Diese Darstellung der Südpolregion des winzigen Saturnmondes Enceladus zeigt gewaltige Wassereisstrahlen, die in den Weltraum geschleudert werden. Das Fehlen einer Atmosphäre und die geringe Schwerkraft des Mondes verhindern, dass sich die Strahlen schnell ausbreiten, wie es auf einer massiveren Welt der Fall wäre. Diese Wasserfontänen speisen den ausgedehnten E-Ring des Saturns.
Diese Darstellung der Südpolregion des winzigen Saturnmondes Enceladus zeigt gewaltige Wassereisstrahlen, die in den Weltraum geschleudert werden. Das Fehlen einer Atmosphäre und die geringe Schwerkraft des Mondes verhindern, dass sich die Strahlen schnell ausbreiten, wie es auf einer massiveren Welt der Fall wäre. Diese Wasserfontänen speisen den ausgedehnten E-Ring des Saturns. Bildrechte: Nasa, Karl Kofoed, Karl Kofoed

Sonnensystem Auf dem Saturnmond Enceladus wurden Spuren von Leben entdeckt

16. Juni 2023, 11:10 Uhr

Ein Forschungsteam hat im äußeren Sonnensystem einen der wichtigsten Bausteine für die Entstehung von Leben entdeckt. Die Geysire des Eismondes Enceladus sprenkeln das halbe Saturnsystem mit gefrorenen Partikeln, zu denen nun auch Phosphate zählen. Damit wird es höchste Zeit, dass eine neue Raumsonde zum Saturn aufbricht, um seine Monde nach möglichen Leben abzusuchen. MDR WISSEN hat bei der Universität Leipzig nachgefragt.

In unserem äußeren Sonnensystem – weit außerhalb der Erde – könnte es Leben geben! Zumindest sind die Bausteine dafür vorhanden. Kleine grüne Männ- und Frauchen hat man noch nicht gefunden. Aber das ist auch nicht schlimm oder nötig. Denn mehr als Raumsonden können wir erst einmal nicht den äußeren Gasriesen schicken. Die Reisedauer von mehreren Jahren, sogar um ein Jahrzehnt, wäre den Menschen nicht zumutbar. Bis jetzt gab es nicht einmal eine astronautische Mission zum Mars und bis dahin werden auch noch mindestens zehn, wenn nicht sogar 20 Jahre vergehen. 

Die Fachwelt diskutiert bereits seit Längerem, ob es eventuell auf dem Saturnmond Enceladus die Bausteine für Leben geben könnte. Immerhin konnte die Raumsonde Cassini im März 2005 mehrere Vorbeiflüge an dem Eismond vollziehen. Dabei ist sie auch durch Fontänen geflogen, die von den Kryovulkanen unter dem dicken Eispanzer des Mondes ins Weltall gespuckt werden. Anders als bei den Lava-spuckenden Vulkanen, wie wir sie auf der Erde kennen, schleudern Kryovulkan kalte und schmelzbare Substanzen wie Methan, Wasser oder Kohlenstoffdioxid ins Weltall. 

Die Raumsonde (oben) fliegt durch die Fontänen der Enceladus-Geysir. Der Mond befindet sich großflächig in der unteren Bildhälfte.
Die Raumsonde (oben) fliegt durch die Fontänen der Enceladus-Geysir. Der Mond befindet sich großflächig in der unteren Bildhälfte. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

Und nach fast 20 Jahren konnte ein Forschungsteam (unter anderem von der Freien Universität Berlin und Universität Leipzig) aus den Cassini-Daten nun einen Stoff in den ausgestoßenen Eispartikeln ausfindig machen, der wichtig für die Entstehung von Leben jeglicher Art ist: Phosphor in Form von Phosphaten. In jeder bekannten Lebensform sind Phosphate (die gelöste Form von Phosphor) ausschlaggebend für die Bildung der DNA. Ohne sie würde es weder Zellwände noch die universellen Energieträger ATP (Adenosintriphosphat) in den Zellen geben. Leben – zumindest wie wir es kennen – wäre ohne Phosphate nicht existent.

Gab es da nicht einen ähnlichen Stoff in den Wolken der Venus?

