Kirschlorber-Hecke mit saftigen dicken grünen Blättern wuchert über Mauer mit rautenförmigen Lochmuster 3 min
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Kirschlorbeer, Sommerflieder, Riesen-Bärenklau, Japan-Knötereich Invasives "Gestrüpp" im Garten: Wie werde ich die fremden Arten wieder los?

10. März 2025, 12:59 Uhr

Raus in den Garten – und aus dem Garten: Pflanzen aus aller Welt wie Kirschlorbeer und Sommerflieder bevölkern nicht erst seit Kurzem in deutschen Gärten. Blöd nur, dass sie im Klimawandel so langsam außer Kontrolle geraten. Warum ist das so? Betrifft das alle Arten? Und vor allem: Wie werden wir das olle Gestrüpp wieder los?

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Wer davon ausgeht, dass Ingolf Kühn als studierter Pflanzenkundler in diesen Tagen um die Krokusse tanzt, die Obstbaumschere zückt und den Lavendel zurechtpflückt, hat wohl keine Ahnung: "Ich bin ganz schlecht im Garten. Aber das liegt vielleicht daran, dass viele Botaniker schlecht im Garten sind, weil wir uns an dem freuen, was draußen wächst." Wieder was gelernt. Aber macht ja nichts, denn Kühn – Makroökologe am Halleschen Standort des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) – weiß natürlich trotzdem, was in mitteleuropäischen Gärtchen so wächst. Oder was da wächst, obwohl es nicht soll.

Dieses "soll nicht wachsen" lässt sich grundsätzlich von zwei Seiten sehen: Entweder aus Sicht der Gärtnerin und des Gärtners, wenn sie eines gewissen Gestrüpps nicht mehr Herr oder Frau werden. Oder aus ökologischer Sicht, dass eine beliebte Zierpflanze unser Ökosystem ins Wanken bringt, weil sie sich ein bisschen zu wohl fühlt. In jedem Fall ist klar: Auch wenn sich die klimatischen Bedingungen verändern, wandern robuste Pflanzen aus südlichen Gefilden nicht von alleine über Alpen und Ozean, um in der mitteleuropäischen Ökologie zu stänkern. Irgendwann war immer der Zeitpunkt, dass Menschen das Zeug verschleppt haben, und sei es durch eine Unachtsamkeit.

Icon: Symbolische Erdkugel mit Afrika und Europa im Zentrum, daran oben links das Grad-Zeichen. Text:  MDR Klima-Update. Kostenfrei, wöchentlich. Foto: Weiß gekleidete Frau mit Rücken zur Kamera kippt aus Eimer grüne Farbe auf Leinwand in trockener Gegend.
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Flieder und Lorbeer-Kirsche: Hübsch, aber nutzlos

Beim Kirschlorbeer kann von Unachtsamkeit keine Rede sein. Dicke, dunkelgrüne Blätter, das ganze Jahr, ein Hauch von Mittelmeer und ein verlässlicher Sichtschutz zur Nachbarschaft – das Gewächs erfreut sich in Deutschland immer noch großer Beliebtheit, findet sich in jedem Gartencenter und glänzt durch einen äußerst geringen Beitrag zum Ökosystem. Gilt auch für den schmucken Sommerflieder, der für viele Insekten ebenfalls weitestgehend uninteressant ist. Mehr noch: Durch die Ausbreitung wird den für das Ökosystem wichtigen Pflanzen der Raum genommen, was das Problem verstärkt. Hübsch, aber nutzlos – das ist etwas, was nicht erst seit gestern bekannt ist, aber dann kam der Klimawandel:

"Das sind beides Arten, die eigentlich durch die Winterfröste und die kalten Winter immer in Schach gehalten worden sind, dann auch die Keimlinge bei Frosteinbruch sterben", erklärt Ökologe Ingolf Kühn. "Da wir das immer weniger haben, sind das typische Arten, die sich unter dem Klimawandel immer weiter ausbreiten können."

Grafik zeigt Illustrationen von aktuell invasiven Gartenpflanzen: Kirschlorbeer, Japan-Knöterich, Sommerflieder, Götterbaum, Riesen-Bärenklau. Bis auf letzteren sind alle als Klimagewinner gekennzeichnet.
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Verschwindet der Riesen-Bärenklau?

Der menschengemachte Klimawandel geht also mit dem menschengemachten globalen Pflanzenaustausch Hand in Hand und Neophyten – also in einem bestimmten Gebiet neue Arten – profitieren davon. Das klingt etwas perfide, aber noch perfider wird’s mit dem Riesenbärenklau. Auch den hat der Mensch als Zier-, teilweise Nutzpflanze eingeschleppt. Wenn das Gestrüpp einen freien Willen hätte und nicht schlichtweg Natur wäre, könnte man ihm schiere Boshaftigkeit unterstellen: Neben seiner invasiven Verbreitung wartet es mit feinen Härchen auf. Die darin enthaltene Flüssigkeit kann, wie durch feine Kanülen, in die Haut geraten, mit Sonnenlicht reagieren und zu Verbrennungen führen. Gerade für spielende Kinder ist das ein gefährliches Problem.

