Sonnensystem Auf dem Saturnmond Enceladus wurden Spuren von Leben entdeckt
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16. Juni 2023, 11:10 Uhr
Ein Forschungsteam hat im äußeren Sonnensystem einen der wichtigsten Bausteine für die Entstehung von Leben entdeckt. Die Geysire des Eismondes Enceladus sprenkeln das halbe Saturnsystem mit gefrorenen Partikeln, zu denen nun auch Phosphate zählen. Damit wird es höchste Zeit, dass eine neue Raumsonde zum Saturn aufbricht, um seine Monde nach möglichen Leben abzusuchen. MDR WISSEN hat bei der Universität Leipzig nachgefragt.
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In unserem äußeren Sonnensystem – weit außerhalb der Erde – könnte es Leben geben! Zumindest sind die Bausteine dafür vorhanden. Kleine grüne Männ- und Frauchen hat man noch nicht gefunden. Aber das ist auch nicht schlimm oder nötig. Denn mehr als Raumsonden können wir erst einmal nicht den äußeren Gasriesen schicken. Die Reisedauer von mehreren Jahren, sogar um ein Jahrzehnt, wäre den Menschen nicht zumutbar. Bis jetzt gab es nicht einmal eine astronautische Mission zum Mars und bis dahin werden auch noch mindestens zehn, wenn nicht sogar 20 Jahre vergehen.
Die Fachwelt diskutiert bereits seit Längerem, ob es eventuell auf dem Saturnmond Enceladus die Bausteine für Leben geben könnte. Immerhin konnte die Raumsonde Cassini im März 2005 mehrere Vorbeiflüge an dem Eismond vollziehen. Dabei ist sie auch durch Fontänen geflogen, die von den Kryovulkanen unter dem dicken Eispanzer des Mondes ins Weltall gespuckt werden. Anders als bei den Lava-spuckenden Vulkanen, wie wir sie auf der Erde kennen, schleudern Kryovulkan kalte und schmelzbare Substanzen wie Methan, Wasser oder Kohlenstoffdioxid ins Weltall.
Und nach fast 20 Jahren konnte ein Forschungsteam (unter anderem von der Freien Universität Berlin und Universität Leipzig) aus den Cassini-Daten nun einen Stoff in den ausgestoßenen Eispartikeln ausfindig machen, der wichtig für die Entstehung von Leben jeglicher Art ist: Phosphor in Form von Phosphaten. In jeder bekannten Lebensform sind Phosphate (die gelöste Form von Phosphor) ausschlaggebend für die Bildung der DNA. Ohne sie würde es weder Zellwände noch die universellen Energieträger ATP (Adenosintriphosphat) in den Zellen geben. Leben – zumindest wie wir es kennen – wäre ohne Phosphate nicht existent.
Gab es da nicht einen ähnlichen Stoff in den Wolken der Venus?
Stopp! Phos… Phospo… Da gab es doch bereits um 2020 eine Meldung zu einem solchen Element? Forschende haben damals wohl Phosphine in den Wolken der Venus entdeckt. Dabei handelt es sich um ein giftiges Gas, das bei der Abbautätigkeit anaerober Bakterien entsteht. Und wenn man diese auf einem fremden Planeten, Mond oder anderen Himmelskörper entdeckt, sind sie eine mögliche Biosignatur außerirdischer Lebensformen.
Phosphine – auch Phosphorwasserstoff – werden auf der Erde beispielsweise zur Abtötung von Schädlingen in Gebäuden, Räumen oder Containern verwendet. Es ist ein farbloses, nach faulen Fischen und Knoblauch riechendes Gas. Das Kuriose bei der Entdeckung auf der Venus ist jedoch, dass das Gas laut den Forschenden in der Gashülle der Venus nicht lange überdauern kann. Deswegen nahmen sie damals an, dass es eine Quelle in der Atmosphäre, auf der Oberfläche oder darunter geben müsse, die für Phosphornachschub sorgt.
