Raumfahrt im Sonnensystem Beim Jupiter und den Göttern: Europas Aufbruch zum Gasriesen und seinen Monden
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05. April 2023, 10:43 Uhr
Im April soll die europäische Raumfahrt zum Gasriesen Jupiter aufbrechen. Der Fokus liegt aber nicht auf dem Planeten, sondern auf seinen Monden. Was Deutschland dabei für eine Rolle spielt, wieso die Mission so spannend ist und was das Ganze im weitesten Sinne mit gefährlichen Liebschaften zu tun hat? Das verrät Ihnen MDR WISSEN. Zudem haben wir beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR nachgefragt.
Der Gasriese Jupiter hat uns die letzten Tage am Himmel gemeinsam mit der Venus total fasziniert. Langsam neigt sich seine Zeit dem Ende entgegen und wir müssen etwas warten, bis wir den größten Planeten unseres Sonnensystems wieder am Nachthimmel begrüßen dürfen. Dafür freut man sich bei der europäischen Raumfahrtbehörde Esa auf den Gasriesen. Denn Europa wird eine Raumsonde zum Jupiter schicken.
Die Juice-Mission soll am 13. April 2023 vom Weltraumhafen Kourou auf Französisch-Guyana in den Weltraum aufbrechen. Das Ganze an Bord einer europäischen Trägerrakete, der Ariane 5. Die Juice-Mission steht – bis auf ein paar Instrumente, die von der amerikanischen und japanischen Raumfahrtagentur Nasa und Jaxa bereitgestellt werden – ganz im Zeichen Europas und Europa ist auch eines der Ziele der Raumsonde.
Ozeane, die Leben beherbergen können?
Denn der Jupiter und sein komplexes System aus Ringen und Gesteinsbrocken ist nur ein kleiner Teil der Missionen. Die Raumsonde soll die vier Galileischen Monde Io, Ganymed, Callisto und Europa untersuchen. Vor allem auf die letzten drei sind die Wissenschaftler und Forscherinnen gespannt. Unter ihren Eispanzern sollen sich gigantische Ozeane, in denen es Leben geben könnte, befinden.
Kleines außerirdischen Leben, so groß wie Mikroben und das in unserem Sonnensystem – so zumindest die Hoffnung vieler Forschenden. Denn statt weit weg zu fremden Exoplaneten zu schauen, will man sich in der Raumfahrt nun auch auf die Monde in unserem Sonnensystem konzentrieren.
"Die Eismonde von Jupiter sind vielleicht die Orte in unserem Planetensystem, für die neben der Erde die größte Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort Leben existiert. Wasser in flüssiger Form unter den Eispanzern könnte hierfür eine gute Voraussetzung sein", erklärt Christian Chlebek vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR gegenüber MDR WISSEN.
Insgesamt hat Jupiter sage und schreibe 92 Monde und ist damit nicht nur selbst der Gigant, sondern auch der König der Monde in unserem Sonnensystem. Einfaches Leben kann es aber auch auf anderen Monden wie Enceladus, einem Mond des Ringplaneten Saturns, geben.
Bei den Göttern geht es wild her
Während man bei Asterix und den Galliern auf Teutates schwor, haben die Römer ihrem obersten Gott Jupiter – dem Herrn über Blitz, Donner und Regen, dem Beschützer des häuslichen Herdes und des Familienbesitzes – gehuldigt.
In der Astronomie sind nicht nur der Planet, sondern auch einige seine Begleiter nach Figuren aus der römischen beziehungsweise griechischen Mythologie benannt. Io und Europa waren Geliebte des Zeus – das griechische Äquivalent zu Jupiter. Ganymed war der "Schönste aller Sterblichen" und Sohn des trojanischen Königs Tros und der Kallirrhoë. Er, Ganymed, wurde von Zeus geliebt.
Callisto war eine Nymphe, die von Zeus vergewaltigt und geschwängert wurde. Aus Eifersucht verwandelte Hera, die Gattin und zugleich Schwester des Zeus, Callisto in eine grässliche Bärin. Als Jahre darauf ihr Sohn Arkas im Wald auf die Jagd ging, erkannte dieser seine Mutter nicht. Um den Mord an seiner Mutter zu verhindern, verwandelte Zeus Arkas ebenfalls in einen Bären und schleuderte beide an den Himmel. Bei den Römern war es Jupiter, der Callisto als das Sternbild des Großen Bären und Arkas als das des Kleinen Bären verewigte.
