Große Fragen in 10 Minuten Wie sieht der Krieg der Zukunft aus?
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19. Februar 2025, 14:57 Uhr
Mit dem Krieg in der Ukraine liegt immer irgendwie die Gefahr in der Luft, dass der Konflikt auch größer werden könnte, dass die Supermächte, dass Russland und die Nato aneinandergeraten könnten. Wie würde so ein Krieg aussehen, wenn er denn ausbrechen würde? Welche Rolle würden KI, neue Waffensysteme, digitale Kriegführung spielen?
Eigentlich möchte man über dieses Thema gar nicht reden. Man möchte nicht über einen künftigen Krieg nachdenken, geschweige denn möchte man, dass es einen gibt. Andererseits: Wenn von Überschallraketen die Rede ist, die niemand mehr abfangen kann, wenn von Drohnenschwärmen die Rede ist, wenn Handydaten geortet und dann Unterkünfte von Soldaten bombardiert werden, wenn von Killersatelliten die Rede ist, von KI gesteuerten Systemen und vom Cyberwar – also dem digitalen Krieg – dann sind das schon ein paar Dinge, über die man nachdenken muss.
Womit rechnen Militärs, wenn sie über einen nächsten großen Krieg nachdenken? Welche Szenarien werden durchgespielt und was zeigt sich bereits im laufenden Konflikt in der Ukraine?
Zerstörung der digitalen Infrastruktur
Hendrik Remmel ist Militäranalyst bei der Bundeswehr, am Institut für Verteidigung und strategische Studien. Wohlgemerkt, er ist kein Science-Fiction-Autor: "Schon heute müssen wir festhalten, dass der nächste große Krieg mit Sicherheit im Weltraum beginnen wird." Er wird aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht mit einem großen Knall beginnen. Wir werden erstmal merken, dass unsere Handys nicht mehr funktionieren und unser Navi spinnt. Denn mittlerweile laufen nicht nur für alle modernen Armeen dieser Welt, sondern auch für die zivile Kommunikation alle Fäden in der Erdumlaufbahn zusammen – über GPS-, Kommunikations- und Spionagesatelliten.
Schon heute müssen wir festhalten, dass der nächste große Krieg mit Sicherheit im Weltraum beginnen wird.
"Also wenn wir voll digitalisierte Streitkräfte haben, sind wir auf unseren Kommunikationskanälen, in der Teilung eines Lagebildes primär von Satellitensystemen, die entweder bildgebend arbeiten oder als Kommunikationssatelliten arbeiten, abhängig", so Remmel. Das ist das Szenario, das wir aus dem Film The world we left behind kennen, als Riesentanker auf Strände fahren, weil das GPS nicht mehr funktioniert, Radio und Fernsehen plötzlich tot sind und keiner mehr anrufen kann. Es geht im Krieg der Zukunft zunächst darum, die gegnerischen Armeen blind, taub, orientierungslos und damit möglichst handlungsunfähig zu machen. Der Plan ist, die gesamte digitale Infrastruktur des potentiellen Gegners lahmzulegen: Satelliten zu rammen, zu sprengen, abzuschießen, Kommunikationskanäle zu stören: "Es gibt durchaus Stimmen, die sagen, dass es im Grunde genommen gar nicht mehr zu den großen konventionellen Kampfhandlungen kommt, weil Streitkräfte bereits im Vorfeld handlungsunfähig gemacht werden."
Funktioniert ein Krieg in der Zukunft ohne Zerstörung? Nein.
Hendrik Remmels Worte hören sich so an, als könnte man künftig einen großen Krieg führen, ohne dass eine Scheibe zu Bruch gehen würde. Aber das stimmt so nicht – auch der Krieg in der Ukraine fing mit einem Cyberangriff an und wir wissen, wie die Städte und Dörfer jetzt aussehen:
"Also wir hatten gleich am ersten Tag im Krieg gegen die Ukraine einen großen Cyberangriff, auf Internetkonnektivität. Der hat auch funktioniert. Der hat ja auch in Deutschland Windkraftanlagen lahmgelegt und all sowas. Aber seitdem ist es dazu gekommen, dass sehr viele Cyberattacken zurückgewiesen wurden und das deshalb nicht so ein großes Thema war." Das sagt Politikwissenschaftlerin Ulrike Franke, sie beschäftigt sich mit Fragen der europäischen Sicherheit und neuen Technologien der Kriegführung. Sie sagt, der Krieg gegen digitale Infrastrukturen – militärische wie zivile – wird eine zentrale Rolle spielen.