Jetzt kommt’s, der Klimawandel wirkt sich auch auf den Riesenbärenklau aus – nur kommt der aus dem kalten Kaukasus: "Das könnte eine der wenigen Arten sein, die durch den Klimawandel eventuell nicht profitieren, sondern vielleicht sogar leiden müssen", so Kühn. Immerhin ein Problem weniger, gilt eben nur für die wenigsten Neophyten. Wer also auch künftig auf eine zünftige Vielfalt und die eine oder andere dicke Hummel im Garten Wert legt, muss Kirschlorbeer und Japan-Knöterich – den hatten wir noch nicht erwähnt – irgendwie an den Kragen gehen.

Da gibt es im Augenblick tatsächlich für die wenigsten Arten Informationen, die durch die Gartencenter bereitgestellt werden.

Prof. Dr. Ingolf Kühn, Makroökologe Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Was hilft gegen invasive Pflanzen im Garten wirklich?

Die rabiate Methode – Zerhacken bis ins Wurzelwerk – ist aber tunlichst zu unterlassen, erklärt Thomas Balster, Gartenexperte der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, im Podcast "Die Zarten im Garten" von NDR 1 Welle Nord: "Durch das Durchstechen der Wurzelstücke, der Rizomstücke, wird er zu neuem Wachstum angeregt und das sollte unterbleiben." Die bekommt man nahezu nicht aus der Erde sortiert und so wird aus einem kleinen Problem ein großes. Besser sei es, mit noch dominanteren Pflanzen eine Gegenoffensive zu starten: "Es gibt starkwüchsige Stauden wie den Geißbart und bestimmte Geranium-Storchschnabel-Arten, die sind noch wüchsiger. Und dadurch, dass man die anpflanzt, unterdrücken die das Wachstum anderer Pflanzen."

Grafik zeigt Illustrationen potenziell investiver Gartenpflanzen: Akazien, Pampasgras und Hanfpalme
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Hier sollte man fachkundigen Rat bei der Staudengärtnerei des Vertrauens einholen. Wer keine Staudenarmee gegen invasive Arten aufstellen möchte, kann versuchen, Kirschlorbeer und Konsorten als Ganzes auszugraben. Dann aber bitte nicht auf den Komposthaufen oder über den Gartenzaun werfen, warnt Ingolf Kühn vom UFZ, sondern in die örtliche Entsorgung geben: "Wenn die Arten bei hohen Temperaturen kompostiert werden in professionellen Kompostieranlagen, dann überleben sie in der Regel nicht und dann überleben die meisten Samen auch nicht." Noch besser ist es, sich vorher zu überlegen, was man anpflanzen möchte und potenziell invasive Arten von vornherein auszuschließen. "Da gibt es im Augenblick tatsächlich für die wenigsten Arten Informationen, die durch die Gartencenter oder durch die Gartenbaubetriebe bereitgestellt werden, weil das ja nicht verkaufsfördernd, sondern verkaufshemmend ist."

Potenziell Invasiv: Hanfpalmen, Akazien und Pampasgras

Mehrere teils höhere Palmen mit Fächern in einem Garten vor einem Mehrfamilienhaus, daneben Gartentisch und Stühle
Frei wachsende Hanfpalmen in Leipzig Bildrechte: MDR WISSEN

Fest steht: Wer sich einen Sommerflieder in den Garten setzt, tut das, um sich an der fliederfarbenen Zierde zu erfreuen und nicht, um vorsätzlicherweise das Ökosystem ins Wanken zu bringen. Am wirksamsten sind also gesetzliche Richtlinien, die den Umlauf gewisser Arten einschränken, so Kühn. "Durch das Bundesamt für Naturschutz wird gerade ein Katalog erarbeitet, mit welchen Maßnahmen man die bestimmten Einführungspfade von gebietsfremden Arten tatsächlich einschränken kann." Letztendlich gibt es seit zehn Jahren die sogenannte Unionsliste, eine Liste potenziell invasiver Arten in der Europäischen Union. Der Kirschlorbeer steht da allerdings noch nicht drauf: "Aber im Augenblick werden immer mehr Arten auf diese Unionsliste gesetzt. Das Problem ist, dass die Umsetzung in den Mitgliedsstaaten im Augenblick ein bisschen hinterherhängt."

Arten, die sich jetzt schon unkontrolliert ausbreiten, fängt man dadurch natürlich auch nicht wieder ein. Aber es ist gut, einen Blick auf die zu haben, die künftig – im Zuge des Klimawandels – zu einem größeren Problem werden können. Freundinnen und Freunde südlicher Gewächse müssen da besonders stark sein. Invasives Potenzial haben etwa das beliebte südamerikanische Pampasgras, schmucke Akazien (und zwar echte und keine Robinien) oder die Chinesische Hanfpalme. Gerade in den wärmeren und wintermilden Regionen Deutschlands, etwa entlang des gesamten Rheins, aber auch im Ballungsraum Leipzig-Halle ist eine Verwilderung zwar noch selten, dort könnte sich aber bald das abspielen, was im Schweizer Tessin zu beobachten ist: Die Hanfpalme breitet sich massiv im Unterholz der Wälder aus. In der Eidgenossenschaft müssen Palmenfreundinnen und -freunde deshalb ganz stark sein: Seit Herbst 2024 ist der Verkauf, das Vermehren und sogar das Verschenken verboten. Gilt im Übrigen auch für Kirschlorbeer, Sommerflieder und Japanknöterich. Den Botaniker Ingolf Kühn trifft das weniger. Der ist ja sowieso schlecht im Gärtnern.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. März 2025 | 00:00 Uhr

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