Plastiglomerat Künstliche Steine aus Plastikmüll bedrohen Gesundheit der Meere
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24. Juli 2023, 16:08 Uhr
Wenn Plastikmüll an Stränden verbrannt wird und sich das geschmolzene Material mit natürlichen Komponenten aus Korallenschutt verbindet, entsteht eine Art Gestein - sogenanntes Plastiglomerat. Forschende aus Kiel und Indonesien haben diese spezielle Form des Plastikmülls genauer untersucht und warnen: Dieses künstliche Gestein ist besonders gefährlich für die Küstenökosysteme, denn es zerfällt schneller zu Mikroplastik und ist zusätzlich noch mit organischen Schadstoffen belastet.
Während Plastikmüll an den Stränden Europas häufig eingesammelt und entsorgt wird, sieht es in anderen Teilen der Welt ganz anders aus. Hier ist die Abfallentsorgung weniger streng geregelt und die Kunststoffe landen mitunter auch an den Stränden. An einigen Küsten lagern die Abfälle dort einige Monate bis Jahre. Oftmals wird Plastikmüll am Strand einfach verbrannt, heißt es von einem deutsch-indonesischen Forschungsteam. Dann entstehe eine neue Form des Plastikmülls: Plastiglomerat. Das bestehe aus natürlichen Bestandteilen, wie etwa Korallen-Bruchstücken, die vom geschmolzenem und anschließend wieder erstarrten Plastik zusammengehalten werden. Plastiglomerat sieht deshalb aus wie eine Art künstliches Gestein.
Plastikmüll ist Risiko für Umwelt und Mensch
Das Forschungsteam aus Kiel und Indonesien hat sich diesen speziellen Plastikmüll genauer angeschaut. Und es warnt eindringlich: Der geschmolzene Kunststoff zerfalle schneller zu Mikroplastik und sei zusätzlich mit organischen Schadstoffen belastet. Er sei ein hohes Risiko für Küstenökosysteme wie Seegraswiesen, Mangroven oder Korallenriffe. Die Untersuchung zeige erstmals, dass sich Plastiglomerat von anderem Plastikmüll unterscheide, erklärt Erstautorin Amanda Utami von der größten Wissenschaftsorganisation Indonesiens, dem BRIN (Badan Riset dan Inovasi Nasional). Jetzt könnten die Forschenden bessere Aussagen zu ihrer Auswirkung auf die Umwelt machen.
Aber warum zersetzt sich das Plastiglomerat schneller? Wird der Plastikmüll verbrannt, werden durch den Schmelzprozess die Kohlenstoffketten im Material angegriffen, so die Forschenden. Dieser "chemisch degradierte Kunststoff" verwittere schneller zu Mikroplastik, wenn Wind, Welle oder Sandkörner auf ihn einwirkten. Außerdem setze der unvollständige Verbrennungsprozess umweltschädliche Schadstoffe frei, die nach und nach an die Umgebung abgegeben werden. Diese Stoffe können potentiell auch in die Nahrungskette gelangen und angereichert werden, so das Forschungsteam.
Doch die Thermo-Oxidation durch Verbrennung des Plastikmülls verändert auch die inneren Strukturen des Materials erheblich.
Proben vom Strand von Java im Labor in Kiel
Die indonesische Forscherin Utami sammelte insgesamt 25 Feldproben an Stränden der Insel Panjang an der Westseite der indonesischen Insel Java. Anschließend hat sie diese gemeinsam mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen in Kiel im Labor analysiert. Dafür haben sie die Proben zunächst nach optischen Kriterien in weniger stark sowie stärker angeschmolzene oder verbrannte Proben unterschieden und anschließend flüchtige Schadstoffe mit Hilfe von Lösungsmitteln extrahiert.
Dabei habe sich gezeigt, sagt Lars Reuning von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dass die freigesetzten Schadstoffe der Plastiglomerate als potentiell krebserregend für Menschen einzustufen seien. Konkret sei etwa eine Belastung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Phthalaten, die als Weichmacher für Kunststoffe verwendet werden, festgestellt worden. Beide Stoffe haben der aktuellen fachlichen Meinung zufolge ein hohes Potential für die Erzeugung von Krebs.
Forschende: Weniger Müll an Stränden!
Die Plastiglomerate sind ein großes Problem, bilanzieren die Forschenden. Sie glauben, dass in Zukunft zahlreiche Küstenökosysteme der tropischen Gewässer vor Indonesien als auch weltweit davon betroffen sein werden. Und Studien hätten bereits gezeigt, dass organische Schadstoffe auch auf Korallen oder andere Meeresorganismen übertragen werden und sich damit negativ auf die Gesundheit der Meere auswirken können. Deshalb wollen sie weiter erforschen, wie die Situation bei anderen marinen Ökosystemen wie Seegraswiesen oder Mangroven ist.
Die indonesische Forscherin Utami sieht deutlichen Handlungsbedarf. Denn im Vergleich zum normalen Plastikmüll erforderten die besonderen Eigenschaften der Plastiglomerate auch eine besondere Form des Küstenmanagements. "Würde der Müll aus Ballungsgebieten an tropischen Stränden besser entsorgt und gemanagt, könnte ein gravierendes Problem verhindert werden", resümiert die Forscherin.
Link zur Studie
Utami, Dwi Amanda et. al.: Plastiglomerates from uncontrolled burning of plastic waste on Indonesian beaches contain high contents of organic pollutants. In: Scientific reports 13, 10383 (2023). DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-023-37594-z
(kie)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 09. Juni 2023 | 06:22 Uhr
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