Uranus-Zyklon mit zusätzlicher Farbe
Uranus-Zyklon mit zusätzlicher Farbe: NASA-Wissenschaftler haben erstmals einen polaren Wirbelsturm auf dem Uranus beobachtet. Mit Hilfe von Radioantennenschüsseln des Very Large Array in New Mexico konnten sie unter die Methanwolken blicken und feststellen, dass es an der Oberfläche des Planeten zirkulierende Luft gibt. Bildrechte: NASA, JPL, STScI

Eisplanet im Sonnensystem Das Mysterium von Uranus und seinem stürmischen Nordpol

02. Juni 2023, 13:24 Uhr

Zum ersten Mal ist es einem Forschungsteam gelungen, einen Wirbelsturm am Nordpol des Eisplaneten Uranus zu beobachten. Uranus, der siebte Planet in unserem Sonnensystem, ist wohl auch einer der mysteriösen Planeten. Während Jupiter, Saturn und Mars in aller Munde sind, bleibt Uranus unglücklicherweise hinter dem Vorhang verborgen. Dabei ist er nicht weniger spannend als seine Nachbarn. Zeit, einen Blick zum bläulich schimmernden Eisplaneten zu werfen.

Er leuchtet hellblau, ist viermal so groß wie die Erde, ist fast 2,9 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt und braucht 84 Jahre für eine volle Runde auf seiner Umlaufbahn: Uranus. Ein mysteriöser Planet, über den wir nur wenig wissen. 

An der Oberfläche seiner Wolken herrschen eisige Temperaturen von -214 Grad Celsius. Im Mittel beträgt seine Oberflächentemperatur -197 Grad Celsius, nur Neptun ist um drei Grad kühler. Zudem weist seine Achse eine außergewöhnliche Neigung auf. Uranus ist alles andere als ein gewöhnlicher Planet, er ist ein Mysterium in unserem Sonnensystem.

Wissenschaftler und Astronominnen wissen jedoch bereits seit dem Vorbeiflug von Voyager 2 im Jahr 1986, dass es am Südpol des Uranus stürmt. Damals konnte die Raumsonde eine Wirbelstruktur mit hohen Windgeschwindigkeiten am Südpol feststellen. Die Infrarotmessungen zeigten trotz der Methanwolken keine Temperaturveränderungen.

Teil des Uranus
Die NASA-Sonde Voyager 2 hat einen kleinen Teil des Uranus fotografiert. Dieses Bild wurde durch drei Farbfilter aufgenommen und zu einem Farbbild zusammengesetzt. Bildrechte: NASA, JPL, STScI

Ob es einen solchen Wirbelsturm auch am Nordpol gibt, war lange Zeit unbekannt. Der Grund dafür ist seine um 98 Grad geneigte Rotationsachse. Uranus rollt quasi um die Sonne herum, wodurch Voyager 2 keinen Einblick auf die Nordpolseite des Planeten hatte. 

Die schiefe Rotationsachse des Uranus: Ein Einschlag in der Entstehungszeit? 

Forschende vermuten, dass womöglich ein erdgroßer Himmelskörper den Planeten getroffen hat und damit seine Achse gekippt sei. Das zeigen zumindest Simulationen, in denen ein Körper mit der dreifachen Erdmasse in verschiedenen Winkeln auf den jungen Uranus einschlägt. Laut den Forschenden wurde der Planet vermutlich nicht zentral getroffen. Ein schiefer Einschlag würde seine heutige Rotation erklären. 

Zudem müsste der eingeschlagene Protoplanet Material in der Hülle des neu formierten Planeten hinterlassen haben. Dadurch erhielt der junge Uranus eine Art Isolierschicht, mit der die Wärme im Inneren des Planeten abgeschirmt wurde. Zumindest würde das erklären, warum Uranus im Gegensatz zu Saturn und Jupiter nur so wenig Wärme abstrahlt. Deswegen und weil Uranus und Neptun aus Wasser, Ammoniak und Methan bestehen, werden sie auch Eisriesen genannt. 

Uranus umgeben von seinen vier Hauptringen und 10 seiner 17 bekannten Satelliten
Hubble findet viele helle Wolken auf dem Uranus: Eine Aufnahme des NASA Hubble-Weltraumteleskops zeigt den Uranus umgeben von seinen vier Hauptringen und 10 seiner 17 bekannten Satelliten. Bildrechte: NASA, JPL, STScI

Abgesehen davon ist dies nicht das einzige Modell, dass die Schieflage von Uranus zu erklären versucht. Es gibt beispielsweise ein anderes, in dem der Eisriese von mehreren kleinen Kollisionen in seine gekippte Lage gebracht wurde. 

Problematisch ist bloß, dass die meisten Kollisionstheorien nicht die Gesamtmasse der heutigen Uranusmonde erklären, weswegen die Theorien mit einem Protoplaneten wahrscheinlicher erscheint. Zu diesem Schluss kamen auch Forschende vom Tokyo Institute of Technology. In seiner Frühgeschichte ist Uranus wohl mit einem anderen Eisplaneten zusammengestoßen. Dieser hatte die ein- bis dreifachen Masse der Erde.

