Hochleistungsakkus Wenn Lithium-Batterien brennen

02. Februar 2025, 05:00 Uhr

Die wachsende Batteriebranche in Deutschland bringt nicht nur Fortschritt, sondern auch Gefahren mit sich. Lithium-Ionen-Batterien können im Brandfall kaum gelöscht werden. Welche Risiken bestehen und wie kann das verhindert werden?

Eine dunkle Rauchschwade windet sich aus dem grünen Container. Sie trägt den ätzenden Geruch bis zum nächsten Wohngebiet. Es brennen Lithium-Ionen-Batterien. Die Hochleistungsakkus hat ein Servicedienstleister für Photovoltaiksysteme auf dem Betriebsgelände im thüringischen Isseroda gelagert. Der Brand im August war bereits der dritte binnen weniger Wochen.

Lithium-Ionen-Batterien bestehen auch aus giftigen und umweltschädlichen, aber auch gesundheitsgefährdenden Substanzen.

Konstantin Schwark Ortsbürgermeister von Isseroda

"Diese Brände waren für die ganze umliegende Bevölkerung auch mit Verunsicherung verbunden", sagt der Ortsbürgermeister von Isseroda im Weimarer Land, Konstantin Schwark (CDU). "Lithium-Ionen-Batterien bestehen auch aus giftigen und umweltschädlichen, aber auch gesundheitsgefährdenden Substanzen." Die Anwohner wurden jeweils aufgefordert, Türen und Fenster geschlossen zu halten und das Haus nicht zu verlassen. "Das schürt natürlich Ängste."

Mehrere Monate lang hatte das Unternehmen, die Suncycle GmbH, ausrangierte Lithium-Ionen-Batterien in Überseecontainern zwischengelagert. Die Batterien, eigentlich produziert für stationäre Stromspeicher, hatten den Leistungsspezifikationen nicht mehr entsprochen und sollten recycelt werden.

Als im Juni 2024 der erste Brand ausbracht, waren die Herausforderungen für die Feuerwehr groß. Dicht an dicht standen die Container mit den ausrangierten Akkus, direkt angrenzend an eine Lagerhalle. Die Feuerwehr verhinderte ein Übergreifen der Flammen. Größere Umweltschäden konnten so gerade noch abgewendet werden. Doch 300 Kubikmeter Löschwasser waren durch den Kontakt mit den Batterien kontaminiert, mussten nach dem Brand aufwendig entsorgt werden. Sogar Boden wurde im Nachhinein abgetragen.

Wenn ein Elektroauto Feuer fängt

An der Thüringer Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule werden die Kameraden auf solche Ereignisse vorbereitet. Im zweiten Jahr stehen die Brände von Elektroautos auf dem Lehrplan. Der Kurs ist gut besucht, für viele ist das Thema neu.

"Kann ein brennendes Elektrofahrzeug überhaupt gelöscht werden?", fragt die Dozentin. Die Antwort: "Jain!" Auf Zellebene sei es fast ausgeschlossen. Dort sei die thermische Entwicklung schlichtweg zu hoch. "Die einzige Möglichkeit ist, die anderen Module zu schützen. Diese halt ausreichend zu kühlen und somit den Brand zu unterbrechen."

Datenerhebungen aus Schweden zeigen zwar, dass Brände von Elektroautos weniger wahrscheinlich sind als von Verbrennern, doch wenn es brennt, dann heftig. Mit dem Löschen von Bränden von ganzen Batterielagern haben auch die Lehrkräfte bisher kaum Erfahrung. Doch sie sind der Überzeugung, dass Prävention das beste Mittel ist - also vorbeugender Brandschutz, der das Entstehen oder die Ausbreitung eines Brandes verhindert und mögliche Auswirkungen minimiert. Dieser vorbeugende Brandschutz wird schon im Genehmigungsverfahren einer Anlage geplant. Die Maßnahmen werden mit den zuständigen Behörden für jeden Betrieb individuell abgestimmt. 

Haben die Behörden versagt?

Angesichts von drei Bränden in wenigen Wochen stellt sich die Frage, ob in Isseroda die Behörden beim Brandschutz versagt haben. "Für das Gebäude und das Betriebsgelände als solches lag natürlich eine Baugenehmigung vor", erklärt Ortsbürgermeister Schwark. Doch damit sei eine andere Nutzung verknüpft gewesen als die Lagerung großer Mengen an Batterien.

"Sowohl die Gemeinde als auch das Landratsamt hatten davon im Vorfeld keine Kenntnis", so Schwark. "Und das hat natürlich auch dazu geführt, dass bestimmte brandschutztechnische Aspekte nicht im Vorfeld betrachtet werden können."

Das zuständige Unternehmen, die "Suncycle GmbH", widerspricht. Der Geschäftsführer Christian Straub teilt auf MDR-Nachfrage mit: "Die Lagerung war behördlich abgeklärt, u.a. mit der Feuerwehr Isseroda und dem Landratsamt." Auch das zuständige Landratsamt Weimarer Land antwortet nur schriftlich. Die Lagerung größerer Mengen an Batteriemodulen sei nicht bekannt gewesen, heißt es.

