Ein Rentner sitzt in einem Sessel und liest  Zeitung.
Unseriöse Partnervermittlungen ködern Senioren mit Kontaktanzeigen. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Geschäfte mit der Einsamkeit Unseriöse Partnervermittlungen in Mitteldeutschland vernetzt

21. März 2023, 12:54 Uhr

In Mitteldeutschland gibt es mehrere Partnervermittlungsfirmen, die Senioren mit Kontaktanzeigen locken und sie dann zu Verträgen drängen, die sie Tausende Euro im Jahr kosten. Recherchen von MDR AKTUELL haben ergeben, dass diese Firmen zusammenarbeiten. Manche von ihnen wurden bereits verklagt.

  • Partnervermittlungsfirmen ködern ältere Menschen mit Kontaktanzeigen, damit sie teure Verträge unterschreiben.
  • In Mitteldeutschland deuten Maschen und Verträge auf ein Netzwerk hin.
  • Manche Firmen wurde bereits verklagt.

"Bildhübsche Fachärztin, 46 Jahre, sportliche Figur, würde gern soliden Mann bis Anfang 60 kennenlernen, damit die Einsamkeit ein Ende hat". So lautet zum Beispiel eine Annonce, die im vergangenen Jahr in mehreren Zeitungen in Bremen und Berlin sowie in der Leipziger Volkszeitung zu lesen war. Veröffentlicht hat sie eine gewisse Julie GmbH. Die Annonce ist ein Köder, vermutet Alina Krause vom Verbraucherdienst e.V..Ziel sei es, mit der Annonce einen Fuß in die Tür von Interessenten zu bekommen.

Krause zufolge gibt es die Frau aus der Annonce wahrscheinlich gar nicht. Allein die Kilometerdifferenz lasse das vermuten. "Warum sollte eine Ärztin gleichzeitig in Bremen und Leipzig einen Partner suchen?", fragt Krause. Bei dem Verein gehen viele Beschwerden ein.

Vorgehensweise unseriöser Partnerbörsen oft dieselbe

Die Vorgehensweise von Firmen wie der Julie GmbH ist häufig dieselbe: Wenn man sich bei der Telefonnummer unter der Annonce meldet, drängen Mitarbeiter darauf, zu Hause vorbeizukommen. Dort vertiefen sie ihre Opfer in ein Gespräch, an dessen Ende ein Vertrag unterschrieben werden soll. Der verspricht eine spärliche Anzahl von Kontakten für eine horrende Summe Geld.

"Und das sind Jahresverträge, die sich um ein weiteres Jahr verlängern können, wenn sie nicht rechtzeitig gekündigt werden", betont Alina Krause vom Verbraucherdienst e.V. Das bedeute, dass im ersten Jahr zum Beispiel 2.500 Euro nur für die Kontaktbörse gezahlt werden müssen, erklärt Krause. In zwei Jahren seien das schon 5.000 Euro und das für fünf bis zehn Adressen aus einer sogenannten Datenbank, über die niemand etwas wüsste.

MDR AKTUELL hat mit Dutzenden Opfern und Angehörigen gesprochen. Viele waren bei Vertragsabschluss weit über 80, einige dement. Ein 84 Jahre alter Mann aus Zwickau verlor 3.000 Euro, ohne eine Frau kennengelernt zu haben. Den meisten ist die Sache peinlich, darüber hinterher zu reden. 

Verdacht: Netzwerk von Kontaktagenturen in Mitteldeutschland

Viele dieser Partnervermittlungsfirmen sitzen in Mitteldeutschland und haben jeweils ähnlich klingende Namen.  Beim Führungspersonal der Firmen gibt es teilweise Überschneidungen. Die Verträge, die sie ihren Kundinnen und Kunden vorlegen, haben oftmals exakt denselben Wortlaut. Die Firmen nutzen außerdem dieselbe Datenbank. Unsere Recherchen deuten darauf hin, dass es sich um ein Netzwerk untereinander in Kontakt stehender Firmen handelt.

Das vermutet auch Micaela Schwanenberg von der sächsischen Verbraucherzentrale. "Dieses Business beruht auf einer Vernetzung und Verflechtung." Man gehe auch davon aus, dass die Leute, die diese Unternehmen betreiben, den Markt untereinander abgesteckt haben könnten. Das müsse ein sehr lohnendes Geschäft sein, weil derartige Fälle die Verbraucherzentrale bereits seit vielen Jahren begleiteten. Eine rückläufige Tendenz gebe es leider nicht, so Schwanenberg.

Einige Partnervermittlungen bereits verklagt

Gegen einige Firmen kam es zu Prozessen. Manche Klagen hatten Erfolg, zum Beispiel wegen der Verschleierung einer Partnervermittlung. Das Geschäftsmodell ist meist noch gerade so legal, erklärt der Leipziger Rechtsanwalt Jan Siebenhüner. "Man versucht sich da genau das Kundenklientel zu suchen, das man leicht ausnehmen kann wie eine Weihnachtsgans." Aber nicht alles, was moralisch verwerflich ist, sei auch verboten und strafbar. Das Vorgehen der Firmen sei bis an die Grenzen des Machbaren ausgelotet.

Der Weg vor Gericht könne im Einzelfall erfolgversprechend sein, sagt Alina Krause. Sie hat schon mehreren Betroffenen bei Verfahren geholfen. Die Firmen selbst wollen keine Interviews geben. In einem Telefonat sagte eine Geschäftsführerin, sie halte ihr Geschäftsmodell für moralisch in Ordnung.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde aufgrund einer juristischen Auseinandersetzung verändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Februar 2023 | 06:30 Uhr

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