Medikamentenmissbrauch in der Schule Ritalin – die Droge vom Pausenhof
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27. Dezember 2023, 09:32 Uhr
Klausuren, Tests und Notendruck: Viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich unter Leistungsdruck. Verlockend ist da eine Pille, die bei der Steigerung der eigenen Leistung helfen soll. Die Rede ist von Ritalin. Das Medikament wird immer öfter auf Schulhöfen gehandelt.
- ADHS-Medikament Ritalin wirkt auf gesunde Menschen stimulierend.
- Hoher Leistungsdruck im Schulalltag führt zu Medikamentenmissbrauch.
- Ritalin birgt hohes Risiko der psychischen Abhängigkeit.
- Elternvertreter fordern mehr Feingefühl und Unterstützung der Kinder auf dem Bildungsweg.
Methylphenidat, auch bekannt als Ritalin, hilft Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, kurz ADHS, zur Ruhe zu kommen. Eigentlich. Bei gesunden Personen ist die Wirkung genau umgekehrt. "Auf gesunde Menschen wirken Amphetamine stimulierend, wach machend, anregend, verbessern kurzzeitig vor allem in minimaler Dosis auch gefühlt die Konzentration", sagt Abi Joseph, Chefarzt der Fachklinik für Drogenrehabilitation in Wermsdorf.
Immer mehr gesunde Menschen greifen zu dem verschreibungspflichtigen Amphetamin, um ihre Leistung vermeintlich zu steigern. Das gilt vermehrt auch für Jugendliche. Das beobachtet Jan Zippel. Er ist Vorsitzender des Leipziger Kreiselternrats. Immer wieder berichten ihm Eltern und Schulen von Ritalinmissbrauch.
Missbrauch in Zeiten von hohem Leistungsdruck
Wieso betreiben schon junge Menschen Hirndoping? "Die Bereitschaft, zu Ritalin zu greifen, steigt in Situationen, in denen Kinder einen sehr hohen Leistungsanspruch erleben", sagt Zippel. Zum Beispiel in Phasen, in denen eine Klassenarbeit auf die nächste folgt.
Matthias Rost von der Leipziger Jugenddrogenberatung vermutet weitere Ursachen. Zum einen verlange die Gesellschaft generell viel Leistung ab. "Die andere Seite ist, was wir auf Instagram und Tiktok erleben. Diese Form von Selbstoptimierung: Ich muss immer gut drauf sein, ich muss immer Leistung bringen." Viele Jugendliche machten sich damit selbst Druck.
Ritalin birgt Risiko der psychischen Abhängigkeit
Wie viele junge Menschen Ritalin als Leistungsdroge konsumieren ist nicht bekannt, denn Medikamentenmissbrauch wird kaum erforscht. Jan Zippel spricht von Einzelfällen, die aber regelmäßig auftreten. Immerhin: Ritalin ist verschreibungspflichtig. Jugendliche bekommen das Mittel in der Regel von Gleichaltrigen, die ihre verordneten Medikamente ablehnen oder damit ihr Taschengeld aufbessern wollen. Damit sind die Quellen begrenzt.
Das Medikament macht körperlich zwar nicht süchtig. Es besteht aber das Risiko einer psychischen Abhängigkeit. "Was im Kopf hängen bleibt, ist, wenn du deine Leistung nicht bringst, dann gibt's etwas, das nachhilft", weiß Matthias Rost. Was verloren gehe, sei das Erkennen eigener Grenzen, ein Gefühl dafür, "was tut mir gut und welche Kraft kann ich aufbringen". Es lauere die Gefahr, dieses Verhalten in Stresssituationen beizubehalten. Darüber hinaus könnten Amphetamine die Hirnchemie beeinflussen, könnten zu Psychosen und zu Herz-Kreislauf-Problemen führen.
Unterstützung auf Bildungsweg in der Leistungsgesellschaft
Welche Warnzeichen können auf einen Ritalinmissbrauch hindeuten? Das weiß der Mediziner Abi Joseph: "Ungewöhnliche Betriebsamkeit: Das Kind ist ungewöhnlich wach, ist vielleicht gereizt, aufgespult. Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Appetitverlust, Gewichtsverlust."
Eltern, die vermuten, dass ihr Kind heimlich Ritalin nimmt, könnten vor allem dadurch helfen, dass sie kommunizieren, "dass es nicht auf jede Note so entscheidend ankommt. Dass jedes Kind so gut ist, wie es ist," sagt Jan Zippel. Es gehe darum, Kinder auf ihrem Weg durch das Leistungssystem, das die Gesellschaft vorlebe, zu unterstützen.
Elternvertreter und Drogenberater sind sich demnach einig: Drogenkonsum spiegelt gesellschaftliche Probleme. Zippel hofft deshalb auf mehr Prävention und ein Umdenken im Leistungssystem Schule.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. Dezember 2023 | 06:00 Uhr