Von den Göttern zur europäische Juice-Mission
Weniger inzestuös und mit weniger Drama, dennoch spannend darf die Welt nun auf die Juice-Mission, dem Jupiter-Eismond-Erkunder (Jupiter Icy Moons Explorer), blicken. Sein Hauptziel: Die bewohnbare Zone um den Gasriesen erforschen.
Die Sonde soll die Ozeane, Eishüllen, Zusammensetzungen, Oberflächen, Umgebungen und Aktivitäten von Ganymed, Europa und Callisto charakterisieren. Außerdem sollen die Atmosphäre, magnetische Umgebung, das Ringsystem und andere Satelliten des Jupitersystems, zu denen auch Io gehört, untersucht werden. Mit den erhofften Erkenntnissen wollen Forschende Rückschlüsse auf ähnliche Gasriesen in anderen Sternsystemen schließen – immerhin wird Jupiter als Archetyp für Gasriesen bezeichnet. Aber was macht die Monde des Jupiters so interessant?
Die Galileischen Monde des Jupiters
Der italienische Astronom und Naturforscher Galileo Galilei beschrieb 1610 als Erstes die vier Jupitermonde Io, Europa, Ganymed und Callisto. Ganymed ist mit einem Durchmesser von circa 5.260 Kilometern nicht nur der größte Mond des Jupiters, sondern der größte Mond unseres Sonnensystems. Damit ist er größer als Merkur mit seinen 4.880 Kilometern an Durchmesser.
Der Eismond Ganymed besitzt ein Kern aus Eisen, verfügt über eine sehr dünne Atmosphäre und ist der einzige Trabant mit einem ausgeprägten Magnetfeld. Auf seiner Oberfläche herrschen Temperaturen von minus 160 Grad Celsius – ähnlich wie auf der dunklen Seite des Erdmondes. Für seine Jupiter-Umrundung benötigt der Mond etwas mehr als sieben Tage.
Callisto benötigt dagegen mehr als 16,5 Tage. Mit seinen 4.820 Kilometern Durchmesser ist er der zweitgrößte Jupitermond. Auch er ist ein Eismond mit einer Oberflächentemperatur von minus 139 Grad Celsius. Seine Eisschicht soll 200 Kilometer dick sein, unter der sich ein zehn Kilometer tiefer flüssiger Salzwasserozean befinden soll. In unserem Sonnensystem hat nur der Saturnmond Phoebe mehr Einschlagskrater als Callisto.
Der Eismond Europa braucht für seine komplette Umlaufbahn 3,5 Tage. Er ist mit knapp 3.120 Kilometern Durchmesser etwas kleiner als unser Erdmond (3.476 Kilometer). Auf ihm herrscht eine Oberflächentemperatur von minus 130 Grad Celsius. Und auch er soll eine mehrere Kilometer dicke Eisschicht beherbergen, unter der ein Ozean aus flüssigem Wasser bis in eine Tiefe von 100 Kilometern liegen soll.
Mond Io schließlich braucht weniger als zwei Tage, um Jupiter zu umrunden. Sein Durchmesser beträgt circa 3.640 Kilometer und im Gegensatz zu den drei anderen Galileischen Monden ist er kein Eismond. Sein ausgeprägter Vulkanismus übertrifft den aller Himmelskörper in unserem Sonnensystem. Seine Oberflächentemperatur liegt dennoch bei minus 143 Grad Celsius. Etwas hat er mit Europa gemein: Ihr Aufbau ähnelt eher den terrestrischen und somit erdähnlichen Planeten.
Master of the Universe: Sieben von zehn Instrumenten mit deutscher Beteiligung
Deutschlands Rolle bei dieser Mission ist groß, denn immerhin sind sieben von zehn Instrumenten an Bord von Juice mit deutscher Beteiligung entstanden. Da wäre beispielsweise der Laser-Höhenmesser Ganymede Laser Altimeter (GALA), der die Entfernung zwischen der Raumsonde und Ganymed messen soll. Dadurch können auch die Topographie sowie die Gezeitenverformung und deren zeitliche Änderungen bestimmt werden. Damit will das Wissenschaftsteam herausfinden, ob sich unter der Eiskruste des Mondes ein Wasserozean befindet. Dieses Instrument wird komplett von deutschen Instituten bereitgestellt.
Mit dem Kamerasystem JANUS (Jovis, Amorum ac Natorum Undique Scrutator) sollen lokale geologische Prozesse der Eismonde erforscht werden. Die Kamera soll zudem das gesamte Jupitersystem einschließlich der Jupiteratmosphäre dokumentieren. Wir dürfen uns auf hochauflösende Fotos freuen.
