Richtlinien Diskriminierung homo- und bisexueller Männer in Blutspende-Regeln nicht zeitgemäß
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22. November 2022, 16:06 Uhr
Laut dem Deutschen Roten Kreuz spenden nur 3,5 Prozent der Deutschen einmal Blut, wohingegen jede dritte Person einmal Blut benötigt. Trotzdem dürfen Männer, die mit Männern Sex haben, nur Blut spenden, wenn sie in den vergangenen vier Monaten nicht mehr als einen Sexualpartner hatten. Bei heterosexuellen Menschen gilt diese Regel nicht. Die Bundesregierung will diese Diskriminierung mit dem Aktionsplan "queer leben" beenden. Auch der DRK und Transfusionsmediziner begrüßen das.
- Die Wahrscheinlichkeit, sich durch eine Blutspende mit HIV zu infizieren, liegt bei eins zu fünf bis sieben Millionen.
- Laut dem Berufsverband der Transfusionsmediziner sind die aktuellen Regeln für die Blutspende nicht mehr zeitgemäß.
- Der Lesben- und Schwulenverband fordert, dass die Zulassung zum Blutspenden am individuellen Sexualverhalten festgemacht wird und nicht an der sexuellen Orientierung.
Wer in Deutschland Blut spenden will, der muss zunächst ziemlich ausführlich Auskunft über sich erteilen. Patric Nohe vom DRK: "Jede Blutspenderin, jeder Blutspender muss bei uns diesen sehr ausführlichen und tatsächlich auch intimen Fragebogen ausfüllen."
Die Ausschlusskriterien wurden von der Bundesärztekammer in Absprache mit dem Paul-Ehrlich-Institut festgelegt. Dazu gehört auch das sexuelle Risiko-Verhalten in den vergangenen vier Monaten vor der Spende. Dazu zählt Sex mit häufig wechselnden Partnern oder Partnerinnen, käuflicher Sex oder Geschlechtsverkehr zwischen Männern.
Und genau da gibt es den Unterschied, erläutert Kristina Hölig, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Transfusionsmediziner: "Bei den Männern ist es tatsächlich der zweite Partner, bei allen anderen sind es im Prinzip häufig wechselnde Partner und das ist im Moment noch der Unterschied. Das Vier-Monats-Fenster ist im Rahmen der Virus-Test-Maßnahmen entstanden. Also es geht immer noch im Kern um Hepatitis B, Hepatitis C und HIV."
Ausschluss homosexueller Männer nicht mehr zeitgemäß
Sich heute bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren, hält die Medizinerin für extrem unwahrscheinlich: Die Wahrscheinlichkeit liege so bei eins zu fünf bis sieben Millionen, dass eine Infektion mal durchrutschen könnte.
Das sei heute ganz anders als noch vor zwanzig Jahren, als vor allem Bluter großen Risiken ausgesetzt waren: "Man hat in den 80er- und 90er-Jahren solche Gerinnungspräparate aus Blutspenden von mehreren Tausend Spenderinnen und Spendern hergestellt, was man zum Teil heute noch immer macht. Was man damals noch nicht gemacht hat, war, dass man potentielle Viren anreichert. Heute hat man Testungen auf die Viren, sodass normalerweise gar keine Viren mit reinkommen dürften. Selbst wenn eins drin ist, wird hinterher noch das Virus, was vielleicht noch mit reingerutscht ist, auch abgetötet", sagt Hölig.
Also gibt es eigentlich keinen Grund mehr, homosexuelle Männer beim Blutspenden anders zu behandeln als heterosexuelle Personen? Die Bundesärztekammer jedenfalls verweist nach wie vor auf die bestehenden Einschränkungen und begründet das mit der Notwendigkeit maximaler Sicherheit für die Empfänger von Blut-Präparaten. Transfusionsmedizinerin Hölig hält es für sinnvoll, abzuwarten, ob die seit 2021 geltende Vier-Monats-Regelung eine Veränderung bringt.
Kritik vom Lesben- und Schwulenverband
Für den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland ist es jedoch höchste Zeit, mit dieser Ungleichbehandlung aufzuhören. Verankert wurde die Forderung im Aktionsplan "queer leben", den die Ampel-Koalition verabschiedet hat. Grundsatz-Referentin Sarah Ponti fordert: Die Zulassung zum Blutspenden müsse am individuellen Sexualverhalten angepasst werden, nicht an die sexuelle Orientierung: "Der Sex ist nicht riskanter per se, weil zwei Männer Sex haben."
Die Infektionszahlen in dieser Gruppe würden seit vielen Jahren stark fallen. Es gebe ein sehr hohes Bewusstsein, was die übertragbaren Geschlechtskrankheiten betrifft. Die jetzige Regelung ist aus ihrer Sicht schlichtweg nicht zeitgemäß: "Die vier Monate können aus unserer Sicht bleiben, wenn die für alle Personen gleichermaßen Anwendung finden. Was wir erwarten, ist, dass im Einzelfall ermittelt wird, ob die Person ein riskantes Sexualverhalten hatte, weil sie beispielsweise ungeschützten, penetrativen Sexualverkehr mit neuen Partnern oder mit wechselnden Partnern hatte."
Angesichts der knappen Blut-Vorräte in Deutschland freut sich Patric Nohe vom DRK über jeden Menschen mehr, der sein Blut spenden kann. Er kann aber auch die Bedenken der Wissenschaftler verstehen: "Uns als Blutspende-Dienst des DRK ist es völlig einerlei, woher ein Mensch kommt oder wen dieser Mensch liebt, es geht uns ausschließlich um die Sicherheit der Präparate."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. November 2022 | 06:00 Uhr
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