
Studie in 22 Ländern Der Versuch, Glück, Zufriedenheit und ein erfülltes Leben messbar zu machen
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30. April 2025, 16:21 Uhr
Haben Sie schon von "Flourishing" gehört? Es steht für das Gedeihen von Menschen und ihren Lebenssystemen. Und es soll ein neuer messbarer Wert für Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden sein. Eine internationale Forschungsgemeinschaft will Menschen in 22 Ländern der Welt über mehrere Jahre hinweg befragen und die Entwicklung ihres "Glücklichseins" auswerten. Die ersten Daten wurden nun veröffentlicht. Laut denen sind die Menschen in Indonesien am glücklichsten. Deutschland liegt im Mittelfeld.
Nur etwas mehr als einen Monat ist es her, da haben wir zum wiederholten Male erfahren, dass in Finnland und den anderen skandinavischen Ländern die Menschen am glücklichsten sind. Es kann aber sein, dass das gar nicht stimmt. Denn wie misst man Glück und Zufriedenheit eigentlich?
Eine internationale Forschungsgruppe hat nun einen Ansatz gewählt, der zu völlig anderen Ergebnissen kommt. Zwar wurden da nur 22 Länder untersucht. Aber Schweden als Vertreter Skandinaviens schmierte ziemlich ab, selbst Deutschland ist besser. Und auf Platz 1 liegt nach Punkten plötzlich Indonesien, das im World Happiness Report noch Platz 83 einnahm.
Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass die Studienautoren selbst finden, dass ihre Daten nicht für ein Länderranking geeignet sind. Sie begründen das zum Beispiel mit methodischen Aspekten der Datenerhebung und mit kulturell möglicherweise unterschiedlichen Verständnissen, was die verwendeten Indikatoren betrifft. Eine Tendenz, wo auf der Welt Menschen besonders viel Glück, Zufriedenheit und Erfüllung verspüren, geben die Punkte aber dennoch her.
Was soll "Flourishing" bedeuten?
Die Forscher etablierten den englischen Begriff "flourishing" für die Gesamtheit von dem, was sie an Glück, Zufriedenheit und so weiter untersuchten. Wörtlich übersetzt bedeutet "flourishing" so viel wie Gedeihen, Blühen oder Florieren. Definiert wird es als das relative Erreichen eines Zustands, in dem alle Aspekte des Lebens eines Menschen gut sind, einschließlich der Umstände, in denen dieser Mensch lebt.
Dafür wurden sechs zentrale Bereiche definiert: Glück und Lebenszufriedenheit, mentale und körperliche Gesundheit, Sinn und Zielorientierung, Charakter und Tugend, enge soziale Beziehungen, finanzielle und materielle Stabilität. Um kulturelle Vielfalt abzubilden, wurden in die Studie außerdem aufgenommen: Balance und Harmonie, Positivzustände wie Gelassenheit und innerer Frieden, kollektive Wohlbefindensaspekte, Elemente der Selbstbestimmung (Autonomie, Kompetenz, Zugehörigkeit), Religiosität und Spiritualität, Naturverbundenheit, Altruismus.
Zu all diesen Themenkomplexen wurden mehr als 200.000 Personen in 22 Ländern befragt, die geografisch und kulturell möglichst viele Teile der Welt repräsentieren sollten. Es waren mehr als 100 Fragen oder Aufgaben, meist nach dem Schema "Geben Sie auf einer Skala von 0 bis 10 an, wie sehr das Folgende auf Sie zutrifft". 43 davon mussten die Teilnehmer nur einmal zu Beginn beantworten (zum Beispiel zu ihren Lebensumständen), weitere 71 werden ihnen jedes Jahr einmal vorgelegt – und das für mindestens fünf Jahre, so dass man am Ende der Studie auch zeitliche Entwicklungen auswerten können wird. Zudem werden alle Daten offen zugänglich sein.
Ergebnisse der ersten Befragungen: Geht es jungen Erwachsenen am schlechtesten?
Fast überall auf der Welt gilt: Menschen, die eine Arbeit haben, die verheiratet sind oder die regelmäßig an religiösen Zusammenkünften teilnehmen, halten ihr Leben zumeist durchschnittlich für erfüllter als die jeweiligen Vergleichsgruppen. Für Leonie Steckermeier, Juniorprofessorin für Angewandte Soziologie an der TU Kaiserslautern-Landau, sind diese Teilergebnisse der Studie nicht überraschend.
Eines aber findet die Soziologin erstaunlich: "Bisherige Forschung hat für das subjektive Wohlbefinden im Lebensverlauf einen U-Verlauf nachweisen können, nach dem es jüngeren und älteren Menschen besser geht als Menschen in der Lebensmitte, im sogenannten mid-life-dip. In den vergangenen Jahren mehrt sich jedoch die Evidenz, dass jüngere Alterskohorten sowohl in ihrem subjektiven als auch in ihrem mentalen Wohlbefinden deutlich hinter dem Niveau früherer Generationen zurückbleiben."
Und tatsächlich ergibt sich aus der Studie nicht die typische U-Form, sondern fast ein stetiger Anstieg des "Flourishings" mit zunehmendem Alter. Die aktuell jungen Erwachsenen sind in vielen Ländern die Schlusslichter, auch bei den mehr als 9.500 Befragten aus Deutschland.
Ihre ganze Kraft wird die Studie erst später entfalten, wenn man nach weiteren Befragungen derselben Teilnehmer auch zeitliche Entwicklungen auswerten kann, was in der Soziologieforschung ein echter Fortschritt ist. Leonie Steckermeier sagt, bislang gebe es zu diesem Thema entweder Längsschnittbetrachtungen über die Zeit für nur ein Land oder aber einen Ländervergleich im Querschnitt für nur einen bestimmten Zeitpunkt. Kombinationen beider Ansätze würden weitgehend fehlen. Die "Global Flourishing Study" setze genau da an: "Als fünfwellige repräsentative Längsschnittstudie in 22 Ländern weltweit zielt sie auf die umfassende Erfassung individuellen Wohlbefindens ab."
Links / Studien
Nature Portfolio "Global Flourishing Study – Wave I" (mehrere Artikel und Teilauswertungen der Studie)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. April 2025 | 12:13 Uhr
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