Fashion Revolution Week Zwischen Secondhand und Ultra-Fast-Fashion: Dürfen wir überhaupt noch Kleider kaufen?
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25. April 2025, 15:36 Uhr
Eigentlich sollte die Textilindustrie ihren CO2-Impact langsam auf null bringen. Stattdessen setzen diverse Konzerne nun auf Ultra-Fast-Fashion, Trendzyklen werden verkürzt und die Produktion wird weiter zunehmen, so die Prognosen. Auf der anderen Seite legen Konsumenten zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit, es gibt es mehr Angebote für Secondhand-Mode und Recyclingfasern. Eine Lösung für die verheerende Umweltbilanz der Textilindustrie ist das aber nur bedingt.
Pro Kopf werden in Deutschland jährlich ungefähr 18 kg Kleidung gekauft – weltweit sind es 8 kg pro Person und Jahr. Damit ist die Herstellung von Kleidung und Schuhen für zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als der globale Flug- und Schiffsverkehr. Dass der CO2-Impact so hoch ist, liegt auch daran, dass die meisten Kleidungsstücke in Ländern produziert werden, die ihren Strom mit Kohlekraftwerken erzeugen. Und es liegt auch an der schieren Menge: Fast-Fashion – also das ständige Angebot neuer Mode zu sehr niedrigen Preisen – hat dazu beigetragen, dass sich die weltweite Textilproduktion in den vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt hat. Die Europäische Umweltagentur prognostiziert, dass dieses Wachstum anhält.
Nach Fast-Fashion kommt Ultra-Fast-Fashion
Die EU möchte bis 2050 klimaneutral sein, das bedeutet: Eigentlich müssten die Emissionen des Modesektors nun schrittweise reduziert werden, bis sie dann bei null sind. In der Realität passiert aber das exakte Gegenteil. "Wir beobachten in den vergangenen Jahren einen Zuwachs an Ultra-Fast-Fashion, das heißt, es werden noch mehr Kollektionen pro Jahr produziert, als es bei Fast-Fashion der Fall ist", erzählt Matilda Lidfeldt. Sie forscht am Schwedischen Umweltforschungsinstitut IVL zur Kreislaufwirtschaft und Textilien. Ultra-Fast-Fashion bedeute nun, dass noch größere Mengen Kleidung noch billiger produziert werden, erklärt Lidfeldt.
Häufig werden in diesem Zusammenhang Anbieter wie Temu oder Shein genannt. Dort gibt es T-Shirts schon für zwei Euro, rund 6.000 neue Artikel bietet Shein jeden Tag an – und zwar ausschließlich im Internet, herkömmliche Geschäfte mit Umkleiden sind bei den meisten Ultra-Fast-Fashion-Anbietern nicht mehr vorgesehen.
Neben dem CO2-Impact ist das auch mit einem enormen Wasserverbrauch verbunden. Ein einziges Baumwoll-T-Shirt verbraucht bei der Herstellung 2.700 Liter Süßwasser – was der Menge entspricht, die eine Person in 2,5 Jahren trinkt. Dazu kommen: Umweltverschmutzung durch die verwendeten Chemikalien, Mikroplastik, das aus Polyesterkleidung in die Umwelt gelangt und die menschenunwürdigen Bedingungen in den Textilfabriken.
Die Greenwashing-Falle
Viele Konsumenten sind für diese Probleme bereits sensibilisiert: Neun von zehn Europäern wünschen sich Kleidung, die länger hält, statt Fast Fashion. Diverse große Modekonzerne scheinen diesen Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit auch wahrzunehmen. H&M beispielsweise verwendet grüne Etiketten, um seine "Conscious Choice"-Produkte als ökologisch verträglichere Wahl zu kennzeichnen, geprüfte Textilzertifikate verwendet der Konzern aber nicht. Immer wieder wurde H&M deshalb für seine grün gelabelte Kollektion verklagt, mit dem Vorwurf: Greenwashing. Von einem grundlegenden Wandel ist die Modebranche trotz des enormen Klima-Impacts weit entfernt: Weltweit wird noch immer jede Sekunde eine Lkw-Ladung Textilien entsorgt.
Das Recycling-Problem
Was kann man unternehmen, um die Klima- und Umweltfolgen der Modebranche einzudämmen? Eine Lösung, die die EU-Kommission mit ihrer Textilstrategie fokussieren möchte, ist das Recycling der Textilfasern in der Kleidung. Aktuell wird weltweit circa ein Prozent der Altkleider zu neuen Textilien verarbeitet, und Konzerne wie Trigema und Tchibo bieten mittlerweile Kleidung an, die zumindest teilweise aus recycelter Baumwolle hergestellt ist.
Was ein Ausbau dieser Strategie fürs Klima bringen könnte, haben Matilda Lidfeldt und Ihre Kollegen in einer aktuellen Studie einmal simuliert. Sie legen die Annahme zugrunde, dass bis 2035 zehn Prozent der Textilien in der EU recycelt werden. Das Ergebnis der Forschenden: Lediglich in einem Szenario mit hundert Prozent Ökostrom würde das den Klima-Impact des Textilsektors reduzieren. "Und diese Senkung wäre auch eher klein, also nur 0,5 Prozent", sagt Matilda Lidfeldt.
Dass das Recycling von Textilfasern für die Klimabilanz nicht so viel bringt, liegt auch daran, dass die gesamte Produktion eines Kleidungsstückes zwar mit 80 Prozent der Gesamtemissionen stark ins Gewicht fällt – aber die Herstellung der Textilfasern selbst daran nur einen kleineren Anteil hat.
