Fahrgästen am Hauptbahnhof Leipzig
Es wurden bereits etwa elf Millionen Deutschlandtickets verkauft. Bildrechte: IMAGO / Arnulf Hettrich

Bahnverkehr Überfüllte Züge: Verkehrsverbund sieht Schuld bei Unterfinanzierung statt beim Deutschlandticket

23. Juni 2023, 09:23 Uhr

Die Sommerferien stehen vor der Tür und damit startet für viele die Reisesaison. Mit dem Deutschlandticket könnten deutlich mehr Reisende als üblich unterwegs und die Züge damit stärker ausgelasteter sein, eventuell sogar überlastet, befürchten Experten. Das Schienennetz sei unterfinanziert, kritisieren die Verkehrsexperten und raten dazu, die Reisen möglichst ohne Fahrrad anzutreten.

Carolin Voigt, Reporterin, Redakteurin und Sprecherin
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Ganz so schlimm wie mit dem 9-Euro-Ticket werde es diesen Sommer wohl nicht, meint Detlef Neuß, der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Trotzdem rechnet er mit überfüllten Zügen.

"Viele Leute werden jetzt das 49-Euro-Ticket nutzen, um am Wochenende in den Ferien Ausflüge zu machen. Da befürchten wir, dass die Züge stark ausgelastet sein werden, eventuell sogar überlastet. Vor allem dann, wenn größere Gruppen von Fahrgästen versuchen, im Zug mitzufahren. Da reichen die Kapazitäten im Regelfall nicht aus."

Elf Millionen verkaufte Tickets

Rund elf Millionen Deutschlandtickets wurden nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bis dato verkauft. Die Hälfte davon sind umgewandelte bestehende Abos. Zum Vergleich: Im letzten Jahr wurden 52 Millionen 9-Euro-Tickets wurden verkauft.

Ingo Wortmann geht davon aus, dass es nicht der Effekt, wie beim 9-Euro-Ticket sein werde. "Aber ich glaube, wir werden gerade in den Freizeitdestinationen sehr viel mehr Nachfrage bekommen. Dort werden die Züge sehr voll sein", prognostiziert der VDV-Präsident.

Verkehrsverbund: Können nicht für alle ein gutes Angebot bereitstellen

Auch Christoph Heuing von der Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) schätzt, dass Züge immer mal wieder überfüllt sein werden, jedoch nicht flächendeckend. "Aber wir haben grundsätzlich das Problem, dass wir eine hohe Nachfrage im ÖPNV haben. Die hatten wir auch schon vor dem Deutschlandticket. Und dass wir im Moment gar nicht für alle Menschen ein gutes Angebot bereitstellen können, die wirklich Bus und Bahn fahren wollen."

Es fehle seit Jahren an langfristigen Infrastrukturplanungen und einer Priorisierung von Schiene und ÖPNV gegenüber der Straße, sagt VMT-Geschäftsführer Heuing. Das ganze System sei chronisch unterfinanziert und könne nicht mal eben hochgefahren werden.

Heuing: Wenn möglich, auf Fahrrad verzichten

Trotzdem solle sich diesen Sommer niemand davon abhalten lassen, Ausflüge mit Bus und Bahn zu machen. "Es ist sicher eine gute Idee, wenn möglich, das Fahrrad nicht mit in den Zug zu nehmen. In Thüringen kann man Fahrräder kostenlos mitnehmen. Das ist auch eine gute Idee. Aber wenn man weiß, der Zug ist zum Bersten gefüllt, dann ist es natürlich schöner den Ausflug möglichst ohne Fahrrad zu machen."

Das regt auch Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn an und gibt außerdem zu bedenken: "Man sollte sich auch genau überlegen: Muss ich unbedingt zu einem Premium-Ziel? Es gibt so viele schöne und lohnenswerte Ziele, die jetzt nicht Sylt, Stralsund, die Ostsee oder die Berge sind. Man kann auch mal woanders hinfahren."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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