Sattlerin bei der Arbeit
Marie wollte nach dem Abitur nicht wieder auf die Schulbank, sondern etwas Praktisches machen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Handwerk Wieso sich junge Menschen für traditionelle Berufe entscheiden

23. Oktober 2024, 09:59 Uhr

Wenn sich junge Menschen für das Handwerk entscheiden, fällt die Wahl manchmal ganz bewusst auf traditionelle Berufe, die immer seltener werden. Wir stellen drei von ihnen vor und zeigen, wieso sie sich für das Handwerk entschieden haben.

Eine angehende Herrenmaßschneiderin, ein Polsterer und eine Sattlergesellin: Sie alle drei arbeiten in traditionellen Handwerksberufen, die immer seltener werden – aber alle drei haben sich ganz bewusst dafür entschieden.

Hobby-Reiterin wird aus Liebe zu Pferden Sattlerin

Die 21-jährige Marie Voigt ist Sattlergesellin und hat im Sommer 2024 ihre dreijährige Ausbildung abgeschlossen. Sie arbeitet in einer Werkstatt in Dresden, in der sieben Sattler und Sattlermeister Reitzubehör reparieren und fertigen. Marie kennt sich aus mit Pferden. Seit sie zwei Jahre ist, sitzt sie regelmäßig im Sattel. Ausschlaggebend für die Wahl ihrer Ausbildung war ihre Liebe zu den Pferden – aber auch die Liebe zum Handwerk.

Tom Büttner bildet jährlich einen Lehrling aus. Auf diesen Platz gibt es immer zwischen vier und sieben Bewerber. Nachwuchs zu finden, ist für den Sattlermeister damit kein Problem. "Wir haben ziemlich viel Nachfrage, weil es etwas mit dem Pferd zu tun hat. Das ist ja eine Passion für viele, die ein eigenes Pferd haben oder reiten. Für die ist das fast schon ein Traumberuf", sagt Tom Büttner.

Wir haben ziemlich viel Nachfrage, weil es etwas mit dem Pferd zu tun hat. Das ist ja eine Passion für viele, die ein eigenes Pferd haben oder reiten. Für die ist das fast schon ein Traumberuf

Tom Büttner, Inhaber der Sattlerei

Ein Mann und eine junge Fra betrachten ein Sattelwerkstück
Marie Voigt und ihr Chef Tom Büttner überprüfen, ob ein Sattel richtig passt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dabei gibt es auch in den traditionellen Handwerksbetrieben immer weniger Auszubildende, allerdings mit einer Besonderheit, sagt Torben Padur vom Bundesinstitut für Berufsbildung. "Wir merken insgesamt, dass diese alten Berufe sinkende Nachfragezahlen haben, aber auf einem stabilen, niedrigen Niveau. Das sind häufig Betriebe, die für den eigenen Nachwuchs ausbilden", erläutert Torben Padur.

Im Beruf des Sattlers für Reitsportzubehör sind die Ausbildungszahlen von 2008 bis 2022 sogar etwas gestiegen, besonders seit der Coronapandemie. "Diese Berufe erleben tatsächlich so eine Renaissance in letzter Zeit. Wir besinnen uns zurück auf Handgemachtes, auf Kulturgut und für junge Menschen ist es toll, etwas Individuelles zu fertigen. Gerade in Zeiten globaler Krisen steckt auch etwas Sinnhaftes drin", sagt Padur.

Mit dem Vater als Kind in der Möbelfirma und nun Polsterer

Abdul Alshekh Ali arbeitet als Polsterer. Der 27-jährige gebürtige Syrer hat sich vor einem Jahr mit einem eigenen Geschäft in Köthen selbständig gemacht. Er restauriert vor allem alte Stühle und Sofas, darunter waren auch bereits Stühle für das Schloss Köthen. Neben Möbelstücken repariert er auch Auto- und Motorradsitze.

Vor neun Jahren kamen Abdul und seine Familie nach Köthen. Sein Vater Ahmad, der als Hausmeister arbeitet, ist gelernter Tischler und hilft seinem Sohn gelegentlich in der Werkstatt. Der Vater hat in Aleppo in einer Möbelfirma gearbeitet und Abdul hat als Kind dort viel Zeit verbracht. Später hat er in dieser Firma die Ausbildung zum Polsterer gemacht. Die Selbständigkeit in Deutschland ist für ihn nicht immer einfach, doch seinen Laden und sein Handwerk möchte Abdul auf keinen Fall aufgeben.

Ein Polsterer bei der Arbeit
"Jeden Tag habe ich eine neue Aufgabe. Deswegen macht es Spaß!", sagt Abdul über seine Arbeit. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Verbundenheit zur eigenen Arbeit ist typisch für die traditionellen Handwerksberufe. "Wir haben hier tatsächlich das Phänomen, dass viele junge Leute im erlernten Beruf bleiben, dass wir eine lange Betriebsbindung haben und eine hohe Identifikation mit der Beruflichkeit und dem Erlernten", sagt Torben Padur vom Bundesinstitut für Berufsbildung.

Nähen gelernt von der Oma und bald Herrenmaßschneiderin

In der Kostümabteilung des Städtischen Theater Chemnitz arbeiten zwölf Maßschneiderinnen und Maßschneider. Eine von ihnen ist die Auszubildende Annika Zacher. Das Schneidern hat Annika als Kind von ihrer Oma gelernt. Nach dem Abitur beginnt sie zunächst ein Studium an der Universität. "Ich habe ein Semester in Präsenz studiert, den Rest habe ich dann voll in der Corona-Zeit absolviert", erzählt sie. In dieser Zeit habe sie gemerkt, dass ihr dieses sehr selbständige Lernen und auf sich alleine gestellt sein, nicht liegt. So habe sie sich für das Handwerk entschieden, um "tatsächlich was von [der] Arbeit [zu] sehen".

Eine Herrenmaßschneiderin bei der Arbeit
Eine Zukunft ohne das Handwerk kann sich Annika Zacher nicht mehr vorstellen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Annika absolviert Praktika. Dank dieser und ihrer Vorkenntnisse hat sie am Ende den Ausbildungsplatz bekommen. Vorkenntnisse im Nähen sind nicht unbedingt Voraussetzung für die Ausbildung, aber von Vorteil, sagt Annikas Chefin Malika Manuwald: "Die Ausbildung ist drei Jahre an einer Maschine, an einem Tisch in einer Werkstatt. Ich beschäftige mich von morgens bis abends mit Schneidern. Das muss man schon wollen, da muss man für brennen."

Annika weiß schon, wie es für sie nach der Ausbildung weitergehen wird: "Nach dem Gesellenbrief ist man erstmal ausgelernt und kann damit im Prinzip überall arbeiten, wo Schneider arbeiten, also zum Beispiel bei einem Herrenausstatter. Man kann aber auch in die Änderungsschneiderei gehen, aber was ich am schönsten finden würde, wäre, dass ich am Theater bleiben könnte."

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MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 22. Oktober 2024 | 20:15 Uhr

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