Grund und Boden Bauer, Agrarkonzern, Genossenschaft – Wem gehört heute das Land?
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02. Oktober 2024, 17:13 Uhr
Drei Forscher aus Halle haben zum ersten Mal für ein ganzes Bundesland die Eigentumsverhältnisse bei landwirtschaftlich genutzten Flächen erfasst. Mehr als die Hälfte des Landwirtschaftsbodens in Brandenburg ist demnach in Privatbesitz, wird aber nicht vom Besitzer selbst bewirtschaftet. Landwirtschaftlichen Akteuren gehören 35 Prozent der Flächen.
Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft und in ländlichen Räumen. Die drei IAMO-Forscher Clemens Jänicke, Alfons Balmann und Daniel Müller wollten nun Wissensgrundlagen für zum Teil hitzig geführte Debatten liefern. In diesen Debatten um den landwirtschaftlichen Bodenmarkt in Deutschland mehren sich Forderungen nach einer stärkeren Regulierung, schreiben die Forscher, "wobei besondere Probleme im Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch landwirtschaftsfremde Investoren und in der Entstehung von Agrarkonzernen durch Übernahmen größerer Betriebe gesehen werden."
Bislang lagen aus Sicht der Forscher nur unzureichende Informationen zur tatsächlichen Eigentumskonzentration und Eigentumsstrukturen auf dem Bodenmarkt vor. Zumindest für ein Bundesland, nämlich Brandenburg, haben sie das nun geändert. Die aufwändige Recherche im Amtlichen Liegenschaftskataster (ALKIS), einer großen Unternehmensdatenbank (Dafne) und verschiedenen anderen Quellen ergab, dass es zumindest in Brandenburg keine allzu starke Eigentumskonzentration gibt.
Der typische Besitzer von Brandenburger Landwirtschaftsflächen ist demnach ein Privatmensch mit durchschnittlich vier Hektar Land, der diesen Boden an landwirtschaftliche Betriebe verpachtet. Mehr als die Hälfte aller Böden gehört solchen Einzelpersonen, die das Land nicht selbst bewirtschaften. Landwirtschaftlich aktive Personen und Unternehmen besitzen dagegen "nur" 35 Prozent der Flächen. Der Rest verteilt sich auf Institutionen wie zum Beispiel Kirchen, Vereine und Verbände.
Die 52 Prozent in nicht selbst bewirtschaftetem Privatbesitz verteilen sich auf insgesamt etwa 175.000 Eigentümer. Das Landeigentum ist also sehr stark fragmentiert. "Besondere Gründe", schreiben die Forscher, "dürften in der Bodenreform nach Ende des Zweiten Weltkrieges, der Kollektivierung und der fehlenden Möglichkeit einer Konsolidierung der Eigentumsflächen zu DDR-Zeiten sowie der Rückgabe der Flächen an die ursprünglichen Eigentümer:innen oder ihrer Nachfahren nach der deutschen Wiedervereinigung liegen."
Gegenüber den 175.000 Eigentümern mit durchschnittlich vier Hektar Land seien in Brandenburg laut Agrarstrukturerhebung 5.413 landwirtschaftliche Betriebe gemeldet, die dann im Mittel aber 242 Hektar bewirtschaften.
Insgesamt keine hohe Eigentumskonzentration
Ebenfalls untersucht wurde, ob es Eigentümer gibt, die in ihrem Umkreis absolut marktbeherrschend sind. Laut den Forschern habe sich in früheren Studien gezeigt, dass ein regionaler Flächenanteil von mindestens 40 Prozent ein guter Gradmesser dafür ist.
In Brandenburg erstreckt sich das Eigentum der größten Unternehmensnetzwerke gemäß Untersuchung aber meist über viele verschiedene Gebiete. In Regionen, wo sich die meisten Eigentumsflächen eines Unternehmens befinden, wurden dann auch erhöhte Konzentrationen gemessen. Aber je nach Unternehmensnetzwerk variierten die Marktanteile nur zwischen sieben und 27 Prozent. Die 40-Prozent-Marke wurde somit von keinem der Unternehmensnetzwerke überschritten. "Unsere Ergebnisse können also die Befürchtungen einer aus Marktmachtperspektive zu starken Eigentumskonzentration nicht bestätigen", folgern die Forscher.
Dass sie damit mancher "gefühlten" Wahrnehmung widersprechen, ist ihnen bewusst. Aber wie sie schreiben, "scheint die öffentliche Wahrnehmung vielmehr geprägt zu sein durch Einzelfälle von spektakulären Unternehmensaufkäufen, die von den Medien aufgegriffen werden, und der stark konsolidierten und sichtbaren Landnutzung, als von der darunter liegenden fragmentierten Eigentumsstruktur."
Die Analyse liefere insofern auch eine mögliche Erklärung dafür, warum in Brandenburg trotz erheblicher Anstiege der Kauf- und Pachtpreise deren bisher erreichtes Niveau im Vergleich zu Westdeutschland nach wie vor eher niedrig ist. "Dies verdeutlicht, dass eine integrierte Betrachtung der Landnutzungskonzentration und der Eigentumskonzentration notwendig ist, um ein komplettes Bild der Verhältnisse am Bodenmarkt zu bekommen."
Forderung nach mehr Daten und mehr Transparenz
Die Arbeit ist "die erste flächendeckende Untersuchung von Eigentumsstrukturen und Eigentumskonzentration für ein ganzes Bundesland in Deutschland", wie die drei Wissenschaftler aus Halle schreiben. Um auf einer gesicherten Faktenlage politisch diskutieren und agieren zu können, wäre aber aus ihrer Sicht noch viel mehr nötig.
So bezieht sich die aktuelle Analyse nur auf einen bestimmten Stichtag, in diesem Fall den 20. November 2020, was zeigt, wie langwierig und schwierig die Erfassung und Auswertung der Daten war. "Ein leichterer Zugang zu den Eigentumsdaten verschiedener Zeitpunkte unter Beachtung datenschutzrechtlicher Aspekte kann helfen, die Politik bei Eingriffen in den Bodenmarkt und in die Agrarstrukturen zu unterstützen", schreiben die Autoren.
Auch könnte aus ihrer Sicht mehr Transparenz auf dem Kauf- und Pachtmarkt helfen, um die Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer zu verbessern und Informationsvorsprünge einiger Marktakteure zu vermeiden. "Somit wäre ein verbesserter Zugang zu den amtlichen Liegenschaftskatasterdaten und den Daten aus dem InVeKoS ("Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem", Anm. d. Red.) ein wichtiger Schritt, um mehr Transparenz zu schaffen. Denkbar wären ebenso eine Offenlegung von Pachtverträgen oder von Anteilserwerben an Unternehmen mit Bodeneigentum."
Links / Studien
Der Report mit dem Titel "Wem gehört das Land" kann bei "AgEcon Search" kostenfrei eingesehen und heruntergeladen werden.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 02. Oktober 2024 | 11:31 Uhr
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