Stopp! Phos… Phospo… Da gab es doch bereits um 2020 eine Meldung zu einem solchen Element? Forschende haben damals wohl Phosphine in den Wolken der Venus entdeckt. Dabei handelt es sich um ein giftiges Gas, das bei der Abbautätigkeit anaerober Bakterien entsteht. Und wenn man diese auf einem fremden Planeten, Mond oder anderen Himmelskörper entdeckt, sind sie eine mögliche Biosignatur außerirdischer Lebensformen. 

Phosphine – auch Phosphorwasserstoff – werden auf der Erde beispielsweise zur Abtötung von Schädlingen in Gebäuden, Räumen oder Containern verwendet. Es ist ein farbloses, nach faulen Fischen und Knoblauch riechendes Gas. Das Kuriose bei der Entdeckung auf der Venus ist jedoch, dass das Gas laut den Forschenden in der Gashülle der Venus nicht lange überdauern kann. Deswegen nahmen sie damals an, dass es eine Quelle in der Atmosphäre, auf der Oberfläche oder darunter geben müsse, die für Phosphornachschub sorgt. 

Eine Weltraum-Collage mit den Planeten Mars, Saturn und Venus (v.l.n.r.).
Eine Weltraum-Collage mit den Planeten Mars, Saturn und Venus (v.l.n.r.). Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Laut der Astrochemikerin Clara Sousa Silva (Massachusetts Institute of Technology, MIT) können einige Mikroben auf der Erde "bis zu etwa fünf Prozent an Säure in ihrer Umgebung vertragen". Doch die Wolken auf der Venus bestünden fast vollständig aus Säure. Ob es sich tatsächlich um eine außerirdische Lebensform auf der Venus handelt, war bereits damals für die Forschenden fragwürdig.  

Und letztendlich stellte sich heraus, dass es ein Interpretationsfehler war. Die Signaturen im Radiospektrum von Phosphin liegen mit 266,944 Gigahertz extrem eng bei denen von Schwefeldioxid mit 266,943 Gigahertz. Also doch vorerst kein mögliches Leben auf der Venus. 

Phosphine und Phosphate sollte man nicht vertauschen

Aber sind Phosphine dasselbe wie Phosphate? Auch Bernd Abel vom Institut für Technische Chemie an der Universität Leipzig ist Mitautor der neuen Studie zu Enceladus. Im Gespräch hat er MDR WISSEN den Unterschied dieser beiden zumindest vom Klang sehr ähnlichen chemischen Elemente erklärt: "Phosphin ist ein eher giftiges Gas, wirklich eine gasförmige Verbindung, die möglicherweise in der Atmosphäre nachweisbar ist. Phosphate, hier geht es wirklich um die wässrige Phase." 

Unter der Eisschicht hatte man bereits Salze wie Natrium, also ganz normales Kochsalz, im Wasser entdeckt. Die Entdeckung gelang, indem man über den Südpol des Enceladus flog und die Eispartikel, die ausströmten, untersucht hat. Jedoch war es nicht sehr wahrscheinlich, dort Phosphor zu entdecken – "auch, wenn man viele Millionen Jahre Zeit hat, auf so einen Eisplaneten in wässriger Phase das letzte fehlende Puzzleteil – Phosphor – zu entdecken", erklärt Abel.  

Aufnahme der Raumsonde Cassini, die den Saturnmond Enceladus überpfliegt. Dort steigen Fontänen aus Wassereis über der Mondoberfläche auf
Aufnahme der Raumsonde Cassini, die den Saturnmond Enceladus überpfliegt. Dort steigen Fontänen aus Wassereis über der Mondoberfläche auf Bildrechte: NASA/JPL/Space Science Institute

"Es ist nicht nur das Element, dass irgendwo da ist, sondern auch, dass es in der Form eines Salzes im Ozean von Enceladus vorhanden ist." Und wie kommt ein solches Element in seiner perfekten Form überhaupt in das Enceladus-Meer? "Es kommt aus den Gesteinsschichten des Kerns und löst sich am Meeresboden dann in das Wasser hinein. Anders beim Phosphin. Das hat wenig mit der Suche nach Leben zu tun. Doch es ist überall das Gleiche drin, nämlich Phosphor. Für lebende Prozesse ist aber das Phosphat wichtig."

Phosphat muss als gelöstes Salz vorliegen 

Phosphat kann zwar auch in Gestein gebunden sein, doch für die biologische Verfügbarkeit ist es wichtig, dass dieser Stoff als gelöstes Salz im Ozean vorkommt. Und die kürzlich entdeckte Konzentration im Ozean von Enceladus liegt 100- bis 1.000-fach über der Phosphat-Konzentration der irdischen Weltmeere.

