Viel Text, wenig Wirkung Warum Strategiepapiere das Insektensterben nicht stoppen
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03. September 2020, 10:30 Uhr
Ohne Insekten sähe die Erde alt aus. Die Politik versucht, mit Strategiepapieren das Insektensterben zu stoppen. Nur warum zünden die nicht richtig? Forscher haben die Papiere analysiert und können diese Frage ziemlich klar beantworten.
Ob Honig aus der Hobby-Imkerei oder dem Supermarkt: Was wir uns zu Erkältungszeiten in den Tee löffeln oder aufs Brots schmieren, haben wir vor allem den natürlichen Bestäubern auf Feld, Wald und Wiese zu verdanken. Das ist inzwischen vielen Menschen bewusst.
Davon zeugen "bienenfreundliche Wildblumenmischungen" im Baumarkt genauso wie die Anleitungen zum Bau von so genannten Insektenhotels. Allein für Bauanleitungen insektengerechter Nistplätze spuckt die Suchmaschine Google 223.000 Ergebnisse aus. Aber nicht nur der Privatmensch im Schrebergarten, auch die Politik hat das Gefahrenpotential des massiven Insektenschwunds im Blick: Mit nationalen Strategiepapieren sollen die Weichen gestellt werden, das Insektensterben zu stoppen. Nur scheinen diese Papiere mit all ihren Strategien nicht richtig zu zünden. Im Herbst 2019 hatte zum Beispiel die TU München eine Studie veröffentlicht, die belegte, dass in Deutschland die Biomasse der Insekten seit 2008 in untersuchten Wäldern um 40 Prozent zurückgegangen ist.
Was hat die Studie untersucht?
Auf 300 Flächen hatten die Forscherinnen und Forscher mehr als eine Million Insekten gesammelt. Das Ergebnis zeigte: Das Vorkommen vieler der fast 2.700 untersuchten Arten war rückläufig. Hier gibt es die TUM Studie zum Nachlesen.
Das Ziel ist klar, aber nicht, wer es tun soll
Ein deutsch-israelisches Forschungsteams des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung iDiv Halle, Jena, Leipzig wollte wissen, wo es hakt. Dazu hat das Forschungsteam acht nationale Strategiepapiere analysiert: 610 Einzelmaßnahmen wurden dabei geclustert und verschiedenen Maßnahmen zugeordnet, wie sich das Verhalten der Menschen zum Schutz der Insekten ändern könnte. Die Forschenden kommen zu dem Schluss: Die Strategiepapiere kranken vor allem daran, dass bei 41 Prozent der Maßnahmen keine konkreten Adressaten benannt werden. Es werden die Ziele klar beschrieben und sie beschäftigen sich damit, wie sich die Umwelt durch bestimmte Aktionen verändert. Sie sagen aber nicht, wer das umsetzen soll – Öffentlichkeit, Landwirte, lokale Behörden?
Da, wo niemand klar benannt wird, fühlt sich auch niemand direkt angesprochen oder zum Handeln aufgefordert. Das erinnert ein bisschen an das Pandemie-Szenario der Bundesregierung 2012, in dem einfach angenommen wurde, dass im Fall einer Pandemie überall ausreichend Hygienematerial wie Masken, Handschuhe etc. vorhanden wäre - ohne die Verantwortlichen dafür konkret zu benennen.
Umweltbildung und Strukturmaßnahmen sind zu wenig
Ebenfalls schwierig ist dem Forscherteam zufolge die Konzentration auf zwei Hauptbereiche, auf die Insektenschutz-Strategiepapiere zielen: Knapp ein Viertel der Strategien ließen sich der Studie zufolge dem Bereich Bildung zuordnen, knapp ein Fünftel dem Bereich Strukturmaßnahmen, also beispielsweise Aussaat von Blühstreifen, Anlegen von Grünanlagen in der Stadt. Das ist zwar gut gemeint. Aber Wissen und Handeln gehen nicht automatisch Hand in Hand.
Wer das Insektensterben oder die Zusammenhänge in der Natur auf dem Schirm hat, ändert deshalb nicht automatisch sein Konsum- oder Kaufverhalten oder lässt im Garten verblühte Gräser, Kräuter und Blumen stehen. Dazu braucht es mehr, ist iDiv- Forscherin und Umweltpsychologin Mellisa Marselle überzeugt. Dazu müssten verschiedene Maßnahmen gekoppelt werden oder ineinandergreifen. Wenn Erzeugungsprinzipen und Lieferketten auf Produkten aufgeführt sind, könnte das zum Beispiel das Einkaufs- oder Konsumverhalten beeinflussen. Die Forscher merken auch an, was kein Strategiepapier aufführt: Sanktionen bei Verstößen gegen Umweltauflagen oder die Besteuerung von Pestiziden.
(lfw)
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