Um Temperaturstruktur, die interne Struktur Jupiters, Dynamik und Zusammensetzung der verschiedenen Schichten der Jupiteratmosphäre, deren Wechselwirkung untereinander sowie die äußerst dünnen Atmosphären und Oberflächen der Galileischen Monde zu untersuchen, wird das Submillimeter Wave Instrument (SWI) eingesetzt. Und auch hierbei handelt es sich um ein Instrument aus Deutschland.
Die Magnetosphäre von Jupiter und seinen Monden wird mit dem Jupiter Magnetometer (J-MAG) untersucht. Erst wenn die einzelnen Magnetfelder der Himmelskörper genau erfasst sind, können detaillierte Rückschlüsse auf beispielsweise unterirdische Ozeane der Eismonde geschlossen werden. Der Untergrund der Eismonde wird dann mit dem Radar-Instrument Radar for Icy Moons Exploration (RIME) analysiert. Dieses Instrument kann unter anderem warme Bereiche und Strukturen im Eispanzer identifizieren. Zudem sollen die Daten des Instruments zeigen, wo sich die Übergänge zwischen Eis und Wasser befinden. So lange die Eispanzer nicht dicker als neun Kilometer sind, sollte dies wenige Probleme bereiten.
Dann gibt es noch das Teilchenspektrometer Particle Environment Package (PEP), mit dem neutralen und geladenen Teilchen in der Umgebung von Jupiter und seinen Monden nachgewiesen werden können. Und der Radiosondierer 3GM (Gravity & Geophysics of Jupiter and Galilean Moons) soll beispielsweise die Schwerefelder der Jupitermonde vermessen.
"Mit den Daten von Juice sollen bereits gewonnene Erkenntnisse vertieft, vorhandene Modelle bekräftig und detailliert werden", so Chlebek. Die umfangreichen Daten könnten auch zu ganz neuen Erkenntnissen führen: "Mit der Bestimmung der Struktur und insbesondere der zeitlichen Veränderungen der Oberfläche der Eisplaneten ergeben sich Rückschlüsse auf die Vorkommen von flüssigem Wasser, was als Grundvoraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Leben gesehen wird."
Lange Reise mit einem großen Knall
Auf die ersten Ergebnisse der Mission müssen wir allerdings noch etwas warten. Die Raumsonde wird siebeneinhalb Jahre unterwegs sein. Nach dem Einschwenken in die Umlaufbahn des Gasriesen wird Juice das Jupitersystem drei Jahre lang erforschen. Bei seiner Reise um die Monde wird Juice die Gravitationskräfte von Callisto und Ganymed nutzen. Dabei wird es zu einigen Vorbeiflügen an Callisto kommen – Europa wird die Sonde jedoch nur zweimal passieren.
Dafür soll der Mond Ganymed genauestens untersucht werden. Juice wird sich neun Monate lang in einem Orbit um den Jupitermond Ganymed befinden, bevor das Missionsende mit einem gezielten Absturz auf dem Eismond eingeleitet wird.
Io ist auch im Fokus der Forschenden, auch wenn dieser Mond nur ein Sekundärziel ist. "Durch die Gravitation von Jupiter und den anderen Monden ist Io besonders großen Gezeitenkräften ausgesetzt, die zu einer starken vulkanischen Tätigkeit führen – mehrere 100 Vulkane", sagt Chlebek. Da Io kein Eismond ist, wird die geplante Flugbahn auch nicht an ihm ausgerichtet. Jedoch: "Sofern es die Flugbahn von Juice zulässt, werden Messungen von Io aber vorgenommen. So können Daten von seiner recht dünnen Atmosphäre seiner Oberfläche gewonnen werden."
Damit uns Europas Geheimnisse nicht komplett verborgen bleiben, wird die Nasa ebenfalls eine Raumsonde zum Jupitermond schicken. Jedoch wird der Europa Clipper erst im Oktober 2024 aufbrechen – damit ist die Esa etwas schneller, auch wenn die Nasa mit der Juno-Mission derzeit einen Orbiter in der Umlaufbahn des Königs der Monde hat. Erst am 1. März 2023 wurden neue Fotos der Juno-Raumsonde von Io veröffentlicht.
Eine weitere Jupitermission kommt aus China. Die Gan De soll aber erst 2029 zum Gasriesen aufbrechen. Und warum das alles? Vielleicht finden wir einfache Spuren von Leben, denn alle nötigen Bausteine dafür befinden sich im Jupitersystem. Und wenn die Menschheit über den Mond und Mars hinaus will, werden Bodenstationen auf einem der Jupiter- oder Saturnmonde als wahrscheinlich gelten.
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