Klimaschutz und Verbraucherinteressen Wie sich Klimaschutz auf unsere Lebensmittelpreise auswirkt
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08. Januar 2025, 11:44 Uhr
Verbraucherinnen und Verbraucher befürchten, dass die Lebensmittelpreise durch Klimaschutzmaßnahmen noch weiter steigen. Eine neue Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat untersucht in welchem Maße und wer tatsächlich unter einer Preisinflation leiden würde.
Wer in diesen Tagen seinen Einkaufswagen im Supermarkt vollpackt und zum Bezahlen schreitet, verlässt die Kasse zumeist mit einem tiefen Seufzer. Lebensmittel sind teuer. Und sie werden in den nächsten Jahren vermutlich auch noch teurer werden. Das hat laut Verbraucherzentrale verschiedene Ursachen: steigende Energiekosten, schwierige internationale politische Lage, Arbeitskräftemangel, Missernten durch den Klimawandel. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Unsere Lebensmittelproduktion trägt natürlich zu letzterem leider bei.
Verbraucher befürchten höhere Lebensmittelpreise durch Klimaschutz
Die Landwirtschaft ist einer der Schlüsselsektoren, der durch unterschiedliche Maßnahmen zum Schutz des Klimas beitragen kann. Doch solche Klimaschutzmaßnahmen kosten Geld. Die Befürchtung vieler Verbraucher ist, dass die Lebensmittelpreise dadurch nochmal steigen. Doch ist das wirklich so und wenn ja, wer zahlt das? Wir an der Kasse oder der Bauer auf seinem Acker?
Wertschöpfungsketten mildern Anstieg der Verbraucherpreise ab
Eine neue Studie des Postdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt nun, dass die Art und Weise, wie Lebensmittel verarbeitet und konsumiert werden, dabei eine entscheidende Rolle spielt. Nachgelagerte Wertschöpfungsketten mildern in reicheren Ländern den Anstieg der Verbraucherpreise nämlich ab. In ärmeren Ländern dagegen stellen klimaschutzbedingte Preissteigerungen bei Lebensmitteln eine größere Herausforderung dar. Und das kommt so:
Weltweit konsumieren Menschen immer mehr tierische Erzeugnisse und stärker verarbeitete Lebensmittel. Hinzukommen Lebensmittel, die außer Haus eingenommen werden oder nicht zu Grundnahrungsmitteln zählen, sondern eher zu Genussmitteln. 2016 machten solche verarbeiteten Lebensmittel in den USA ganze 55 Prozent der Lebensmittelausgaben aus. Und es lässt sich feststellen je höher das Einkommen, umso höher auch der Konsum solcher Lebensmittel.
Landwirtschaftliche Produktionskosten machen Bruchteil des Preises aus
Dadurch machen die landwirtschaftlichen Produktionskosten in Ländern mit höherem Einkommen weniger als die Hälfte der gesamten Lebensmittelpreise aus und sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin sinken. Zum Vergleich: Lag der Anteil der Landwirtschaft, der sogenannte Farmanteil, an den Lebensmittelausgaben in den USA in den 1950er-Jahren noch bei fast 50 Prozent, ist er im Jahr 2017 schon auf unter 20 Prozent gesunken. Ein konkretes Beispiel: Bei Brot und Getreideerzeugnissen machte im Jahr 2019 der Erzeugerpreis weniger als zwei Prozent des Verbraucherpreises des verarbeiteten Lebensmittels aus.
Mittlerweile machen Verarbeitung, Verpackung, Transport und Vermarktung der Lebensmittel also den Großteil des Lebensmittelpreises aus. Kurz gesagt: Die Verbraucherpreise für Lebensmittel sind das Ergebnis mehrerer Komponenten der Wertschöpfungskette und der Bauer ist das unterste und kleinste Glied dieser Kette.
"In einkommensstarken Ländern wie den USA oder Deutschland erhalten die Landwirte weniger als ein Viertel der Ausgaben für Lebensmittel, verglichen mit über 70 Prozent im Afrika südlich der Sahara, wo die landwirtschaftlichen Kosten einen größeren Teil der Lebensmittelpreise ausmachen", sagt PIK-Wissenschaftler David Meng-Chuen Chen, Hauptautor der in Nature Food veröffentlichten Studie. "Diese Kluft unterstreicht, wie unterschiedlich die Ernährungssysteme in den verschiedenen Regionen funktionieren", so Cheng weiter.
Wandel der Ernährungssysteme und des Klimas
Die Art und Weise wie Lebensmittel produziert werden, trägt auch zum Klimawandel bei. Neben tiefgreifenden systemischen Veränderungen sind politische Maßnahmen wie die Festsetzung von Treibhausgaspreisen notwendig, um die Emissionen des Lebensmittelsystems wirksam und effizient zu senken. Doch wie wirken sich diese Maßnahmen am Ende auf die Verbraucher aus?