"Unsere geochemischen Experimente und die damit verbundene Modellierung zeigen, dass sich die hohen Phosphatkonzentrationen aus einer erhöhten Löslichkeit von Phosphaten ergeben, die nicht nur auf Enceladus, sondern generell unter den speziellen Bedingungen im äußeren Sonnensystem gegeben sein sollten", erläutert Frank Postberg von der Freien Universität Berlin und Hauptautor der Studie. Vor diesem Fund war nicht klar, ob der Ozean von Enceladus "überhaupt Phosphate in nennenswerten Mengen enthalten kann". 

Enceladus: Alle wichtigen Bausteine für die Entstehung von Leben vorhanden

Bereits bei früheren Arbeiten hatten er und sein Team herausgefunden, dass sich unter der Eisdecke von diesem Saturnmond ein flüssiger Ozean befindet. Dieser ist reich an gelösten Karbonaten (weswegen er auch zu den Soda-Ozeanen gezählt wird) und teils komplexen organischen Verbindungen. 

Neben den Phosphaten hatten die Forschenden zuvor auch die anderen wichtigen Elemente für die Entstehung von Leben entdeckt: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und zuletzt auch Schwefel. Zudem haben sie Anzeichen auf Hydrothermalquellen am Grunde des Ozeans gefunden.

Schwarzer Raucher einer hydrothermalen Quelle
Schwarzer Raucher einer hydrothermalen Quelle Bildrechte: IMAGO / UIG

Ob sich Leben tatsächlich in solchen Quellen wie den schwarzen oder weißen Rauchern auf der Erde entwickeln kann, ist in der Wissenschaft umstritten. Es gibt einige Befürworter dieser These, jedoch ebenso Gegner. Zum einen, weil diese Raucher auf den Meeresböden nach einigen Tausend Jahren bereits wieder verschwinden. Dieser Zeitraum sei jedoch nicht lange genug, damit Leben anstehen kann. 

Leben im äußeren Sonnensystem kann möglich sein

Der Fund von Phosphat bleibt abseits der Erde eine Seltenheit. Und vielleicht lohnt sich auch ein Blick zu den anderen Monden des Saturns. Immerhin besitzt der Ringplanet 145 Monde. Erst im Mai 2023 haben Forschende die Entdeckung 62 neuer Saturnmonde bekannt gegeben.  

Die Entdeckungen des Weltraumteleskops James Webb zeigen, dass Enceladus das halbe Saturnsystem mit seinen Geysiren bewässert. Seine Fontänen ragen fast 10.000 Kilometer in den Weltraum hinein. Da kann es gut sein, dass der ein oder andere Baustoff für die Bildung von Leben auf einen anderen der vielen Saturnmonde gelangt. 

Für die Forschungsgruppe ist die Entdeckung von Phosphaten der "letzte fehlende Baustein, um Enceladus Ozean endgültig als habitabel – also lebensfreundlich – bezeichnen zu können", heißt es in einer Pressemitteilung. Leben wurde zwar noch nicht gefunden, aber zukünftige Missionen könnten sich auf die Suche nach einfachen Formen von außerirdischem Leben machen. "Es ist also höchste Zeit, dass wir zu Enceladus zurückkehren, um zu sehen, ob sich aus den guten Ausgangsbedingungen tatsächlich Leben entwickelt hat", wünscht sich Nozair Khawaja, Mitautor der aktuellen Studie. 

Aktuell ist allerdings nicht der Saturn, sondern der Jupiter im Fokus. Mit der Juice-Mission der europäischen Raumfahrtbehörde Esa könnte am Jupiter in zehn Jahren der Beweis geliefert werden, dass Planeten ihren Monden ebenfalls eine lebensfreundliche Zone bieten können – auch wenn sich diese außerhalb der habitablen Zone ihres Sterns befinden. 

Links/Studien

Langzeitbelichtung von Glühwürmchen bei Nacht 5 min
Bildrechte: imago images/UIG
Künstlerische Darstellung der Juice-Mission zur Erforschung des Jupiters und seiner Monde. mit Video
Bildrechte: spacecraft: ESA/ATG medialab; Jupiter: NASA/ESA/J. Nichols (University of Leicester); Ganymede: NASA/JPL; Io: NASA/JPL/University of Arizona; Callisto and Europa: NASA/JPL/DLR