Kreislauf-Wirtschaft Plastik aus Soldatenfliegen
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14. August 2023, 16:21 Uhr
Larven der Schwarzen Soldatenfliege sind extrem proteinreich und werden für Tier-Futter benutzt, in Mehl- und in Ölform. US-Forscher sagen nun sogar: Aus Soldatenfliegen kann man biologisch abbaubare Chemikalien herstellen.
Bisher werden die Maden von Hermetia Illucens, der schwarzen Soldatenfliege, zur Herstellung von Tierfutter, sowohl in Form von Mehl oder Öl, genutzt. In den US gehen Forscher nun einen Schritt weiter und sagen: Die Kadaver der schwarzen Soldatenfliege enthalten verwendbare Rohstoffe, aus denen sich biologisch abbaubare nützliche Stoffe herstellen lassen. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht unspektakulär, schließlich wird auch schon versucht, aus anderen natürlichen Rohstoffen wie Zuckerrohr oder Bäumen abbaubare, verdauliche Polymere herzustellen.
Allerdings sind das Ressourcen, die auch für andere Produkte wie Lebensmittel, Brennstoffe, Bau und Transport gebraucht werden, erklärt die promovierte US-Chemikerin Karen Wooley. Sie will dagegen die ausgewachsenen Fliegen als Lieferanten für biologisch abbaubare Stoffe erschließen. Fliegenkadaver aus der Zucht von Soldatenfliegenlarven sind bislang kein begehrter Rohstoff. In der Soldatenfliegenzucht-Industrie dreht sich nämlich bisher alles um die Aufzucht der protein- und fettreichen Larven, die zur Herstellung von Tierfutter verwendet werden.
Tote Fliegen als Rohstoff-Quelle
Das wollen Wooley und ihr Team ändern und beispielsweise gezielt den Hauptbestandteil der toten Fliegen "ernten", genauer gesagt, ihr Chitin.
Der Lebenszyklus der Soldatenfliegen
Die Schwarze Soldatenfliege stammt aus dem subtropischen und tropischen Südamerika und kommt längst auch in Europa vor, vor allem in Spanien, Frankreich, Italien und dem Balkan. In Deutschland wurde sie erstmals 2010 nachgewiesen. Soldatenfliegen haben keine Stech- oder Beißwerkzeuge. Sie durchlaufen einen kurzen Lebenszyklus und entwickeln sich sehr schnell, wenn die Lebensumstände optimal sind. Das bedeutet gute Lichtbedingungen, ausreichend Futter, Feuchtigkeit und eine optimale Temperatur. Nach erfolgter Begattung legt das Weibchen bis 800 Eier, aus denen nach durchschnittlich vier Tagen millimetergroße Junglarven schlüpfen. Bei günstigen Lebensbedingungen dauert es etwa 14 bis 16 Tage, bis sich die Larven verpuppen und nach weiteren zwei bis drei Wochen als fertige Fliegen schlüpfen. Die Männchen machen sie umgehend auf die Suche nach Begattungsobjekten. Die adulten Weibchen sterben wenige Stunden nach der Eiablage.
Dabei hat die Forschungsgruppe um Wooley zwei Nutzungsszenarien dafür untersucht und die Ergebnisse auf dem jüngsten Kongress der American Chemical Society vorgestellt. In einem Szenario wurde das Chitin zu Pulver verarbeitet, das sich der Nachwuchswissenschaftlerin Cassidy Tibbetts zufolge durchaus mit bereits gängigen Chitin-Pulvern aus Krustentieren messen kann und dabei den Vorteil hat, dass es weniger klumpig ist und ohne die gelbliche Färbung, die beim Chitin der Krustentiere vorkommt.
In einem anderen Laboransatz wurde das Fliegen-Chitin zu Chitosan, einem anderen Polymer, umgewandelt und zu Biokunststoffen verarbeitet, wie zum Beispiel in ein sogenanntes superabsorbierendes Hydrogel. Dieses 3D-Polymersystem kann Wasser aufsaugen. Nachwuchsforscherin Hongming Guo zufolge könnte das Hydrogel im Ackerboden eingesetzt werden, um Überschwemmungswasser aufzufangen und die Feuchtigkeit bei nachfolgenden Dürreperioden langsam wieder abzugeben. Da das Hydrogel biologisch abbaubar sei, würden die molekularen Bestandteile nach und nach als Nährstoffe für die Pflanzen freigesetzt, schlussfolgern die Forscherinnen.
Biokunststoffe aus Soldatenfliegen
Karen Wooley arbeitet mit ihrem Team bereits am nächsten Schritt, an Biokunstoffen, die aus dem Chitin, aber auch den anderen Stoffen der toten Fliegen hergestellt werden könnten, also deren Proteinen, DNA, Fettsäuren, Lipiden und Vitaminen. Wooleys Ziel: Produkte, die aus diesen chemischen Bausteinen hergestellt werden, würden von den Insekten wieder abgebaut oder verdaut, wenn sie weggeworfen würden; ein regelrechter Nutzungs-Kreislauf entstünde. Die Insekten seien so gleichzeitig Quelle, aber auch Beseitiger entsorgter Produkten.
Chitin als Rohstoff
Die Einsatzmöglichkeiten für den Rohstoff Chitin und seine Weiterentwicklung zu Chitosan scheinen breit gefächert und sind vermutlich noch lange nicht ausgereizt. Chitosan zum Beispiel kann Schwebstoffe im Wasser binden und wird deshalb in der Getränkeindustrie zur Klärung eingesetzt. Neben Wooley und ihrem Team interessieren sich auch andere für Chitin als Rohstoff. Das zeigt beispielsweise eine Laborarbeit aus dem Jahr 2022: Forscher der Universität Maryland stellten einen Akku-Typ aus Zink und Chitosan vor. Der Akku ist den Wissenschaftlern zufolge komplett wiederverwertbar, da sich das Chitosan völlständig abbaut und das Zink sich erneut verwenden lässt.
Links/Studien
Die Forschungsarbeit über den Akku, der mit Chitosan und Zink arbeitet, "A sustainable chitosan-zinc electrolyte for high-rate zinc-metal batteries" lesen Sie hier.
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