Magnetfeld brach zusammen Naturkatastrophe: Polsprung vor 42.000 Jahren löste Massensterben aus

20. Februar 2021, 15:00 Uhr

Ein Zusammenbruch des Erdmagnetfeldes sorgte vor 42.000 Jahren weltweit für dramatische Klima- und Umweltveränderungen. Ganze Kontinente veränderten ihr Antlitz. Massen von Tier- und Pflanzenarten starben für immer aus. Eine Studie dokumentiert erstmals detailliert, was an diesem Wendepunkt der Erdgeschichte geschah.

Gewaltige elektrische Stürme, "Polarlichter" über dem ganzen Globus, extreme UV-Werte, globale Klima- und Umweltveränderungen mit Massenaussterben: Was die Menschen vor 42.000 Jahren erlebten, muss ihnen wie das Ende ihrer Tage vorgekommen sein. Auslöser der dramatischen Ereignisse war die bislang letzte Umkehrung des Erdmagnetfeldes, ein sogenannter Polsprung. Für 800 Jahre tauschten Nord- und Südpol ihre Position, wobei das Magnetfeld der Erde auf 28 Prozent der heutigen Stärke reduziert wurde.

Als die Pole wanderten, war es am schlimmsten

Doch am dramatischsten war die Zeit direkt vor der Polumkehrung, als die Magnetpole über die Erde wanderten. Die Magnetosphäre unseres Planeten brach während dieser als "Adams Event" bezeichneten Phase auf null bis sechs Prozent der heutigen Stärke zusammen. "Wir hatten im Grunde überhaupt kein Magnetfeld - unser Schutzschild gegen kosmische Strahlung war völlig weg", beschreibt Chris Turney, Professor an der University of New South Wales, die Situation vor 42.000 Jahren.

40.000 Jahre alte Kauri-Bäume

Kauri-Baumstamm aus Ngawha New Zealand
Uralter Kauri-Baumstamm aus Ngāwhā, Neuseeland. Bildrechte: Nelson Parker

Turney ist einer der Hauptautoren einer in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie, die erstmals Zeitpunkt und Umweltauswirkungen der letzten magnetischen Polverschiebung genau dokumentiert hat. Möglich wurde das durch uralte Kauri-Bäume aus Neuseeland, die seit über 40.000 Jahren in Sedimenten erhalten sind. Mit ihrer Hilfe konnte der atmosphärische Radiokohlenstoffgehalt, der durch den Zusammenbruch des Erdmagnetfeldes verursacht wurde, ermittelt werden. Durch die genaue Analyse der Kauri-Baumringe gelang es den Forschern, eine detaillierte Zeitskala zu erstellen, wie sich die Erdatmosphäre in dieser Zeit veränderte.

Umweltveränderungen auf der ganzen Welt

Die Forscher verglichen diese Zeitskala danach mit Aufzeichnungen über Umweltveränderungen in Höhlen, Eisbohrkernen und Torfmooren auf der ganzen Welt. Mithilfe globaler Klimamodelle fanden sie heraus, dass das Wachstum von Eisschilden und Gletschern in Nordamerika, aber auch große Verschiebungen in den Wind- und Luftdruckgürteln der Erde und bei tropischen Sturmsystemen auf das "Adams-Ereignis" zurückzuführen sind.

Australiens Megafauna verschwindet

Riesenwaran Megalania
Beim Aussterben der australischen Megafauna verschwand auch der Riesenwaran Megalania. Bildrechte: imago/StockTrek Images

Einer der ersten Anhaltspunkte der Forscher war das gleichzeitige Aussterben der Megafauna auf dem australischen Festland und auf Tasmanien vor 42.000 Jahren. Ungefähr zur gleichen Zeit verwandelte sich Australiens Umwelt in die heute bekannte überwiegend aride Form aus Wüsten und Trockensteppen. Auch evolutionäre Rätsel wie das Aussterben der Neandertaler und das plötzliche Auftauchen figurativer Kunst in Höhlen auf der ganzen Welt könnte nach Ansicht der Studienautoren auf das "Adams-Ereignis" zurückgehen.

Polarlichter, Elektro-Stürme und extreme UV-Strahlung

Aurora Borealis, Nordlicht
Das Nordlicht Aurora Borealis: Schillernde Lichtspiele gab es vor 42.000 Jahren auf dem gesamten Globus. Bildrechte: IMAGO / CHROMORANGE

Die mit dem Wegfall des Magnetfeldes ungehindert in die Atmosphäre eindringende kosmische Strahlung habe Luftpartikel zerrissen, Elektronen getrennt und Licht emittiert, erklärt Turney: "Die ionisierte Luft 'brutzelte' die Ozonschicht und löste eine Welle des Klimawandels auf dem gesamten Globus aus." Schillernde Lichtspiele waren über den ganzen Globus zu sehen. Aber auch häufige elektrische Stürme und ein extremer Anstieg der UV-Werte waren die Folge.

Flucht in die Höhlen

Aborigines Hand-Abdruck in Höhle
Roter Ocker-Handabdruck in einer Höhle in Australien. Bildrechte: IMAGO / UIG

Die Studienautoren vermuten, dass die dramatischen Umweltveränderungen die frühen Menschen veranlassten, mehr Schutz in Höhlen zu suchen. Auch das plötzliche Auftreten von Höhlenmalereien auf der ganzen Welt vor etwa 42.000 Jahren könnte dadurch erklärt werden. Nach Ansicht von Studien-Co-Autor Prof. Alan Cooper vom South Australian Museum könnte vor allem der starke Anstieg der UV-Werte während der Sonneneruptionen Höhlen zu wertvollen Schutzräumen gemacht haben: "Das weit verbreitete Höhlenmalerei-Motiv der roten Ocker-Handabdrücke könnte darauf hindeuten, dass es als Sonnenschutzmittel verwendet wurde, eine Technik, die heute noch von einigen Gruppen angewendet wird."

Folgen heute wären enorm

Die Menschen heute könnten sich immerhin in ihre festen Häuser zurückziehen. Viel Freude hätten sie dort aber nicht. "Würde sich ein ähnliches Ereignis heute ereignen, wären die Folgen für die moderne Gesellschaft enorm. Die eintreffende kosmische Strahlung würde unsere elektrischen Stromnetze und Satellitennetze zerstören", warnt Turney.

Völlig utopisch ist die Horrorvision von einer drohenden Polumkehr nach Meinung einiger Wissenschaftler jedenfalls nicht. Mit Sorge beobachten sie die derzeitige schnelle Bewegung des magnetischen Nordpols über die nördliche Hemisphäre. "Diese Geschwindigkeit - neben der Abschwächung des Erdmagnetfeldes um etwa neun Prozent in den letzten 170 Jahren - könnte auf eine bevorstehende Umkehrung hinweisen", erklärt Turneys Kollege Cooper.

(dn)

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