Person neben großem Kugelgrill auf grüner Wiese, Person und Grill nur im Anschnitt, mit Grillzange und Schürze. 3 min
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Klima, Verbotspolitik, Schutzmaßnahmen Klima und Kiesauffahrt: Wie wird die Rettung der Erde wieder gutbürgerlich?

18. April 2025, 10:00 Uhr

Die bürgerliche Mitte der Gesellschaft glaubt an den Klimawandel, aber nicht an Klimaschutzmaßnahmen und daran, dass es die Politik hinbiegen wird: Was ist los im bürgerlichen Milieu – und wie schaffen wir es, dass alle wieder mit anpacken?

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Welcher ist jetzt eigentlich der bürgerlichste aller bürgerlichen Orte? Die Kiesauffahrt? Der Velours-Sitz im Mittelklasse-SUV, der auf der Kiesauffahrt draufsteht? Der Hobbykeller, eine Etage drunter? Für Florian Wagner gibt es da einen anderen heißen Kandidaten: Der heimische Garten. Und ja, egal ob in Schreber-Manier, vorm oder hinterm Haus, egal ob am Kugelgrill oder der Unkrauthacke – im Garten trifft sie sich wohl, die bundesdeutsche Mitte der Gesellschaft.

Florian Wagner leitet den Verein Heimatwurzeln, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, dass Klimaschutz in dieser bürgerlichen Mitte ankommt. Wagner ist studierter Theologe und Englischlehrer und war für die CDU in der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik tätig. Und Wagner gärtnert gern. „Wir haben den Garten als etwas identifiziert, wo man sich sehr bürgernah, sehr pragmatisch mit Klimawandel und den Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen kann.“ Dort, wo sie für alle, möglicherweise sogar zuerst spürbar sind. Der Verein Heimatwurzeln bietet deshalb 300 kostenlose Gartenworkshops an, verteilt über den ländlichen Raum. Fachleute zeigen, wie man den eigenen Garten so anlegen kann, dass er mit wenig Ressourcen auskommt, zum Beispiel wenig Dünger, wenig Wasser. Und wie sich gesundes Essen selbst hochziehen lässt. Für Wagner ist der Garten eine ideale Verbindung zum ehrlicherweise etwas akademisch geratenen und inflationär gebrauchten Begriff der Nachhaltigkeit.

Icon: Symbolische Erdkugel mit Afrika und Europa im Zentrum, daran oben links das Grad-Zeichen. Text:  MDR Klima-Update. Kostenfrei, wöchentlich. Foto: Weiß gekleidete Frau mit Rücken zur Kamera kippt aus Eimer grüne Farbe auf Leinwand in trockener Gegend.
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Wer ist denn eigentlich diese bürgerliche Mitte der Gesellschaft?

Wer auch sonst nicht an der Mitte der Gesellschaft vorbeireden möchte, sollte erstmal wissen, mit wem man da redet. Immerhin mit fast einem Viertel der Deutschen, wenn es nach dem soziologischen Milieu-Modell des Sinus-Instituts geht. „Bürgerliche Mitte“ ist aber kein klar abgegrenzter, wissenschaftlicher Begriff, sondern eher ein politischer. Gemeint sind etwa Menschen, die sich traditionell von bürgerlichen Parteien wie CDU und FDP angesprochen fühlen und eher konservative Wertvorstellungen haben, wobei dieses Verständnis umstritten ist. Florian Wagner, der sich selbst der bürgerlichen Mitte zugehörig fühlt, versucht es auf anderem Wege: „Wir sprechen von Menschen, die sich gesellschaftlich verantwortlich fühlen, oft in Familie, Beruf oder Ehrenamt eingebunden sind und die auf Stabilität, auf Sicherheit und Eigenverantwortung setzen.“ Hinzu kommen Wünsche wie Heimatverbundenheit und Tätigkeiten als mittlere Führungskräfte oder Fachleute in Wirtschaftsunternehmen, als Selbstständige, als Handwerkerinnen oder Landwirte.

Diagramm zeigt, dass besonders die Wählerschaft der Grünen findet,d ass es mehr Klimaschutz braucht. Sonst ist im politischen Spektrum von links nach rechts eine Zunahme der Skepsis für mehr Klimaschutz zu sehen.
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Auch letztere möchte Florian Wagner und der Verein Heimatwurzeln erreichen. Er hat das Gespräch gesucht und vergeblich auch das Bild der Bäuerinnen und Bauern, denen das Klima vollkommen wumpe ist: „Ich habe in den letzten Monaten mit hunderten Landwirten gesprochen und keinem bin ich begegnet, der den Klimawandel leugnet und ablehnt“, erklärt er, „sondern ganz im Gegenteil: Die merken das am eigenen Feld, in der eigenen Lebensrealität, dass der Klimawandel real ist und dass sie was dagegen tun wollen.“ Ein Ergebnis des Projekts war die Feststellung, dass es in der Landwirtschaft offenbar nicht an Bereitschaft zum Klimaschutz mangelt, sondern die bürokratischen Hürden, genau das zu tun, viele ganz offensichtlich überfordern. „Wir nennen das klimaschädliche Bürokratie und die gilt es abzubauen.“

Noch so ein Etikett, das wir gern in der bürgerlichen Mitte unterbringen, ist das der Leistungsträgerinnen und -träger – also zumindest im beruflichen Kontext. „Und diese in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zugeschriebene Leistung für die Gesellschaft wollen viele dann auch durch einen entsprechenden materiellen Wohlstand honoriert haben und mittels dieses Wohlstands durchaus auch selbst einen Status nach außen zeigen.“ Diese Einschätzung kommt von Dennis Eversberg, der als Umweltsoziologe an der Uni Frankfurt und zuvor an der Uni Jena forscht. Tendenziell gebe es in den bürgerlichen Bevölkerungsgruppen zwar eine breite Anerkennung des (menschengemachten) Klimawandels. Aber eben auch eine geringe Bereitschaft, am eigenen Leben dafür etwas zu ändern. Wie eine aktuelle Untersuchung im Auftrag von Heimatwurzeln zeigt, glauben nur etwa zehn bis zwanzig Prozent der Menschen in der bürgerlichen Mitte, dass die Bekämpfung des Klimawandels langfristig den wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland sichert.

