Symbolfoto: Gestellte Aufnahme zum Thema Fehlgeburt. Das Ultraschallbild eines ungeborenen Kindes steht neben einem Kuscheltier waehrend eine Frau im Hintergrund ihr Gesicht in ihren Händen verbirgt.
Viele Frauen erkranken nach einer Fehlgeburt. Bildrechte: IMAGO / photothek

Nach Petitionen Bemühungen um Mutterschutz nach Fehlgeburten: "Auch in ihrem Bauch hat ein Herz geschlagen"

05. Juli 2024, 21:09 Uhr

Statistisch gesehen verliert jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben ein Kind während der Schwangerschaft. Erst ab der 24. Schwangerschaftswoche steht ihnen Mutterschutz zu. Weil viele Frauen nach einer Fehlgeburt erkranken, fordern viele, dass es den Mutterschutz auch für frühere Fehlgeburten gibt. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung nun auf, für alle Frauen mit Fehlgeburten Mutterschutz einzuführen.

Juliane Neubauer
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Es ist für Natascha Sagorski ein absolutes Wunschkind gewesen, erinnert sich die Ende Dreißigjährige heute. Sie war schwanger, sah beim ersten Frauenarztbesuch im Ultraschall schon das Herzchen schlagen. Bei der nächsten Untersuchung in der Zehnten Wochen dann der Schock – kein schlagendes Herz mehr.

Sagorski wird kurzerhand in eine Klinik geschickt, wo der tote Embryo aus ihrer Gebärmutter entnommen wird. "Als ich aus der Narkose aufgewacht bin in der Klinik – das war eine Ausschabung unter Vollnarkose – meinte die Ärztin, ich bräuchte keine Krankschreibung. Ich könne morgen wieder arbeiten gehen. Das konnte ich aber nicht. Ich war überhaupt nicht in der Lage dazu. Ich habe die ganze Zeit nur geweint. Ich hatte Schmerzen und Blutungen." Erst nach einigen Telefonaten fand ihr Mann einen Arzt, der die trauernde Mutter nach der Fehlgeburt krankschrieb.

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Natascha Sagorski tauschte sich mit vielen Frauen aus, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Die Geschichten machten sie so wütend, dass sie entschied, sich politisch für Mutterschutz nach Fehlgeburten einzusetzen. 2022 startete sie eine Petition, die durch ihren Erfolg bis zum Bundesrat gereicht wurde.

Aktuell bekommen Frauen, die ihre Kinder während der Schwangerschaft verlieren, erst dann Mutterschutz, wenn sie entweder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht haben, also im 7. Monat sind oder wenn das tote Kind mehr als 500 Gramm wog.

Depression und Belastungsstörung nach Fehlgeburt

Aber was ist mit den anderen Schwangeren, fragt sich auch die Leipziger Hebamme Irmi Krause. Sie hat in den vergangenen acht Jahren viele Frauen nach Fehlgeburten begleitet. Die 24. Woche sei viel zu spät, denn davor passiere schon unglaublich viel: "Du bist schwanger ab dem ersten Tag der Schwangerschaft. Das heißt, du setzt dich mit dem Muttersein auseinander, dein Körper setzt sich mit dem Muttersein auseinander, es wächst etwas heran. Deswegen finde ich diese Idee des gestaffelten Mutterschutzes nicht schlecht als gesetzliche Grundlage", sagt Krause. Trotzdem müsse man auch gucken, was die Frau, die Familie und der Partner dann wirklich brauchen.

Wenn die Hebamme die Eltern besucht, erkennt sie oft auch die tiefe Trauer und Hilflosigkeit der Väter, die genauso ihr Kind verloren haben, auch wenn sie die physische Erfahrung der Fehlgeburt nicht direkt spüren.

Es sei sehr unterschiedlich, was den Familien dabei hilft, den Verlust zu verarbeiten. Manchen hilft die Struktur ihrer Arbeit, um Stabilität und Sicherheit zu haben. Andere stünden sehr unter Druck und seien gestresst. Und das könne eine Depression oder eine Belastungsstörung auslösen, die sich dann noch länger hinziehen könnte, erzählt die Hebamme.

60 Prozent erkranken nach Fehlgeburt

Studien der IKK haben gezeigt, dass über 60 Prozent der Frauen nach einer Fehlgeburt psychisch erkrankten und dadurch häufig länger ausfallen, als sie es vielleicht im Rahmen eines Mutterschutzes würden. Die Idee des gestaffelten Mutterschutzes bedeutet, je länger die Frau schwanger war, desto länger wird auch der Mutterschutz gewährt.

Natascha Sagorski wünscht sich eine Mutterschutzregelung, die keine schwangere Frau mehr ausschließt, also auch Frauen bei frühen Fehlgeburten berücksichtigt. Die meisten passieren in den ersten 12 Wochen: "Gerade diese Frauen, die noch nicht diesen riesigen großen Schwangerschaftsbauch hatten, werden oft nicht krank geschrieben und die kriegen oft keine Sichtbarkeit und sollen sich einfach zusammenreißen und so tun als wäre nichts gewesen. Aber es war halt was, sie waren schwanger und da hat auch in ihrem Bauch ein Herz geschlagen."

Petitionen wie die von Natascha Sagorski haben dazu geführt, dass sich der Familienausschuss des Bundestags mit dem Thema befasst.

Abstimmung im Bundesrat

In einer Entschließung hat der Bundesrat die Bundesregierung inzwischen aufgefordert, für Frauen mit Fehlgeburten Schutzfristen im Sinne des Mutterschutzgesetzes einzuführen. Dabei soll es sich um einen freiwilligen Anspruch handeln, um den individuellen Umständen und Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden.

Der Mutterschutz bei Fehlgeburten solle deutlich vor der 20. Schwangerschaftswoche beginnen und sich je nach Dauer der Schwangerschaft verlängern. Bislang besteht nur ein Anrecht auf 18 Wochen Mutterschutz und Mutterschaftsgeld, wenn das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 05. Juli 2024 | 06:12 Uhr

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