtige registriert worden: 9.455 sind deutsche Staatsangehörige und 2.101 stammen aus anderen Ländern.
Die männlichen Tatverdächtigen bildeten mit 94,3 Prozent die deutliche Mehrheit. Der Anteil tatverdächtiger Frauen lag 2022 bei 5,6 Prozent. Die meisten Missbrauchsfälle, etwa ein Viertel der Taten, registrierten die Behörden in beiden Gruppen in Nordrhein-Westfalen (4.450). Etwa ein Viertel der Taten aus dem Jahr 2022 entfiel allein auf Nordrhein-Westfalen, wo einige größere Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden. Das BKA nannte als Beispiele die Ermittlungskomplexe zu Lügde, Bergisch Gladbach und Münster.
Bei den Ermittlungen zu Verbreitung, Erwerb und Besitz sogenannter kinder- und jugendpornografischer Inhalte wurden 2022 mehr Fälle erfasst. Die Zahl stieg im Vorjahresvergleich um 7,5 Prozent auf rund 42.100 Fälle. Als Grund für den Anstieg verwies das BKA unter anderem auf vermehrte Hinweise der US-amerikanischen Organisation National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) sowie die "stark gestiegene, oftmals unbedachte Verbreitung entsprechender Darstellungen durch Kinder und Jugendliche über soziale Medien".
Bundesinnenministerin: "Entsetzliches Ausmaß von sexueller Gewalt"
"Das Bundeslagebild zeigt deutlich das entsetzliche Ausmaß von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Wir müssen alle Mittel des Rechtsstaats nutzen und optimieren, um junge Menschen besser zu schützen. Kein Täter darf sich sicher fühlen, kein Opfer ohne Hilfe bleiben." BKA-Präsident Holger Münch sagte, das neue Lagebild solle dazu beitragen, Bekämpfungs- und Präventionsstrategien passgenau entwickeln zu können.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Fakten seien schwer zu ertragen: "Zugleich zeigen sie: Wir brauchen starke Strukturen, die sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung einsetzen." Daher werde sie das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs auf eine gesetzliche Grundlage stellen. "Zusätzlich werden wir in den nächsten Wochen eine breite Sensibilisierungskampagne starten", sagte sie.
MDR (Jörg Wunram, Luise Kotulla, Martin Paul)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. Oktober 2023 | 18:36 Uhr