Ursachensuche Jugendkriminalität als Spätfolge der Corona-Pandemie?
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25. Dezember 2023, 10:11 Uhr
In vielen Städten wie etwa in Halle, Leipzig und Dresden ist Jugendkriminalität ein Problem. Jugendgruppen überfallen Mitschüler. Die Polizei reagiert mit Sonderkommissionen. Forscher sehen verschiedene Ursachen für die Gewalt. Eine davon sei in der Corona-Pandemie zu sehen.
- Die Täter sind immer in Gruppen unterwegs
- Ein Forscher sieht eine der Ursachen auch in der Corona-Pandemie
- Die Polizei warnt vor Vorurteilen gegenüber Migranten
Der letzte Vorfall in ihrer Klasse sei drei Wochen her, sagen Jonas und Martin. Eine Gruppe Jugendlicher habe einem Mitschüler Prügel angedroht und dann die Kopfhörer abgenommen. So sei es in der Klasse verbreitet worden, erzählen die 16-Jährigen, die an einer Haltestelle in Halle Neustadt stehen.
Jonas und Martin fänden es gut, wenn die Polizei in Halle-Neustadt noch mehr Präsenz zeigen würde. "Prinzipiell keine schlechte Idee", sagt der eine. Und der andere fügt hinzu: "Ja, finde ich auch […], auf jeden Fall. Man sollte, denke ich, dann auch aufpassen und vielleicht ein paar Sicherheitskräfte dort schon hinschicken und gucken, dass das funktioniert. Völlig okay."
Täter sind immer in Gruppen unterwegs
Was die Täter antreibt, können sich Jonas und Martin nicht erklären. Sie zucken die Schultern und sagen: "Weil das hier, was weiß ich, langweilig ist oder sowas."
In Halle kommt es monatlich durchschnittlich zu 10 bis 15 Raubdelikten auf Schulwegen oder Schulhöfen. Zuletzt seien die Zahlen etwas gesunken, heißt es von der Polizei. Die Täter sind in Gruppen von mindestens drei Personen unterwegs, schubsen ihre Opfer, manchmal schlagen sie auch zu. Manche drohen mit Messern oder Pfefferspray. Sie wollen Kleidung, Handys oder Bargeld.
Forscher sieht Ursache auch in Corona-Pandemie
Die Täter seien größtenteils männlich, erklärt der Magdeburger Hirnforscher und Psychiater Prof. Bernhard Bogerts. Verantwortlich für das seit zwei Jahren hohe Niveau an Taten könnte auch die Corona-Pandemie sein: "Vielleicht hängt das mit Spätwirkungen zusammen. Da gab es ja auch bei Erwachsenen eine erhöhte Zahl von Angstdepressionen, auch von Partnerschaftsgewalt, weltweit auch bei uns. Dass das auf die Jugendlichen abgefärbt hat."
Bernhard Bogerts sieht jedoch viele Ursachen für Jugendgewalt. Oft seien es die Eltern oder Freunde, die zu wenig oder falsche ethische Werte vermittelten. Eine große Rolle könne auch die genetische Veranlagung spielen. Vor allem aber seien es fehlende soziale Strukturen.
Bogerts sagt: "Das sind fehlende Freizeitmöglichkeiten. Während der Pandemie waren sie ja nur eingeschränkt oder gar nicht vorhanden, Schulabbruchsquoten, Jugendarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, fehlende Räume, wo sich Jugendliche betätigen können, um sich irgendwie Selbstbestätigung zu holen, Sport, Veranstaltungen, Jugendclubs."
Polizei warnt vor Vorurteilen gegen Migranten
Laut Polizei gehören auch viele Migranten zu den Tätern. Psychiater Bernhard Bogerts warnt jedoch vor Vorurteilen. Diese seien eben nicht per se gewalttätiger, sondern lebten häufiger in von vornherein sozial benachteiligten Situationen.
Helfen könnten mehr soziale Angebote, sagt Bogerts: "Aber wenn ein Jugendlicher erstmal zum Intensivtäter wird, ist ja vorher schon einiges schief gelaufen. Die Präventionsmaßnahmen müssen also viele Jahre vorher einsetzen. Allerdings haben wir festgestellt, dass […] dass die in Sachsen-Anhalt unterrepräsentiert sind." Das sei dann eine Frage an die Zuständigen, ob solche Projekte ausreichend präsent seien.
Für Halle gibt es mittlerweile ein Präventionskonzept. Dabei gehen Polizisten unter anderem verstärkt in Schulen und sprechen mit Schülern, Opfern und Tätern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. Dezember 2023 | 07:08 Uhr