Die Produktion der Kleidung, also Behandlung, Nähen und Co. ist energieintensiv und fällt beim Recycling von Textilfasern erneut an. Wird diese Reproduktion der Kleidung mit Energie aus fossilen Quellen durchgeführt, kann der Klima-Impact der Textilindustrie durch Recycling sogar noch steigen, so das Ergebnis der Studie. "Es gibt das Risiko, dass man jetzt denkt, das sei die Lösung für die Textilindustrie", findet Lidfeldt. Sie betont, Textilrecycling alleine werde die Branche vermutlich nicht klimaneutral machen – jenseits der Emissionen habe es aber günstige Auswirkungen auf den Wasserverbrauch.
Problemzone Altkleidertonne
Und natürlich würde sich die Menge an Textilabfällen ebenfalls reduzieren. Auch das ist ein Anliegen der Europäischen Union. Eine neue Vorgabe der EU schreibt deshalb vor, dass Altkleider seit Beginn dieses Jahres nicht mehr in den Restmüll entsorgt werden dürfen.
In Deutschland ist aber noch fraglich, wie konsequent die Vorgabe überhaupt umgesetzt werden kann. Sollen nun alle Textilien in den Altkleidercontainer, egal in welchem Zustand? "Bitte nicht", sagt Thomas Ahlmann. Der Geschäftsführer vom Dachverband gemeinnütziger Sammelstellen FairWertung prognostiziert: "Das würde das System zum Einsturz bringen." In Quedlinburg und Blankenburg in Sachsen-Anhalt hat das aktuell zum Abzug der Altkleidercontainer geführt.
Deshalb soll stark verschmutzte oder kaputte Kleidung nun bis auf Weiteres in den Restmüll – aber trotzdem bleibt Ultra-Fast-Fashion ein Problem für die Altkleidersammler.
Die Menge der Textilien habe sich in den vergangenen Jahren verdreifacht – aber die Qualität sinke deutlich, betont Ahlmann. Vieles kann nicht mehr weiterverkauft werden und verstopft die Altkleidercontainer. Das Hauptgeschäft der Altkleidersammler ist auch nicht der Verkauf der Stoffe als Recyclingfasern, sondern der Wiederverkauf der Kleider als Secondhand-Mode.
Secondhand: Lösung mit Haken
Und könnte letzteres nicht eine Lösung sein? Kleider gebraucht zu kaufen wird beliebter. Der Markt wächst jährlich um circa 16 Prozent und könnte 2025 rund 184 Milliarden Euro umsetzen. Gerade bei jüngeren Menschen ist Secondhand-Mode beliebt: In der Generation Z haben zwei Drittel schon einmal gebrauchte Kleidung gekauft – über die Hälfte der Secondhand Kunden kaufen die Kleidung mittlerweile im Internet. War der Secondhand-Markt früher von wohltätigen Unternehmen geprägt, ist Mode aus zweiter Hand mittlerweile ein kompetitiver Sektor.
Secondhand-Kleidung ist fürs Klima zunächst einmal die beste Option, das bestätigt auch Matilda Lidfeldt. Sie veröffentlicht demnächst eine Studie, die zeigen wird, dass Secondhand-Mode auch dann besser fürs Klima ist, wenn man mit dem Auto zum Laden fährt. Das zumindest gilt, wenn der Secondhand-Kauf den Neukauf ersetzt.
Der Secondhandsektor wächst, aber die Neuproduktion auch
Ob das wirklich immer der Fall ist, kann man schwer nachweisen. Fest steht: Während der Secondhand-Sektor in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist, ist auch die Neuproduktion von Kleidung gewachsen. H&M beispielsweise hat in den vergangenen Jahren stark in den Secondhand-Sektor investiert und ist der Haupteigner der Secondhand-Plattform Sellpy.
Dass Secondhand profitabel wird, funktioniert für die Unternehmen vor allem dann, wenn immer ausreichend Neuware nachkommt, die so wenig genutzt wurde, dass sie noch immer Trends und Qualitätsansprüchen entspricht. Denn Kleidung, die wirklich gebraucht aussieht, will dann doch niemand kaufen. So zumindest erklärt es ein Sprecher des Bekleidungskonzerns NA-KD in einer Studie von 2023.
Damit der Klima-Impact der Modeindustrie sinkt, muss die Produktion zurückgehen
Wer außerdem viel Secondhand-Kleidung online bestellt und dann wieder zurücksendet, verschlechtert die Klimabilanz damit erheblich. "Der Transport nach Hause kann bis zu zehn Prozent des Klima-Impacts eines Kleidungsstückes ausmachen", sagt Matilda Lidfeldt vom Schwedischen Umweltforschungsinstitut IVL.
Sie empfiehlt grundsätzlich, vor jedem Kauf immer darüber nachzudenken, ob das entsprechende Kleidungsstück wirklich gebraucht wird. "Außerdem kann man im Freundeskreis Kleider tauschen und vielleicht Kleider, die man schon besitzt, auf neue Art stylen". Ihr abschließender Tipp: Wer dann doch neu kauft, kann darauf achten, die entsprechenden Kleider dann auch viel zu tragen – das alleine hat auch bereits eine große Wirkung auf die Klimabilanz. Schlussendlich wird sich der Klima-Impact der Modeindustrie nämlich vor allem dann reduzieren, wenn weniger neue Kleidung hergestellt wird.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 23. April 2025 | 00:00 Uhr
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