Einfamilienhaus und rote Dächer ragen über Hecker, mit Solarpanelen auf Dach
Geht doch: Beim Thema PV ist der Klimaschutz in der bürgerlichen Mitte längst angekommen. Vielleicht wurde richtig erzählt? Bildrechte: imago/Westend61

Vom Gegenteil war bisher nun auch nicht viel zu merken. Die Wohlstandsgesellschaft als Resultat des wirtschaftlichen Aufschwungs im Westen, später auch Osten des geteilten Deutschlands ließ wenig Raum für eine Klimadebatte. Und als die dann da war, waren es die Klimaschutzmaßnahmen, die relativ unauffällig vonstattengegangen sind und das gewohnte Leben nicht berührt haben: „Das ging so lange okay mit Klimaschutz zusammen, wie der relativ geräuschlos über Emissionssenkungen in der Industrie und über den Ausbau erneuerbarer Energien bewerkstelligt werden konnte“, erklärt Eversberg. Hinzu kam der politische Floh im Ohr, dass Wachstum auch grün sein könne. Seitdem der Klimaschutz auch das Privatleben betrifft, ändert sich die Gelassenheit der Bevölkerungsmitte – Stichwort Heizungsgesetz.

Klimaschutz? Wohlstandsgesellschaft will … nun, Wohlstand

„In diesen Milieus genießt die Regierung beim Klimaschutz fast gar kein Vertrauen mehr“, so Eversberg im Hinblick auf die Heimatwurzeln-Studie. „Die Bereitschaft, Maßnahmen wie ein Tempolimit, Verbrennerverbote, höhere CO2-Steuern oder sowas zu akzeptieren, die geht gerade hier massiv zurück.“ Stattdessen werde von der Politik verlangt, die eigene und aus persönlicher Sicht verdiente Lebensweise vor Veränderung zu schützen.

Grafik zeigt, dass Klima oder Wirtschaft vor allem für die Wählerschaft der Grünen gilt, ab dann von politisch nach politisch rechts Zunahme der Zustimmung Wirtschaft über Klima, besonders deutlich bei Union, FDP und AfD.
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Für euch ändert sich nix – dieses Versprechen sei Eversberg zufolge während der Merkel-Jahre gemacht worden und die potenzielle neue Regierung sei drauf und dran, den Fehler zu wiederholen. „Damit sät sie eigentlich die Saat dafür, dass noch mehr Leute wütend werden und sich dadurch legitimiert fühlen, AfD zu wählen.“ Soziologe Eversberg macht der „bürgerlichen Mitte“ keinen Vorwurf, Klimaschutzpolitik nicht mitzutragen, sondern der Politik, „die sie aus Macht und Wahlkalkül heraus eigentlich immer weiter wie Kinder behandelt. Immer wieder diese erneuten Versprechen macht, anstatt die Leute als Erwachsene, als Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen und zu sagen: So, wir müssen jetzt mal reden.“

Wir müssen hin zu einem positiven Zukunftsbild

Florian Wagner Vorsitzender Heimatwurzeln e.V.

Florian Wagner vom Verein Heimatwurzeln hat ähnliche Bedenken: „Der Koalitionsvertrag, der spricht zwar von Klimaschutz, der betont aber vorrangig eben das Wirtschaftswachstum. Das birgt aus meiner Sicht die Gefahr, die Verbindung zur Realität vieler Menschen zu verlieren.“ Wo sich die beiden auch einig sind, ist der Weg, aus dem augenblicklichen Dilemma wieder rauszukommen: Klimaschutz müsse komplett anders erzählt werden. Praktischerweise steckt in einer konservativen Haltung schon das Wörtchen „konservieren“. Es geht schließlich um das Bewahren von dem, was man hat, auf unserem zartbesaiteten Planeten.

Klimaschutz muss komplett neu erzählt werden

„Das bedeutet konkret, Klimaschutz muss als Beitrag zur Heimatbewahrung, zur wirtschaftlichen Stabilität und zur Versorgungssicherheit erzählt werden und nicht als Kulturkampf oder als rein urbanes Projekt“, so Wagner. Er bezieht sich auf eine Studie der Humboldt-Universität Berlin, die zeigt: Wenn konservative Werte wie Ordnung, Sicherheit und Verantwortung in die Klimakommunikation eingebracht werden, steigt die Zustimmung signifikant. „Wir müssen weg vom Bild des reinen Verzichts und hin zu einem positiven Zukunftsbild.“

Vielleicht gelingt es ja da gleich noch, im selben Abwasch die Energiewende als Paradebeispiel für so eine positive Zukunft anzuführen. Ein Projekt seines Vereins beschäftigt sich damit, die Energiewende als Chance für den ländlichen Raum zu erzählen, für die Versorgungssicherheit und auch die regionale Wirtschaft. Vor kurzem erst habe er ein Geothermiekraftwerk angeschaut und einen Bürgerwindpark. Da steckt das Bürgerliche schon im Namen – und nimmt vielleicht gleich die Angst vorm Windrad in der absoluten bürgerlichen Mitte – dem heimischen Garten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 23. April 2025 | 00:00 Uhr

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