Laut der Astrochemikerin Clara Sousa Silva (Massachusetts Institute of Technology, MIT) können einige Mikroben auf der Erde "bis zu etwa fünf Prozent an Säure in ihrer Umgebung vertragen". Doch die Wolken auf der Venus bestünden fast vollständig aus Säure. Ob es sich tatsächlich um eine außerirdische Lebensform auf der Venus handelt, war bereits damals für die Forschenden fragwürdig.
Und letztendlich stellte sich heraus, dass es ein Interpretationsfehler war. Die Signaturen im Radiospektrum von Phosphin liegen mit 266,944 Gigahertz extrem eng bei denen von Schwefeldioxid mit 266,943 Gigahertz. Also doch vorerst kein mögliches Leben auf der Venus.
Phosphine und Phosphate sollte man nicht vertauschen
Aber sind Phosphine dasselbe wie Phosphate? Auch Bernd Abel vom Institut für Technische Chemie an der Universität Leipzig ist Mitautor der neuen Studie zu Enceladus. Im Gespräch hat er MDR WISSEN den Unterschied dieser beiden zumindest vom Klang sehr ähnlichen chemischen Elemente erklärt: "Phosphin ist ein eher giftiges Gas, wirklich eine gasförmige Verbindung, die möglicherweise in der Atmosphäre nachweisbar ist. Phosphate, hier geht es wirklich um die wässrige Phase."
Unter der Eisschicht hatte man bereits Salze wie Natrium, also ganz normales Kochsalz, im Wasser entdeckt. Die Entdeckung gelang, indem man über den Südpol des Enceladus flog und die Eispartikel, die ausströmten, untersucht hat. Jedoch war es nicht sehr wahrscheinlich, dort Phosphor zu entdecken – "auch, wenn man viele Millionen Jahre Zeit hat, auf so einen Eisplaneten in wässriger Phase das letzte fehlende Puzzleteil – Phosphor – zu entdecken", erklärt Abel.
"Es ist nicht nur das Element, dass irgendwo da ist, sondern auch, dass es in der Form eines Salzes im Ozean von Enceladus vorhanden ist." Und wie kommt ein solches Element in seiner perfekten Form überhaupt in das Enceladus-Meer? "Es kommt aus den Gesteinsschichten des Kerns und löst sich am Meeresboden dann in das Wasser hinein. Anders beim Phosphin. Das hat wenig mit der Suche nach Leben zu tun. Doch es ist überall das Gleiche drin, nämlich Phosphor. Für lebende Prozesse ist aber das Phosphat wichtig."
Phosphat muss als gelöstes Salz vorliegen
Phosphat kann zwar auch in Gestein gebunden sein, doch für die biologische Verfügbarkeit ist es wichtig, dass dieser Stoff als gelöstes Salz im Ozean vorkommt. Und die kürzlich entdeckte Konzentration im Ozean von Enceladus liegt 100- bis 1.000-fach über der Phosphat-Konzentration der irdischen Weltmeere.
"Unsere geochemischen Experimente und die damit verbundene Modellierung zeigen, dass sich die hohen Phosphatkonzentrationen aus einer erhöhten Löslichkeit von Phosphaten ergeben, die nicht nur auf Enceladus, sondern generell unter den speziellen Bedingungen im äußeren Sonnensystem gegeben sein sollten", erläutert Frank Postberg von der Freien Universität Berlin und Hauptautor der Studie. Vor diesem Fund war nicht klar, ob der Ozean von Enceladus "überhaupt Phosphate in nennenswerten Mengen enthalten kann".
Enceladus: Alle wichtigen Bausteine für die Entstehung von Leben vorhanden
Bereits bei früheren Arbeiten hatten er und sein Team herausgefunden, dass sich unter der Eisdecke von diesem Saturnmond ein flüssiger Ozean befindet. Dieser ist reich an gelösten Karbonaten (weswegen er auch zu den Soda-Ozeanen gezählt wird) und teils komplexen organischen Verbindungen.
Neben den Phosphaten hatten die Forschenden zuvor auch die anderen wichtigen Elemente für die Entstehung von Leben entdeckt: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und zuletzt auch Schwefel. Zudem haben sie Anzeichen auf Hydrothermalquellen am Grunde des Ozeans gefunden.
