Eine Nacktschnecke sitzt auf einem Salatblatt 3 min
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Ökologisches Gleichgewicht Nacktschnecken sind mehr als nervige Salatfresser

18. August 2024, 12:54 Uhr

Wer mal nicht übers Wetter reden will, versucht es diesen Sommer mal mit Nacktschnecken. Es sind gefühlt noch nie so viele, sie gedeihen prächtig und alle, die gärtnern, wollen sie loswerden. Haben die Biester eigentlich Gegenspieler in der Natur? Da balanciert sich theoretisch doch immer alles aus, Beutetiere und Fressfeinde. Und tatsächlich gibt es in der Natur etliche Wesen, die Nacktschnecken zum Fressen gern haben. Aber reicht das?

Nacktschnecken sind in der Natur auch nützlich

Jedenfalls in einem ökologisch intakten Umfeld, wenn alle Mitspieler in der Natur das machen können, wozu sie da sind und die ökologischen Rädchen ineinandergreifen. Man denke an Mücken, Wespen, Spinnen, deren Sympathiewerte bei Menschen gegen null tendieren. Dabei haben alle ihren Nutzen, als Nahrung, als Regulator von Schädlingen oder als Treiber von Zersetzungs- und Kompostierprozessen. Auch Nacktschnecken nehmen in diesem gesamten Kreislauf ihren Platz ein: Als Nahrung für diverse Tiere, aber auch als Verwertungs-Helfer von Laub und abgestorbenem Pflanzenmaterial.

Winzige Milben bremsen (nicht nur Nackt)Schnecken aus

Tatsächlich sieht es in der Natur gar nicht mal so schlecht aus, wenn es um Gegenspieler der Nacktschnecke geht, und darum indirekt auch um ihren Nutzen. Wenn man ganz klein anfängt, begegnet man beispielsweise Riccardoella limacum, einer Milbe, die über das Luftloch der Nacktschnecke in deren Inneres schlüpft und sich von deren Hämolymphe, also der Körperflüssigkeit der Schnecke, ernährt. Der Milbenbefall sorgt bei der Schnecke dafür, dass diese langsamer heranreift, ihre Fortpflanzungsaktivitäten verringert, weniger Eier legt und weniger frisst. Nicht der ganz große Wurf gegen Schnecken, aber vielleicht ein Regulierungsmechanismus, den die Natur zur Verfügung gestellt hat.

Schneckenmilben (Riccardoella limacum)
Wer genau hinschaut, sieht die winzigen Milbentiere auf der Schnecke Bildrechte: IMAGO / Dreamstime

Die Blindschleiche: Hauptnahrungsmittel Schnecken

Anguis Fragilis, die Blindschleiche, ernährt sich zu 90 Prozent von Schnecken und von Regenwürmern. Also ein perfekter Helfer im Garten. Eigentlich ist die Blindschleiche, die zu den Echsen zählt, recht genügsam: Komposthaufen, flache Steine, Holzstapel und Tockenmauern, Asthaufen aus Ästen, Laub und Schnittgut nutzt sie gern als Rückzugsorte. Der Haken an der Sache: Wie lockt man die Blindschleiche in den Garten?

Blindschleiche frisst eine Nacktschnecke
Blindschleiche sind hervorragende Nacktschnecken-Vertilger Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Geflügelte Gegner: Amsel und Star

In einem ökologisch gesunden Garten würden sich auch viele Vögel tummeln, die Schnecken auf dem Speiseplan haben.

Star frisst Nacktschnecke
Dieser Star hat eine Nacktschnecke geschnappt. Bildrechte: imago images/blickwinkel

Der Schwarze Moderkäfer

Den Hinterleib erhoben, die Kieferzangen gespreizt: So droht der Schwarze Moderkäfer allen, die ihn aufscheuchen. Dabei erinnert er in seiner Form ein bisschen an einen Skorpion. Allerdings ist er nur drei Zentimeter groß und die Schnecken in unserem Garten wird er leider nicht vertilgen. Er lebt nämlich in feuchten Wäldern oder Auen, wo er nachts auf Schneckenjagd geht. Am Tag verbirgt er sich unter morschem Holz am Boden oder unter Laubstreu.

Schwarzer Moderkäfer frisst Nacktschnecke
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Der Leder-Laufkäfer mag schon als Larve Schnecken

Der Leder-Laufkäfer ist nachtaktiv und wenn er einmal da ist, ein Langzeit-Mitbewohner in Gärten: Von der Eiablage über das Larvenstadium und die Verpuppung zum ausgewachsenen Käfer dauert es zwei bis drei Jahre.

Lederlaufkäfer frisst Nacktschnecke
4 Zentimeter groß kann der Leder-Laufkäfer werden Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Dann kann er noch mal drei Jahre leben. Leder-Laufkäfer brauchen ausreichend Versteckmöglichkeiten, sie schlüpfen unter Steine, Totholz oder Moos und fühlen sich am ehesten in naturnahen Gärten heimisch, wenn das Nahrungsangebot stimmt. Und dazu zählen neben Schnecken auch Insekten, Würmer und Aas.

Lederlaufkäferlarve
So sieht die Leder-Laufkäfer-Larve aus Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Goldleisten lieben junge Nacktschnecken

Die Goldleiste gehört ebenfalls zur Familie der Laufkäfer und ist auch unter dem Namen Violetter Laufkäfer bekannt. Dank einer Studie aus dem Jahr 1998 weiß man, dass die Goldleiste vor allem junge Nacktschnecken verzehrt, sowohl die erwachsenen Tiere als auch deren Larven. Diese werden ab Oktober aktiv und ernähren sich von Ansammlungen kleiner Nacktschnecken.

