geangelter Hecht an einem Kunstköder
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Weniger Hechte Angeln im Bodden: Rückgang der Hechtfänge hat auch mit gestiegenem Angeldruck zu tun

04. Januar 2025, 10:16 Uhr

Rügens Boddenhechte sind der Traum vieler Angler. Aber hoher Angeldruck führt zum Rückgang der Hecht-Population, zeigt eine Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). In stark beangelten Gebieten gibt es demnach weniger Hechte, und sie beißen auch deutlich seltener als in benachbarten geschützten Boddenabschnitten mit wenig Angeldruck.

Mann mit Brille und Kopfhörern vor einem Mikrofon
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Die Küstengewässer um Rügen, bekannt als Bodden, sind seit jeher ein Mekka für Angler. Nicht wenige Angler haben genau dort ihren größten Fang gemacht, denn kapitale Hechte, die zu beeindruckenden Größen von über 1,20 Meter heranwachsen, haben die Region berühmt gemacht. Doch die Bestände des Boddenhechts gehen seit einigen Jahren deutlich zurück. Eine Kombination aus Umweltveränderungen und Fischereidruck bedroht die Populationen des Raubfisches. Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin beleuchtet nun auch die Rolle der Freizeitfischerei innerhalb dieser Kombination von Gründen.

Deutlich mehr gefangene Hechte in geschützten Gebieten

Die Studie verglich Schutzgebiete, wo es nur eingeschränkten Fischereizugang gibt, mit benachbarten offenen Angelrevieren in den Regionen Grabow (Bodden), Ummanz und Selliner See / Neuensiener See. Die Autoren machten dazu selbst Hunderte Würfe mit Kunstködern, wie sie für die Hecht-Angelei typisch sind, und stellten auch Stellnetze auf, wie sie in der Berufsfischerei verwendet werden. Die Ergebnisse waren eindeutig: "Die Fangraten in den Schutzgebieten waren durchschnittlich drei- bis viermal so hoch wie in den Vergleichsgebieten. Auch kapitale Hechte kamen in den Schutzgebieten häufiger vor. Dies deutet darauf hin, dass auch die Angelfischerei Einfluss auf den Hechtbestand der Boddengewässer hat beziehungsweise auch früher schon hatte", sagt Philip Roser, Erstautor der Studie.

Hechte lernen, und die vorsichtigen überleben

Und noch ein weiterer Effekt zeigte sich: "Viele der von Anglerinnen und Anglern gefangenen Hechte haben gelernt, Kunstköder oder Boote mit Gefahr zu assoziieren," erläutert Robert Arlinghaus, Professor für Integratives Fischereimanagement, der von 2019 bis 2023 ein umfangreiches Projekt zum Boddenhecht geleitet hat, in dem auch die aktuelle Studie durchgeführt wurde. Dieses erlernte Vermeidungsverhalten führt dazu, dass die Hechte in offenen Gebieten schwerer zu fangen sind. "Von den Hechten, die sich für den Kunstköder interessierten, biss in Schutzgebieten ohne Angelfischerei ein deutlich höherer Anteil tatsächlich an, während Hechte in beangelten Gebieten häufiger nach einer Begutachtung des Köders abdrehten. Zudem lösten sich Hechte aus in der Vergangenheit intensiv beangelten Gebieten nach einem Biss häufiger vom Haken, was für ein vorsichtigeres Anbeißverhalten spricht", sagt Studien-Erstautor Phillip Roser.

Zu diesem Lerneffekt kommt laut Roser aber noch eine langfristige genetische Selektion hinzu: Leicht fangbare, aggressivere Hechte werden systematisch durch Angler entnommen, wodurch sich Fische mit "vorsichtigeren" Genen auf Dauer durchsetzen. "Etwa ein Drittel der Unterschiede in den Fangraten zwischen Schutz- und Nichtschutzgebieten lässt sich auf ein vermindertes Anbeißverhalten zurückführen", so Roser.

Boddenhechte sind wichtig für die ganze Region

Der Boddenhecht ist nicht nur biologisch von Bedeutung, sondern auch ökonomisch. Angeltourismus generiert in der Region eine Bruttowertschöpfung von über 10 Millionen Euro pro Jahr und sichert mehr als 200 Arbeitsplätze. Doch nicht nur die Freizeitangelei setzt den Beständen zu, sondern auch verschiedene Umweltveränderungen. So gibt es einen Verlust von Laichplätzen, weil Unterwasserpflanzen, die für das Laichen wichtig sind, durch Überdünung und Habitatzerstörung verloren gehen.

Außerdem nehmen die Fressfeinde zu. Kormorane fressen Junghechte und Beutefische für größere Hechte, Stichlinge verursachen durch ihre Vorliebe für Eier und Larven eine hohe Sterblichkeit bei Junghechten. Und dazu kommt die Berufsfischerei, die durch sinkende Fangquoten bei Dorsch und Hering den Druck auf Süßwasserfische wie den Hecht erhöht hat. Inzwischen entnimmt die Berufsfischerei etwa doppelt so viele Hechte wie die Freizeitfischerei.

Anpassung der Bewirtschaftung der Fischbestände nötig

Den Studienautoren geht es nicht darum, Freizeitangler anzuschwärzen oder komplett von den Bodden fernzuhalten. Im Rahmen des Projekts "Boddenhecht" wurden in einem mehrjährigen Dialog mit Interessensgruppen aus Fischerei, Tourismus und Naturschutz konkrete Vorschläge entwickelt, wie sich die Bestände erholen können. Erste Maßnahmen wurden bereits umgesetzt. Seit November 2024 gelten bestimmte Boddenbereiche als Winterlager für Hechte, in denen die Fischerei stark eingeschränkt ist. Die Stellnetzfischerei wurde in diesen Gebieten verboten, und die Entnahmequoten für Freizeitangler wurden reduziert.

Die Ergebnisse dieser und früherer Studien des IGB zum Boddenhecht unterstreichen die Notwendigkeit solcher Maßnahmen, finden die Autoren. "Wünschenswert wäre es, möglichst vielen der unter Druck geratenen Boddenhechte die Möglichkeit zu geben, sich zu vermehren und zu einer stattlichen Größe heranzuwachsen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Berufs- und Angelfischerei auch in Zukunft von guten Fängen und hoher Ertragsfähigkeit an den Bodden profitieren können", betont Robert Arlinghaus.

Die Probleme des Boddenhechts sind dabei eng mit den ökologischen Bedingungen der Ostsee und ihrer Küstengewässer verknüpft. Zu langfristigen Lösungsansätzen gehören die Wiederherstellung überfluteter Hechtlaichwiesen, eine verbesserte Durchgängigkeit von Fließgewässern, Förderung von Unterwasserpflanzen, Reduzierung von Fraßdruck durch Kormorane und Stichlinge und die Reduktion von Überdünung durch nachhaltigere Landwirtschaftspraktiken. Robert Arlinghaus fasst es so zusammen: "Der Hecht steht nur stellvertretend für tiefer liegende Probleme in der Ostsee, die bis in die inneren Küstengewässer ausstrahlen." Gefragt sei ein Zusammenspiel von Akteuren weit über die Fischerei hinaus, einschließlich Naturschutz, Land-, Wasser- und Tourismuswirtschaft.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Ostsee am Limit | 23. Dezember 2024 | 19:15 Uhr

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