Studien aus Norwegen und Großbritannien Nach Fehlgeburt oder Abtreibung: Erneute Schwangerschaft nicht mit erhöhten Risiken verbunden
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22. November 2022, 20:00 Uhr
Bisher wurde Frauen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen, nach einer Fehlgeburt oder Abtreibung mindestens sechs Monate bis zur nächsten Schwangerschaft zu warten. Eine neue Studie hat gezeigt, dass es dafür keinen Grund gibt. Wenn es bei der Geburt zudem zu einem erneuten Kaiserschnitt kommt, ist das Risiko für Beckenbodenkomplikationen geringer als bei einer vaginalen Geburt, wie eine weitere Untersuchung ergab.
Bei der ersten Studie handelt es sich um eine internationale Kohortenanalyse, bei der insgesamt 49.058 Entbindungen nach Fehlgeburt und 23.707 Niederkünfte nach einer Abtreibung in Norwegen zwischen 2008 und 2016 untersucht wurden. Dabei wurden sechs mögliche negative Folgen bei der Geburt betrachtet: Frühgeburt, spontane Frühgeburt, Mangelgeburt (SGA), fetales Überwachstum (LGA), Schwangerschaftsvergiftung, Schwangerschaftsdiabetes.
WHO sollte Empfehlungen laut Studienautoren überarbeiten
Die Ergebnisse sind dabei komplex. Verglichen mit dem Abwarten über sechs bis elf Monate nach einer Fehlgeburt war das Risiko für eine Mangelgeburt und einen Schwangerschaftsdiabetes geringer als bei einer erneuten Schwangerschaft innerhalb von drei Monaten. Nach einer Abtreibung war das Risiko für eine Mangelgeburt leicht erhöht, wobei die Gefahr eines fetalen Überwachstum innerhalb der ersten drei Monate geringer als nach sechs bis elf Monaten war.
Für die Zeit nach mehr als zwölf Monaten nach einer Fehlgeburt oder Abtreibung fanden die Forschenden keine erhöhten Risiken mehr – mit der Ausnahme einer leicht höheren Tendenz zu Schwangerschaftsdiabetes. Insgesamt deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass es keine Notwendigkeit dafür gibt, mindestens sechs Monate bis zu einer erneuten Empfängnis zu warten. Dazu raten die Autoren auch der WHO, ihre Empfehlungen für Schwangere dementsprechend zu überarbeiten.
Allerdings wurden bei der Untersuchung nicht alle möglichen Störfaktoren einbezogen, wie die Forschenden mitteilen. Dazu gehören etwa die Frage nach der Absicht bei der Empfängnis und die gesundheitliche Beratung während der Schwangerschaft. Außerdem wurden nur Fehlgeburten mitgezählt, die im Gesundheitssystem gemeldet worden waren.
Zweiter Kaiserschnitt führt zu weniger Beckenbodenkomplikationen
Bei einer weiteren Studie der Universität Oxford wurde untersucht, wie hoch das Risiko für Beckenbodenkomplikationen bei einem zweiten Kaiserschnitt ist. Dazu werteten die Forschenden die Daten von insgesamt 47.414 Frauen aus, die ihr erstes Kind per Kaiserschnitt entbunden hatten. Von ihnen erhielten 15.742 Gebärende auch beim zweiten Kind eine Sectio, während 31.672 Frauen vaginal entbanden. Im Ergebnis war die Gefahr für eine Beckenbodenoperation bei der vaginalen Geburt doppelt so hoch wie beim Kaiserschnitt - insgesamt aber mit 1.159 der 47.414 Niederkünfte relativ gering.
Laut den Studienautoren sollten diese Erkenntnisse künftig in die Geburtsberatung mit einfließen. Allerdings werden andere Risiken eines Kaiserschnitts wie etwa Nachteile für die Darmflora des Babys nicht thematisiert. Auch kann sich die Sectio später negativ auf das Immunsystem des Kindes auswirken und zu Diabetes führen. "Ich würde einer Frau nicht per se zu einem Kaiserschnitt raten, weil sie mit der Sectio, also einer Operation, die auch mannigfaltige Komplikationsmöglichkeiten hat, eine zukünftige Operation gegebenenfalls vermeiden möchte, aber dies auch nicht sicher kann", resümiert Dr. Anne Heihoff-Klose von der Uniklinik Leipzig, die nicht an der Studie beteiligt war.
Links/Studien
- Die Studie "Interpregnancy interval and adverse pregnancy outcomes among pregnancies following miscarriages or induced abortions in Norway (2008–2016: A cohort study)" ist im Fachmagazin "PLOS Medicine" erschienen.
- Die Studie "Planned mode of birth after previous cesarean section and risk of undergoing pelvic floor surgery: A Scottish population-based record linkage cohort study" wurde ebenfalls in "PLOS Medicine" veröffentlicht.
cdi