Goldleiste frisst Nacktschnecke
So sieht die Goldleiste aus Bildrechte: IMAGO / Stefan Rotter

Fliegen

Wer im Sommer auch von Fliegen genervt ist, sieht hier, wie wunderbar diese Schnecken beseitigen können.

Fleischfliegen fressen Schnecke
Fleischfliegen fressen eine auf Asphalt gestrandete Schnecke Bildrechte: Liane Watzel

Und zwar viele verschiedene Fliegen aus unterschiedlichen Fliegenfamilien. Sie verzehren Schneckenmaterial und manche Larvenarten, parasitieren deren Eier und beeinflussen so das Nachwuchs-Vorkommen.

Fleischfliege frisst tote Nacktschnecke
Unbekannt ist aber, ob diese Fliege nur mal schaut, ob die Schnecke schon essbar ist. Bildrechte: IMAGO / Ardea

Die Gemeine Feuerwanze

Feuerwanzen an einem Baum
Bildrechte: picture alliance / dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Sie sind optisch sehr auffällig und treten meist in Scharen auf: Gemeine Feuerwanzen, fleißige Helfer im Garten. Sie bestäuben während der Nahrungssuche nicht nur Pflanzen wie Hibiskus, Malve, Eibisch und Linden. Sie fressen auch Insekten- und Schneckeneier und arbeiten so mit am natürlichen Gleichgewicht im Garten.  

Der Goldschmiedkäfer: Fleißiger Schneckenjäger

Carabus auratus, der Goldschmied-Käfer, ist ebenfalls eine der Laufkäfer-Arten, die sich von Schnecken ernähren. Ein vortrefflicher Geselle, wenn man ihn im Garten hat: Sowohl adulte Tiere als auch die Larven ernähren sich von Schnecken, Würmern, Raupen und Kartoffelkäferlarven.

Laufkäfer frisst Nacktschnecke
Der Goldschmiedkäfer Bildrechte: IMAGO / Avalon.red

Glühwürmchen-Larven als Schneckenjäger

Um die 14 Tage dauert das Glühwürmchen-Leben, das Menschen nachts mit ihrem Blinken und Flackern im Wald oder auf Wiesen erfreut. Also der Zeitraum, den Glühwürmchen zur Fortpflanzung nutzen. In den drei Entwicklungsjahren davor, als Larve, fressen sie unter anderem Nackt- und Gehäuseschnecken. Allerdings auch nur dort, wo sie laut Naturschutzbund die richtigen Lebensbedingungen vorfinden: In der Nähe von nassen Wiesen, Bach- und Flussufern, Auwäldern und feuchten Gebüschen oder Waldrändern. 

Larve des Großen Leuchtkäfers frisst Nacktschnecke
Bildrechte: IMAGO / Depositphotos

Wer im Garten Schnittgut liegen lässt, Trockenmauern einrichtet oder Äste aufhäufelt, und das Gras nicht raspelkurz mäht, hilft den Glühwürmchen bei der Fortpflanzung: Die Glühwürmchen-Weibchen brauchen solche "Ausgucke", von denen aus sie den fliegenden Männchen Leuchtsignale zur Paarungsbereitschaft zublinken. Die später am Boden lebenden Larven können sich darunter gut verbergen und auf Schneckenjagd gehen, von denen sie sich unter anderem ernähren.

Langzeitbelichtung von Glühwürmchen bei Nacht 5 min
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5 min

MDR KULTUR - Das Radio Sa 25.07.2020 13:29Uhr 04:47 min

https://www.mdr.de/wissen/umwelt-klima/warum-leuchten-gluehwuermchen100.html

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Pelziger Schnecken-Vertilger: Die Waldspitzmaus

Sorex araneus, die Waldspitzmaus, ernährt sich unter anderem auch von Nacktschnecken. Dass es auch umgekehrt geht, zeigt das zweite Bild. Das belegt zugleich auch, dass Nacktschnecken durchaus nützlich als Resteverwerter am allgemeinen Gleichgewicht in der Natur mitarbeiten.

Waldspitzmaus frisst Schnecke frisst Waldspitzmaus

Eine Waldspitzmaus macht sich über einen Tigerschnegel her
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Eine Waldspitzmaus macht sich über einen Tigerschnegel her
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Große Schwarze Schnecken, die sich von der Leiche einer Spitzmaus ernähren.
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Und es müssen nicht immer gleich tote Waldspitzmäuse sein. Sie ernähren sich auch von verrottendem Pflanzenmaterial.

So viele Feinde, da müssten wir eigentlich nichts tun haben?

Was nach viel klingt, scheint in der Realität nicht zu reichen, vor allem nicht, wenn es um eine ganz besondere Nacktschnecke geht: die Spanische Wegschnecke. Das bestätigt Biologin Heike Reiser vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz. Sie empfiehlt, die Plagegeister zu töten. Zum Beispiel in einem Eimer sammeln und mit kochendem Wasser übergießen. Zerstechen mit dem Spaten sei auch möglich. Auf keinen Fall solle man gesammelte Spanische Wegschnecken lebend in die Natur entlassen, denn dort würden sie heimische Schneckenarten und sogar Pflanzen verdrängen, warnt die Biologin.

lfw

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Radiogarten | 27. Juli 2024 | 09:00 Uhr

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