Soziale Medien und Depression bei Jugendlichen Wer trägt das größte Risiko?
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30. Juni 2024, 12:00 Uhr
Ein Leben ohne soziale Medien ist für Teenager nicht mehr denkbar. Rund zweieinhalb Stunden täglich verbringen sie hierzulande auf TikTok, Instagram & Co. Welche Auswirkungen das auf ihre mentale Gesundheit hat, ist noch längst nicht ausreichend erforscht. Doch es gibt Studien, die einen Zusammenhang zu Depressionen nahelegen. Wer ist besonders gefährdet und was schützt vor diesen negativen Auswirkungen?
Diese Frage stellten sich Justin Dyer, Pädagogikprofessor an der Brigham Young University (Provo,USA) und sein Team. Für eine Langzeitstudie beobachteten die Forschenden das Nutzungsverhalten, das Allgemeinbefinden und die Stimmung von 488 in den USA lebenden Jugendlichen. In einer jährlichen Befragung gaben vor allem diejenigen mit einer Aktivität von mehr als drei Stunden täglich Symptome an, die auch bei einer Depression auftreten: Antriebslosigkeit, Reizbarkeit, Angst und Missmut oder Appetitlosigkeit.
Auffallend war, dass diese Anzeichen nicht bei allen gleichermaßen auftraten, obwohl sie soziale Medien in gleichem Umfang nutzten. Also suchten die Studienautoren nach einer individuellen Erklärung und betrachteten die jeweiligen Lebensumstände. Das Ergebnis: Es waren vor allem diejenigen von Depressionssymptomen betroffen, die kein gutes Verhältnis zu ihren Eltern hatten und deren Mütter und Väter keinen Einfluss auf die Mediennutzung ihrer Kinder nahmen. Auch Missachtung und Mobbing durch Gleichaltrige, ein geringes Selbstwertgefühl und Stress beeinflussten offenbar das mentale Wohlbefinden negativ.
Unterstützung im realen Leben ist maßgebend
Diese Ergebnisse bestätigten, dass man mehrere Faktoren bedenken müsse, wolle man den Einfluss von sozialen Medien auf Teenager erforschen, betont Studienleiter Dyer. „Wenn es eine enge Bindung zu Freunden und Eltern im realen Leben gibt, wenn Mütter und Väter ihre heranwachsenden Kinder in der Mediennutzung begleiten und die tägliche Nutzungszeit drei Stunden pro Tag nicht überschreitet, können soziale Medien auch in diesem Alter eine gute Sache sein.“, räumt der Pädagoge ein.
"Soziale Medien können auch im Teenageralter eine gute Sache sein."
Immerhin haben soziale Netzwerke das Potenzial, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, bei der Identitätsbildung zu unterstützen und die Kreativität zu fördern. Denn auf den Plattformen sind die meisten Jugendlichen nicht nur Konsumenten, sondern sie produzieren darüber hinaus auch eigene Inhalte. Durch Texte und Bilder bringen sie ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck. Nehmen Eltern daran Anteil, können sie viel darüber lernen, was ihr Kind gerade bewegt und sie können Tipps geben, wie es seine Privatsphäre schützen kann. Die Vernetzung und das Teilen von Inhalten können auch helfen, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, durch Chatgruppen mit Freunden und mit der Familie.
Sich ausprobieren, aber nicht allein
Soziale Netzwerke, Blogs und Messenger sind auch Probebühne fürs Leben. Wie stelle ich mich dar? Was kommt bei anderen an und was nicht? Die Rückmeldungen Gleichaltriger dazu helfen Teenagern dabei, ihre Identität zu finden, und sie können das Gefühl vermitteln, dazuzugehören. Bei ausgefallenen Interessen oder Hobbys, aber auch Sorgen und Problemen finden sich über die Plattformen schneller andere, mit denen sie sich austauschen können. Was aber, wenn es negative Rückmeldungen gibt, vielleicht sogar Hasskommentare? Damit umgehen zu lernen – auch dabei können Eltern unterstützen, genau wie sie Sicherheitstipps fürs Chatten geben können, etwa genau zu überlegen, mit wem man welche Inhalte teilt.
Viele Forschungsfragen offen
Obwohl es soziale Netzwerke seit gut 20 Jahren gibt, sind die Zusammenhänge von Nutzung und Auswirkung auf die mentale Gesundheit recht wenig erforscht. Viele Studien liefern zwar Hinweise auf statistische Auffälligkeiten, doch neurowissenschaftlich liegen im Gegensatz zur exzessiven Handynutzung kaum Erkenntnisse dazu vor.
Umso wichtiger ist es, dass Eltern versuchen, mit ihren Söhnen und Töchtern im Gespräch zu bleiben, so dass sie einen Überblick darüber behalten, wie lange die Jugendlichen welche Plattformen nutzen und dass sie schauen, wie es dem Nachwuchs insgesamt geht. Schaden die ständigen Vergleiche mit anderen dem Selbstwertgefühl? Ist die intensive Mediennutzung eine Flucht aus der Realität und verstärkt sie Ängste, Antriebslosigkeit, Reizbarkeit und Missmut, die in der sensiblen Phase der Pubertät durchaus vorkommen können? Diese Zuwendung kann Teenager vor negativen Auswirkungen sozialer Medien schützen und auch vor dem Risiko, dass sich diese depressiven Symptome verstärken.
Links/Studien
Studie zur Nutzung sozialer Medien und Anzeichen von Depressionen bei Erwachsenen, Havard Medical School Boston
Studie der Technischen Universität für Wissenschaft und Technologie Trondheim/Norwegen findet keinen Zusammenhang zwischen Nutzung sozialer Medien und Depression bei Jugendlichen.
krm
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten | 29. Mai 2024 | 16:30 Uhr
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