Olaf Scholz SPD, Bundeskanzler, und Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender, im Bundestage im Gespräch miteinander
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Die Sprache der Politiker Sprachwissenschaftler: Social Media trägt zur "angeblichen Unverständlichkeit" von Politikern bei

12. August 2023, 17:59 Uhr

Die Sprache der Politiker habe sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert, meint der Sprachwissenschaftler Josef Klein. Sie sei weder unklarer noch brutaler geworden. Jedoch seien die Bürgerinnen und Bürger in den sozialen Medien deutlich kritischer. Doch das sehen nicht alle so.

Politiker versuchen, mit ihrer Sprache zu überzeugen, zu mobilisieren oder zu lenken. Aber hat sich die Art der Kommunikation im Laufe der Zeit gewandelt? Die Sprache der Politiker hat sich in den letzten 50 Jahren nicht verändert, sagt Josef Klein, Sprachwissenschaftler und ehemaliger CDU-Abgeordneter. Sie sei weder unklarer noch schärfer geworden, sondern werde nur kritischer bewertet. Anders sieht das Thomas Niehr, ebenfalls Sprachwissenschaftler. Er bemerkt eine Verrohung der Sprache in der Politik in den letzten fünf Jahren.

Größerer Handlungsspielraum durch unklare Antworten

Ausweichende Antworten seien typisch für eine bestimmte Phase der Themenbehandlung, und zwar immer dann, wenn das Thema besonders umstritten sei, gerade in der eigenen Partei oder Koalition, sagt Klein: "Dann überlege ich mir als Politiker, ob ich mir jetzt sozusagen Verhandlungsspielräume herausnehme, wenn ich mich festlege. Und was habe ich zu befürchten, wenn ich ein bisschen ausweiche?"

So werde zum Beispiel in der Klimadebatte durchaus ausgewichen, wenn es unangenehm werde. Als Fachmann sieht Klein das eher neutral, betont er, vielleicht auch mit ein bisschen Zynismus. Aber als Bürger ärgere es ihn, auch wenn er wisse, dass es manchmal für den Politiker kaum vermeidbar sei.

Tabuisierung in der Politik

Häufiger würden diese ausweichenden Antworten auch durch eine Tabuisierung gegeben, sagt Klein. Diese gebe es aktuell sowohl nach rechts als auch nach links. Es ginge dann bei den Antworten auch darum, nicht durch Dinge, die man sagt, in eine bestimmte Ecke geschoben zu werden. Bei den Themen Enteignung und der Migrationspolitik könne man dies zum Beispiel beobachten, meint Klein. Für die Demokratie sei eine solche Tabuisierung jedoch eher kontraproduktiv. Man müsse somit bei jeder Meinungsäußerung damit rechnen, unter Druck gesetzt zu werden.

Niehr meint hingegen, dass es eine Tabuisierung bestimmter Ausdrücke gebe, weil Sprecherinnen und Sprecher sich eher politisch korrekt äußern wollen. Die AfD hingegen würde sich immer wieder durch gezielte Verstöße gegen diese Tabus hervortun.

Scholz als Beispiel für ausweichende Antworten

Bundeskanzler Olaf Scholz tendiere dazu, ausweichend zu antworten, sagt Klein: "Aus meiner Sicht täte er sich und seinem Image aber besser, wenn er klarer reden würde". Mit dem Begriff der Zeitenwende Anfang des vergangenen Jahres habe der Bundeskanzler eigentlich zu Klarheit aufgerufen. Er habe an der richtigen Stelle den richtigen Begriff geprägt. Wenn die Politik dann konsequent handle, dann könne man mit einem solchen Wort die Mehrheit eines Landes prägen, so Klein. Scholz selber werde dem aber nicht gerecht.

Merz' Versuch, mit Klarheit aufzutreten

CDU-Chef Friedrich Merz versuche dagegen, mit Klarheit aufzutreten. "Aber es bleibt leider oft beim Versuch", meint Klein. Denn wenn es unbequem werde, dann wolle Merz nichts gesagt haben oder aber er habe es anders gemeint. Außenministerin Annalena Baerbock trete hingegen tatsächlich mit Klarheit auf, meint der Sprachwissenschaftler.

Ein brutaler Umgang: Nichts Neues in der Politik

Der Diskurs der Politiker sei aber generell nicht brutaler geworden, erklärt Klein. Schon immer sei es mitunter brutal gewesen, gerade in Bundestagsdebatten. Was sich verändert habe, sei die Berechtigung einer gewissen Schärfe in Auseinandersetzungen, gerade mit der AfD.

Thomas Niehr hingegen hat in den letzten fünf Jahren eine gesteigerte Aggressivität in Richtung Verrohung beobachtet, gerade vonseiten der AfD. "Das gilt sicherlich nicht für alle Politikerinnen und Politiker, aber insgesamt ist der Ton rauer geworden". Das könne zu einer Politikverdrossenheit führen, aber auch negative Folgen für das gesellschaftliche Miteinander haben, befürchtet der Sprachwissenschaftler.

Kritischerer Blick durch Social Media

Ob die sozialen Medien die Sprache der Politiker beeinflussen, könne er nicht wirklich beurteilen, sagt Niehr. Auch, wenn sie natürlich Sprache und den Informationenaustausch allgemein verändert hätten.

Klein meint hingegen, Social Media trage zu der "angeblichen Unverständlichkeit" der Politiker bei. Die Menschen würden immer kritischer. Etwas, dass nach drei Minuten klar geworden wäre, werde in 13 Sekunden nicht verständlich. Deswegen reiche ein kurzer Zusammenschnitt für eine Negativbeurteilung aus. Politiker könnten kaum Argumente unterbringen. Sie müssten sich auf wenige Sätze beschränken. Klein nimmt jedoch nicht an, dass sich die Sprache der Politiker ändern wird: "Was zu wünschen ist, ist mehr Verständlichkeit für die Bürgerinnen und Bürger", erklärt er. Das sei jedoch abhängig von Talenten und Begabungen nachrückender Politikerinnen und Politiker. Eine Garantie auf mehr Klarheit gebe es nicht.

Professor Doktor Thomas Nier Professor Doktor Thomas Niehr unterrichtet an der RWTH Aachen. Von 2011 bis 2021 war er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sprache in der Politik. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Politiolinguistik, Sprachkritik, Argumentations- und Diskuranalyse, sowie der öffentliche Sprachgebrauch.

Professor Doktor Josef Klein Professor Doktor Josef Klein arbeitet als Sprachwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Politolinguistik.
Von 1972 bis 1976 war er Mitglied des Bundestags für die CDU. Bis 1979 war er Mitglied der Partei. Er lehrte an dem Institut für Germanistik in Aachen und an der Universität in Koblenz. Mit seiner Arbeit prägte er die Politiolinguistik in Deutschland wesentlich.

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