Wie Corona, nur schlimmer? Wir sind auf Kriegsumstände mental nicht vorbereitet
"Und wenn der Strom ausfällt wegen eines Cyberangriffs, dann kann man nicht mehr einkaufen gehen, dann kann man kein Geld abheben. Dann sitzt man im Dunkeln, im Kalten. Es ist die Sorge, dass ein Cyberangriff ein Land in kürzester Zeit in die Steinzeit bringen könnte." Da ist rein theoretisch noch nichts kaputtgegangen und trotzdem funktioniert nichts mehr. Alles aus und vorbei. Die Klospülung funktioniert nicht mehr, aus dem Hahn kommt kein Wasser, keine automatische Tür im Supermarkt geht mehr auf, die Zapfsäulen haben keinen Strom mehr. Das wäre der schlimmste Fall nach einem Cyberangriff. Wie gesagt, in der Ukraine hat das nicht funktioniert. Aber die Gefahr besteht, sagt Hendrik Remmel:
"Also sehr schnell kommt man dort in Szenarien und das ist das Entscheidende, ohne dass ein einziger Schuss gefallen ist, kommen Gesellschaften an ihre strukturelle Belastungsgrenze. Darauf sind wir in Deutschland und viele andere europäische Nationen – die skandinavischen und baltischen mal außen vor – auch mental überhaupt nicht vorbereitet." Das sind wir definitiv nicht, wenn man sich vorstellt, was hier passiert, wenn nichts mehr funktioniert, wie die Bevölkerung durchdreht. Man erinnere sich nur an Corona, das Klopapier und die Nudeln.
Wenn der Strom ausfällt wegen eines Cyberangriffs, dann kann man nicht mehr einkaufen gehen, dann kann man kein Geld abheben. Dann sitzt man im Dunkeln.
Der Krieg hinter der Front, der Krieg gegen die Zivilbevölkerung, spielt im Krieg der Zukunft eine ganz andere Rolle als früher. Die Zivilbevölkerung wird als wichtiger Faktor in der Kriegsführung benutzt. Es wird sogar behauptet, dass diese Art des Krieges schon läuft. Dass wir uns bereits mittendrin befinden. Dass versucht wird, jetzt schon Infrastrukturen zu stören, herauszufinden, wo die Schwachstellen sind.
"Graue Kriegsführung" schon jetzt?
Hendrik Remmel: "Das, was wir im Grunde jetzt schon sehen, ist eine unterschwellige, schwer adressierbare Aggression Russlands in den Raum der westlichen Demokratien, im Cyberraum. Das passiert jeden Tag. Russland greift jeden Tag deutsche Firmen, deutsche staatliche Server mit Cyberattacken an, jeden Tag." Ulrike Franke nutzt da sogar spezielle Formulierungen wie "graue Kriegsführung" oder "Nonpeace", "… oder wie man das auch nennen will. Also die Idee, dass selbst in Zeiten, in denen vielleicht kein militärischer Konflikt stattfindet, es immer auf einem niedrigen Level irgendwelche Angriffe gibt: Cyberangriffe, Drohnenüberflüge oder Ähnliches."
Was man aber sicher sagen kann, ist, dass es bei Cyberattacken nicht bleiben wird. Die dienen dazu, die Streitkräfte handlungsunfähig zu machen und Infrastrukturen lahmzulegen. Um dann möglichst, ohne große Gegenwehr oder einen atomaren Gegenschlag, befürchten zu müssen, zuschlagen zu können, einzumarschieren. Und der Krieg in der Ukraine zeigt, sagen Hendrik Remmel und Ulrike Franke mit fast identischen Formulierungen, dass wir einen High-Tech-Krieg sehen, in dem immer noch Spaten, Pistolen und MPs zum Einsatz kommen, Panzer aus den Sechzigern und Siebzigern und Städte in Schutt und Asche gelegt werden: Man sehe den Soldaten, der im Schützengraben liegt wie im Ersten Weltkrieg und wenige Meter über ihm kann der vollelektronische Drohnenschwarm schweben, den wir uns vor fünf bis sechs Jahren nicht vorstellen konnten.
Drohnen im Krieg: Täglich 24 Stunden unter Beobachtung
Was uns die Ukraine bietet, ist ein Vorgeschmack auf den Einsatz von Drohnen in künftigen Konflikten. Hundertausende, Millionen von Drohnen waren und kommen zum Einsatz. Drohnen, die man einfach im Internet kaufen kann oder selbst zusammenbasteln. Sie verändern die Kriegsführung entscheidend. Damit besteht auch die Möglichkeit, 24 Stunden am Tag aus der Luft beobachtet und gesehen zu werden – insbesondere große Truppenteile. Das habe auch einen psychologischen Einfluss, weil man sozusagen nirgendwo mehr sicher ist – auch nicht hinter der Frontlinie. Drohnen werden zudem eingesetzt, um jetzt auch weit hinter der Frontlinie Angriffe zu fliegen.
Was wir in aktuellen Konflikten noch nicht sehen und in absehbarer Zeit auch nicht sehen werden, sind KI-gesteuerte Killermaschinen. Rein technologisch wäre sowas schon umsetzbar. Aber zum einen gibt es gerade in westlichen Armeen ethische Diskussionen, zum anderen dauert die Herstellung und Beschaffung neuer Waffensysteme Jahrzehnte.
MDR, km
Dieses Thema im Programm: MDR | Die großen Fragen in 10 Minuten | 19. Februar 2025 | 12:00 Uhr
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