Ob sich Leben tatsächlich in solchen Quellen wie den schwarzen oder weißen Rauchern auf der Erde entwickeln kann, ist in der Wissenschaft umstritten. Es gibt einige Befürworter dieser These, jedoch ebenso Gegner. Zum einen, weil diese Raucher auf den Meeresböden nach einigen Tausend Jahren bereits wieder verschwinden. Dieser Zeitraum sei jedoch nicht lange genug, damit Leben anstehen kann.
Leben im äußeren Sonnensystem kann möglich sein
Der Fund von Phosphat bleibt abseits der Erde eine Seltenheit. Und vielleicht lohnt sich auch ein Blick zu den anderen Monden des Saturns. Immerhin besitzt der Ringplanet 145 Monde. Erst im Mai 2023 haben Forschende die Entdeckung 62 neuer Saturnmonde bekannt gegeben.
Die Entdeckungen des Weltraumteleskops James Webb zeigen, dass Enceladus das halbe Saturnsystem mit seinen Geysiren bewässert. Seine Fontänen ragen fast 10.000 Kilometer in den Weltraum hinein. Da kann es gut sein, dass der ein oder andere Baustoff für die Bildung von Leben auf einen anderen der vielen Saturnmonde gelangt.
Für die Forschungsgruppe ist die Entdeckung von Phosphaten der "letzte fehlende Baustein, um Enceladus Ozean endgültig als habitabel – also lebensfreundlich – bezeichnen zu können", heißt es in einer Pressemitteilung. Leben wurde zwar noch nicht gefunden, aber zukünftige Missionen könnten sich auf die Suche nach einfachen Formen von außerirdischem Leben machen. "Es ist also höchste Zeit, dass wir zu Enceladus zurückkehren, um zu sehen, ob sich aus den guten Ausgangsbedingungen tatsächlich Leben entwickelt hat", wünscht sich Nozair Khawaja, Mitautor der aktuellen Studie.
Aktuell ist allerdings nicht der Saturn, sondern der Jupiter im Fokus. Mit der Juice-Mission der europäischen Raumfahrtbehörde Esa könnte am Jupiter in zehn Jahren der Beweis geliefert werden, dass Planeten ihren Monden ebenfalls eine lebensfreundliche Zone bieten können – auch wenn sich diese außerhalb der habitablen Zone ihres Sterns befinden.
Links/Studien
- Die Studie zu Enceladus wurde am 14. Juni 2023 im Fachmagazin Nature publiziert: Detection of phosphates originating from Enceladus’s ocean (engl. Nachweis von Phosphaten aus dem Ozean von Enceladus).
- Die Pressemitteilung mit dem Titel "Mit den Mitteln der Chemie auf der Suche nach Leben im Weltall" wurde am 15. Juni 2023 auf dem Informationsdienst Wissenschaft idW veröffentlicht.
- Am 14. September 2020 wurde die Studie zum mögliche Fund von Phospinen in den Venuswolken im Fachmagazin Nature Astronomy veröffentlicht: Phosphine gas in the cloud decks of Venus (engl. Phosphingas in den Wolkendecks der Venus).
- Die Studie "Claimed Detection of PH3 in the Clouds of Venus Is Consistent with Mesospheric SO2" (engl. Angeblicher Nachweis von PH3 in den Wolken der Venus steht im Einklang mit mesosphärischem SO2) wurde am 23. Februar 2021 im Fachmagazin The Astrophysical Journal Letters publiziert.
- Die Pressemitteilungen der University of British Columbia vom 10. Mai 2023 mit dem Titel "Saturn Re-takes the Moon Crown" (engl. Saturn erobert die Mondkrone zurück) und vom 11. Mai 2023 mit dem Namen "Saturn now leads moon race with 62 newly discovered moons" (engl. Saturn führt Mondrennen mit 62 neu entdeckten Monden an).
- Die Beobachtungen vom JWST sollen im Fachmagazin Nature Astronomy erscheinen und stehen als PDF-Datei zur Verfügung: JWST molecular mapping and characterization of Enceladus’ water plume feeding its torus (engl. JWST-Molekularkartierung und Charakterisierung der Wasserfahne, die den Torus von Enceladus speist).