Fehlende Vorschriften zur Lagerung von Akkus

Ein Problem, die rechtliche Regulierung der Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien lässt viele Spielräume. "Für die Lagerung gibt es tatsächlich keine Vorschriften, die aus einem speziellen deutschen Lager-Gesetz kommen würden. Das haben wir nämlich nicht", erklärt Anita Schmidt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Sie leitet die Abteilung Sicherheit von Gefahrgutverpackungen und Batterien und forscht auch dazu, welche Gesetze und Regelungen überhaupt Sinn machen. So könnten verstärkt Brände entstehen. "Ich glaube, an der Stelle sollte man auch noch nachjustieren."

Das Team von Anita Schmidt führt im Batterietestzentrum der BAM Versuche zur Brennbarkeit von Batterien durch. Intakte Akkus seien an sich ungefährlich. Problematisch werde es erst, wenn sie defekt sind. Im Versuch wird eine einzelne Zelle überladen – also mit Strom vollgepumpt. Nach nur wenigen Minuten geht die Batteriezelle in der Versuchskammer In Flammen auf. Auch die Brände in Isseroda wurden sehr wahrscheinlich durch die Selbstentzündung defekter Akkus ausgelöst.

Wenn eine große Batterie brennt

Ein Ziel von Schmidts Team: Erforschen, wie Großbrandereignisse verhindert werden können. Und sichere Erkenntnisse über die Gefährlichkeit neuer Technologien gewinnen. "Wenn in einer großen Batterie erst einmal nur eine einzige Zelle anfängt zu brennen, ist das noch nicht das Problem", sagt Schmidt. Diese sei in zehn bis 30 Sekunden abgebrannt.

Problematisch wird es, wenn dieser Brand von der einen Zelle die anderen umliegenden Zellen ebenfalls anzündet.

Anita Schmidt BAM-Abteilungsleiterin

"Problematisch wird es, wenn dieser Brand von der einen Zelle die anderen umliegenden Zellen ebenfalls anzündet", so die Forscherin. Das müsse unterbunden werden. "Indem man räumliche Abtrennung findet oder indem man auf sonstige Art und Weise verhindert, dass sich der Brand tatsächlich ausbreitet."

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E-Auto an Ladesäule. Davor grafische Darstellung von Protestirenden mit Schildern 37 min
Bildrechte: imago images/Shotshop und BI Gera-Cretzschwitz

So wie Anfang 2025, als in Kalifornien eine der weltgrößten Batterie-Speicheranlagen in Flammen stand – und sich eine riesige graue Rauchsäule gen Himmel streckte. 1.500 Anwohner mussten evakuiert werden.

Wo es Zweifel an der Sicherheit der neuen Speicher-Technologie gibt

Es sind solche Ereignisse, die Zweifel an der neuen Speicher-Technologie säen. So hat sich kräftiger Widerstand gegen den Bau einer neuen Recycling-Anlage für Lithium-Ionen-Batterien in Gera-Cretzschwitz gebildet.

"Bei uns soll hier ein Eingangslager sein mit bis zu 1.800 Tonnen. Und da möchte ich schon wissen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um so etwas zu verhindern", sagt Björn Grübel von der dazu gegründeten Bürgerinitiative Gera-Cretzschwitz.

Das Genehmigungsverfahren für die Anlage in Gera wird vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz geführt. Bis April vergangenen Jahres konnten Bürger dort Einwendungen gegen den geplanten Bau einreichen. Knapp 7.800 solcher Einwendungen sind beim Landesamt eingegangen. Im November startete die öffentliche Erörterung und diese ist bis heute nicht abgeschlossen.

Wenn es dazu keine Erfahrungen gibt, gerade was die Auswirkungen auf die Umwelt betrifft, dann müssen die Maßstäbe und die Sicherheitsvorschriften so hoch wie möglich sein.

Björn Grübel Bürgerinitiative Gera-Cretzschwitz

Björn Grübel stellt eine klare Forderung an die Zulassungsbehörde: "Wenn es dazu keine Erfahrungen gibt, gerade was die Auswirkungen auf die Umwelt betrifft, dann müssen die Maßstäbe und die Sicherheitsvorschriften so hoch wie möglich sein", sagt Grübel. "Also nicht das Mindestmaß zählt, sondern das Höchstmaß."

Zurück nach Isseroda. Die brandanfälligen Batterien sind längst in eine der wenigen Recycling-Anlagen für Lithium-Ionen-Batterien abtransportiert worden. Und das Landratsamt Weimarer Land hat Nachbesserungen beim Brandschutz gefordert. Tonnenweise Alt-Batterien dürfen hier nicht mehr gelagert werden und wenn, dann nur in brandsicheren Schränken. 

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Dieses Thema im Programm: MDR exakt | 29. Januar 2025 | 21:15 Uhr

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