Achtung: Verwechslungsgefahr! Klimawandel: Pilze aus dem Süden werden in Mitteldeutschland heimisch
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21. Oktober 2024, 12:48 Uhr
Durch klimatische Veränderungen wandelt sich die Pilzlandschaft in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Pilzarten aus dem Mittelmeerraum finden inzwischen bei uns ideale Lebensbedingungen. Einige davon sind giftig, können aber leicht mit beliebten Speisepilzen verwechselt werden. Auch Waldsterben und Umweltschäden durch intensive Landwirtschaft verändern die Pilzlandschaft in Mitteldeutschland.
Es sind die "Rosasporigen Amaniten", die Stefan Zinke, dem Chemiker und Leiter der Dresdner Pilzfachgruppe, Sorgen bereiten. Die Pilzart ist eigentlich im Mittelmeerraum verbreitet. Aufgrund der warmen und trockenen Sommer der letzten Jahre haben sie aber den Sprung über die Alpen geschafft, erklärt der Pilzexperte.
Neue Amaniten in Mitteleuropa
Die Pilzgruppe der Amaniten ist grundsätzlich auch in Mitteleuropa verbreitet. Zu ihr gehören der Grüne Knollenblätterpilz, der Fliegenpilz und der Pantherpilz – bekannte Giftpilze. Die Neuankömmlinge aus Südeuropa sind ebenfalls stark giftig, der Weiße Knollenblätterpilz zum Beispiel. Einige Amaniten, dazu gehört der Strandkiefernwulstling, sehen dem heimischen Perlpilz sehr ähnlich. Dieser gilt als hervorragender Speisepilz und wird gerne gesammelt. Hier bestehe Verwechslungsgefahr, warnt Stefan Zinke ausdrücklich.
Im Zweifel kann man die nur noch unter dem Mikroskop auseinanderhalten.
Neben den Amaniten aus dem Mittelmeerraum konnten sich noch weitere Pilzarten aus Südeuropa in Mitteleuropa ausbreiten. Der Falsche Waldegerling zum Beispiel. Er tauchte bisher häufig in Süddeutschland auf, aber auch in den sandigen Wäldern Brandenburgs und in der Lausitz. Er ist ebenfalls giftig und leicht zu verwechseln mit dem beliebten Wiesenchampignon.
Giftig gegen schmackhaft: Falscher Waldegerling und Wiesenchampignon
Bisher, erklärt Stefan Zinke, konnte man heimische Doppelgänger des Wiesenchampignons immer gut erkennen: am Geruch nach Karbol oder an einer Gelbfärbung des Stiels beim Aufschneiden. Doch diese Merkmale zeigen sich nun bei den Egerlingen aus dem Mittelmeerraum nur noch sehr schwach oder gar nicht mehr. Für den Sammler kann das gefährlich sein. "Im Zweifel kann man die nur noch unter dem Mikroskop auseinanderhalten", warnt er.
Sterben würde man von den Egerlingen aus dem Mittelmeerraum wohl nicht, sagt der Pilzexperte. Aber zumindest heftige Magen-Darm-Probleme können eintreten. Genau wie beim Ölbaumtrichterling. Durch seine Form und Gelbfärbung könne man ihn mit dem Pfifferling verwechseln. In diesem Fall gäbe es aber klare Unterscheidungsmerkmale, so Zinke. Jeder Pilzberater und auch aufmerksame Pilzsammler würden den Unterschied bemerken.
Waldsterben lässt Fichtenpilze verschwinden
Der Waldumbau, der sich aufgrund des Klimawandels vollzieht, verändert die heimische Pilzwelt ebenfalls. Viele Pilze leben in Symbiose mit Bäumen. Durch das Absterben der Fichten in weiten Teilen des Harzes oder der Sächsischen Schweiz fehlen den Symbionten der Fichten die Nährstoffe. Diese Pilze können dann keine Fruchtkörper mehr ausbilden, erklärt Stefan Zinke und nennt Beispiele: "Mohrenkopfmilchling, Fichtenreizger, Roter Heringstäubling, Natternstieliger Schneckling – ohne Fichten werden diese Arten verschwinden."
Allerdings bringen die Folgewälder, die dann wieder mehr aus Buchen und Eichen bestehen, auch eigene Pilzbegleiter mit. Und auf dem Erzgebirgskamm oder im Thüringer Wald, dort, wo die Fichte ursprünglich mal heimisch war und auch weiter bestehen bleibt, werden auch künftig Pilze wachsen, die zu den Begleitern der Fichte gehören.
Verschwindende Magerstandorte: Intensive Landwirtschaft als größter Pilz-Vernichter
Das größte Problem für die heimischen Pilze sind aber die Nährstoffanreicherungen durch die intensive Landwirtschaft. Felder werden gedüngt und durch Wind und Regen verbreiten sich diese Nährstoffe – auf Wiesen und in Wäldern. "Wir haben immer weniger Magerstandorte – magere Wiesen, magere Wälder. Ohne die gehen Saftlinge, Rötlinge und Wiesenkeulen kaputt."
Saftlinge, Rötlinge und Wiesenkeulen sind Pilzarten, die unter Naturschutz stehen und einen wichtigen Beitrag zum Ökosystem leisten. Sie sind vor allem selten und eine Augenweide, schwärmt der Pilzfachmann, der regelmäßig Standorte geschützter Pilzarten kartiert.
Mitunter hübsch aber stinkend: Neue Pilze von Übersee
Auch die Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten zur Verbreitung neuer Pilzarten beigetragen. Aus Kanada wurde die "falsche Rotkappe" eingeschleppt, weiß Stefan Zinke. Diese habe sich vor 10 bis 20 Jahren zunächst über das Baltikum und Polen ausgebreitet und sei inzwischen häufig in der Lausitz und in Brandenburg zu finden. Sie stehe im Verdacht, heimische Arten zu verdrängen. "Zumindest ist der Pilz nicht giftig, und diejenigen, die ihn gegessen haben, meinten, er sei schmackhaft."
Dass Pilze aus anderen Erdteilen nach Mitteleuropa gelangen, ist übrigens kein neues Phänomen. Bereits in den 1920er Jahren wurde aus Australien der "Tintenfischpilz" eingeschleppt. Er ist ein Verwandter der Stinkmorchel und mit seiner tiefroten Färbung und dem Aussehen eines Tintenfisches eine echte Augenweide. Aber er stinkt – noch schlimmer als jede Stinkmorchel.
Korrekutr In einer ersten Version dieses Beitrags war vom Waldegerling die Rede. Gemeint war aber der Falsche Waldegerling. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. Oktober 2024 | 16:10 Uhr
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