Makroaufnahme: Schwarz-weiß-getigerte Mücke sitzt beim Blutsaugen auf menschlicher Haut mit Haaren, grüner Hintergrund sehr unscharf 3 min
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Biodiversität Tigermücke & Tigerschnegel: Arten-Durchmischung steht eindeutig mit Klimawandel in Verbindung

09. Februar 2025, 11:00 Uhr

Es sind nicht nur ein paar Bananenpflanzen in deutschen Vorgärten: In der Republik tummeln sich allerhand gebietsfremde Arten, sowohl aus dem Tier- als auch Pflanzenreich. Forschende aus Mitteldeutschland haben jetzt gezeigt, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Arten-Zusammensetzung, Biodiversität und dem Klimawandel gibt. Und zwar nicht nur hiesig, sondern überall auf der Welt.

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Also der Tiger selbst hat es wohlweislich nun noch nicht in die deutsche Wildnis geschafft. Dafür haben, nah dran, Tigermücke und Tigerschnegel hierzulande eine steile Karriere hingelegt. Und mit ihnen die Asiatische Hornisse, die Blaue Holzbiene (die es bei der Insektenzählung in Deutschland 2024 in die Top 5 geschafft hat), oder, fast ein Klassiker, die Nosferatuspinne. Allesamt Zeitgenossen, die für gemischte Gefühle sorgen: Irgendwas zwischen Faszination, dass Deutschlands Fauna jetzt etwas exotischer daherkommt, und dem Gefühl, dass da was nicht so ganz richtig ist.

Was Neuankömmlinge betrifft, sind die Genannten aber eher nur die Spitze des Eisbergs: "In der Wissenschaft sehen wir natürlich noch viel mehr Arten. Wir sehen, wenn man sich das genau anguckt, das Ganze auch im Bereich von mikrobiellen Lebensgemeinschaften, neuer Pilze, neuer Bakterien. Wir sehen kleinere Pflanzen. Wir sehen Insekten, die nicht so auffällig sind." Ulrich Brose ist Biodiversitätsforscher an der Uni Jena und dem Biodiversitätsforschungszentrum iDiv in Leipzig. Dass neue Arten einwandern und andere verschwinden – dafür gebe es viele Fallbeispiele, das ist also geradezu ein alter Hut.

Bisher waren das aber alles exemplarische Fälle, so wie eben die Tigermücke in Deutschland. Am iDiv haben die Forschenden jetzt System in die Sache gebracht und über 40.000 Datensätze aus der ganzen Welt analysiert und im renommierten Fachblatt Nature veröffentlicht: "Wir konnten damit ganz allgemeine Muster feststellen – im Meer, an Land, in allen Ökosystemen und weltweit, dass das eben stattfindet, sowohl mit der Erwärmung des Klimas als auch mit der Abkühlung an anderen Orten." Damit liegt erstmals ein Beleg vor, dass mit dem Klimawandel überall auf der Welt eine Veränderung der Arten-Zusammensetzung in den einzelnen Ökosystemen stattfindet.

Biodiversität: Das Kartenspiel der Arten wird neu durchgemischt …

Brose vergleicht das mit den Karten in einem Pokerspiel, wobei sich die besten Kartenblätter über die Jahrmillionen durchgesetzt haben: "Das heißt, im Laufe der Millionen Jahre wurde das Kartenblatt immer besser. Und jetzt ist man mit einem optimalen Kartenblatt für die Bedingungen hier am Start." Allerdings ändert jetzt der Mensch die Bedingungen sehr schnell und mischt das Kartenblatt gehörig durch, obwohl es vorher weitestgehend perfekt war. Naheliegenderweise sorgen sich die Forschenden, dass die Ökosysteme mit dieser rasanten Veränderung nicht mithalten können.

… aber kommen die Ökosysteme beim Durchmischen hinterher?

Arten sind zwar bis zu einem gewissen Grad in der Lage, sich an neue Umstände anzupassen. Das funktioniert aber am besten, wenn die Lebensräume möglichst vielfältig sind, erklärt Ulrich Brose. "Wir hatten das vorher schon in einzelnen Experimenten gesehen, dass die Tiere und Pflanzen, die in sehr einfachen Landschaften leben, zum Beispiel die sehr stark vom Menschen geprägt sind, die werden besonders stark betroffen. Hier haben wir vierzig bis fünfzig Prozent Veränderung der Artenzusammensetzung pro Jahrzehnt."

Nahaufnahme Nacktschnecke Tigerschnegel mit schwarzer Tigerung auf hell-rosa Untergrund, schlängelt sich auf Baumstamm
Tigerschnegel: Ganz schön exotisch, ganz schön invasiv Bildrechte: imago images/Oliver Willikonsky

Das kennen wir von uns selbst: Wenn es uns Menschen zu heiß wird – diese Fälle haben zugenommen –, begeben wir uns in klimatisierte Räumlichkeiten oder suchen uns zumindest ein schattiges Plätzen. Auf dem offenen Feld oder in einer Betonwüste ist das aber schwierig. Vor allem, wenn dann noch eine Autobahn im Weg ist. Andere Arten haben es da im menschlich geprägten Umfeld auf der Suche nach kühleren Orten noch schwerer. Und wenn eine Art mit den neuen Umständen nicht klarkommt, nimmt eine andere ihren Platz ein, so viel steht fest.

Wenn die Artenzusammensetzung sich so verschiebt, was sind eigentlich die Konsequenzen?

Prof. Dr. Ulrich Brose Biodiversitätsforschungszentrum iDiv

"Auf der anderen Seite steht natürlich dann die Frage, wenn die Artenzusammensetzung sich so verschiebt, was sind eigentlich die Konsequenzen?", so Brose. Er und das Team am iDiv wissen, dass es Gewinner- und Verliererarten geben wird. Ziel der Forschung ist es, analog zu Klimaprognosen auch Biodiversitätsprognosen zu erstellen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, welche Arten uns hier in fünfzig oder hundert Jahren begegnen werden. Sondern, ob natürliche Prozesse immer noch so effizient ablaufen werden wie bisher – etwa der Aufbau von pflanzlicher Biomasse oder das Recycling von Nährstoffen. Klar ist, dass das Kartenblatt nicht besser werden wird. Unklar hingegen, ob ein gutes Pokerspiel mit solchen Karten überhaupt noch möglich ist.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 11. Februar 2025 | 00:00 Uhr

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