Die Studie von PIK-Wissenschaftler David Meng-Chuen Chen und seinen Kollegen untersuchte das anhand verschiedener Computermodelle für zwei verschiedene Szenarien. Einmal wurde geschaut, was mit den Lebensmittelpreisen passiert, wenn "Business as usual" betrieben wird und einmal, wenn ehrgeizige klimapolitische Maßnahmen ergriffen werden, die ernsthaft darauf ausgerichtet sind, das 1,5 Grad Klimaziel zu erreichen.
Menschen in reicheren Ländern spüren Preisanstieg weniger
Die Forschenden stellen fest, dass die Verbraucherpreise in reichen Ländern durch klimapolitische Maßnahmen nur um etwa das 1,25-fache steigen würden, obwohl die Erzeugerpreise bis 2050 um das 2,73-fache höher wären. Für den Verbraucher scheint das erstmal ganz gut zu klingen.
"Das bedeutet auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher von den Schwankungen der Agrarpreise weitgehend abgeschirmt sind, die durch klimapolitische Maßnahmen wie Steuern auf Umweltverschmutzung oder Regelungen zum Flächenverbrauch verursacht werden. Aber es macht auch deutlich, wie wenig die Landwirtinnen und Landwirte tatsächlich an den Lebensmitteln verdienen", gibt PIK-Wissenschaftler und Mitautor der Studie Benjamin Bodirsky zu bedenken.
Preisanstieg in ärmeren Ländern direkter spürbar
Hinzukommt auch, dass diese Effekte nicht überall auf der Welt gleich sind. In Ländern mit geringerem Einkommen würden klimapolitische Maßnahmen eine deutlich größere Auswirkung auf die Preise haben. So würden die Erzeugerpreise bis 2050 um den Faktor 3,3 steigen und die Verbraucherpreise um den Faktor 2,45. Zwar sind die Verbraucherpreise ebenso wie in reicheren Ländern geringer als die Erzeugerpreise, doch macht es sich für Menschen dort deutlicher bemerkbar.
Der Grund dafür sind deutlich kürzere Wertschöpfungsketten. Viele der Lebensmittel in ärmeren Ländern sind weniger stark verarbeitet, durchlaufen also viel weniger Stationen und sind somit dichter am Erzeuger, der die Preissteigerung quasi direkt an seine Kunden weitergibt. Hinzukommt, dass der Anteil der Lebensmittelausgaben gemessen am Einkommen die Menschen hier viel größer ist, als bei Menschen in reicheren Ländern und dass hier auch viel mehr Grundnahrungsmittel und weniger verarbeitete Lebensmittel konsumiert werden. Für eine gerechte Umsetzung globaler Emissionspreise müssten diese Aspekte in Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit also berücksichtigt werden.
Bedeutet Klimaschutz Verluste für Bauern und Verbraucher?
Nun könnte man meinen, dass die klimapolitischen Maßnahmen sowohl den Bauern als auch den Verbrauchern, vor allem in ärmeren Ländern schaden und man es im Zuge der Nahrungsmittelsicherheit einfach dabei bewenden lassen sollte. Das wäre allerdings ziemlich kurzsichtig gedacht, denn langfristig sind klimapolitische Maßnahmen zur Sicherung der Agrar- und Ernährungssysteme unerlässlich.
"Ohne ehrgeizige klimapolitische Maßnahmen und Emissionsreduzierungen werden die Folgen eines ungebremsten Klimawandels, wie Ernteausfälle und Unterbrechungen der Lieferketten, die Lebensmittelpreise wahrscheinlich noch weiter in die Höhe treiben. Die Klimapolitik sollte Mechanismen vorsehen, die allen eine schonende Transformation ermöglichen, wie etwa faire CO2-Preise, finanzielle Unterstützung für besonders vulnerable Regionen und Bevölkerungsgruppen sowie Investitionen in nachhaltige Anbaumethoden", sagt Hermann Lotze-Campen, Leiter der Forschungsabteilung "Klimaresilienz" und ebenfalls Autor der Studie.
Unterstützung vulnerabler Bevölkerungsgruppen ist möglich
Diese vulnerablen Bevölkerungsgruppen, also etwa Menschen mit geringerem Einkommen, müssen nicht zwangsläufig unter der Preisinflation bei Lebensmitteln leiden. So zeigte zum Beispiel eine frühere Studie des PIK, dass die ärmeren Haushalte trotz höherer Lebensmittelpreise netto bessergestellt wären, wenn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zur Unterstützung der einkommensschwächeren Menschen verwendet würden. Denn so hätten sie dann ein höheres Einkommen zur Verfügung. Es gibt also Mittel und Wege Klimaschutz und die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher unter einen Hut zu bekommen.
Links/Studien
Nature food: Future food prices will become less sensitive to agricultural market prices and mitigation costs
Nature climate change: A sustainable development pathway for climate action within the UN 2030 Agenda
jes
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 17. Dezember 2024 | 19:30 Uhr
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