Ähnliches hat auch zur Bildung der Erde und unserem Mond geführt. Vor rund 4,5 Milliarden Jahren soll der Protoplanet Theia mit der jungen Erde zusammen gestoßen sein. Jedoch war die Erde vermutlich bereits ein relativ fester Planet. Die Hitze der Kollision verursachte eine Masse, die relativ schnell wieder erstarrte. Doch die äußeren Gasplaneten bestehen nicht aus Gestein.

Zwei Bilder des Planeten Uranus
Zwei Bilder des Planeten Uranus. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

Die Kollision beim Uranus ließ den Planeten zunächst kippen. Doch der größte Teil des herausgesprengten Materials blieb in seinem gasförmigen Zustand und verdampfte allmählich. In der Zwischenzeit formte sich in der großen Gaswolke der heutige Uranus und es bildeten sich Ring- und Mondsysteme. Dafür spricht, dass die Monde aufgrund des wenigen Materials bis heute immer noch relativ klein geblieben sind.

Hat ein Mond den Uranus beeinflusst? 

Jedoch gibt es Theorien, die besagen, dass die Monde des Uranus bereits vorhanden waren, bevor er seine Schräglage erreichte. Laut dem Resonanzphänomen könnten die Monde des Eisplaneten seine Bahn über einen sehr langen Zeitraum so beeinflusst haben, dass sich seine Achse neigte. 

Neben der Neigung des Eisplaneten ist auch seine Rotationsrichtung eigenartig. Uranus rotiert im Uhrzeigersinn. Damit ist Uranus zwar nicht allein, aber bis auf ihn und die Venus drehen sich alle anderen Planeten in unserem Sonnensystem gegen den Uhrzeigersinn. Ein Forschungsteam vermutet, dass sein einzigartiger Neigungswinkel auf die Wanderung seiner Monde zurückzuführen sei 

Beobachtungen aus den letzten Jahren zeigten nämlich, dass sich die Neigungswinkel zweier anderer Planeten verändern – hervorgerufen durch die Wanderung ihrer Monde. Bei Saturn verursacht Titan diese Neigungsveränderung. Jupiters Neigung könnte durch seine Monde über die nächste paar Milliarden Jahre sogar noch viel drastischer ausfallen.

Die Forschenden fanden heraus, dass nur ein Mond mit halb so viel Masse wie unser Erdmond den Neigungswinkel des Uranus über Millionen von Jahren auf fast 90 Grad angehoben hat. Jedoch sind die bekannten Uranusmonde dazu nicht in der Lage. 

Dennoch würde ein einziger großer Mond ausreichen, die Neigung von Uranus auf 80 Grad zu drücken. Die Umlaufbahn des Mondes würde dadurch instabil werden und er würde auf den Planeten fallen. Das würde die Bahnneigung des Planeten weiter stören und sie würde schließlich wie die heutige Bahnneigung aussehen. Warum Uranus sich also in Schräglage befindet, können Forschende heute noch nicht eindeutig beantworten.

Uranus und seine vielen Monde und Ringe

Dass keiner der 27 Monde des Uranus einen Einfluss auf den Planeten hat, scheint unwahrscheinlich zu sein. Erst Ende letzten Jahres haben Forschende Spuren von Wasser auf seinen Monden entdeckt. Bisher wurden die Uranusmonde Ariel, Umbriel, Titania und Oberon für bis in den Kern hinein als tiefgefroren gehalten. Scheinbar scheint es unter den dicken Eispanzern der Monde doch flüssiges Wasser zu geben.  

Hauptmonde des Uranus: Neue Modellierungen zeigen, dass es wahrscheinlich eine Ozeanschicht in vier der großen Monde des Uranus gibt: Ariel, Umbriel, Titania und Oberon. Miranda ist zu klein, um genügend Wärme für eine Ozeanschicht zu speichern.
Hauptmonde des Uranus: Neue Modellierungen zeigen, dass es wahrscheinlich eine Ozeanschicht in vier der großen Monde des Uranus gibt: Ariel, Umbriel, Titania und Oberon. Miranda ist zu klein, um genügend Wärme für eine Ozeanschicht zu speichern. Bildrechte: NASA, JPL-Caltech

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, haben die Forschenden die Daten von Voyager 2 neu ausgewertet und mit anderen Raumsonden wie Galileo und Beobachtungen von der Erde aus kombiniert. Das Ergebnis: Vier Monde des Uranus könnten im Inneren doch warm genug sein, damit jeweils eine 30 bis 50 Kilometer tiefe Schicht aus flüssigem Wasser entsteht. 

Außerdem fanden die Forschenden Hinweise auf große Mengen von Chloriden und Ammoniak in den Ozeanen. Ammoniak ist ein bekanntes Frostschutzmittel und auch die vorhandenen Salze im Wasser könnten verhindern, dass die Ozeane der Monde komplett gefrieren. 

Neben den 27 Monden hat Uranus auch 13 Ringe. Auf dem im April 2023 veröffentlichten Bild des Weltraumteleskops James Webb sind elf der bekannten Uranus-Ringe zu erkennen. Neun der gezeigten Ringe gehören zu den Hauptringen des Eisplaneten, zwei weitere sind dünnere, diffuse Staubringe. 

 

Die beiden noch fehlenden Uranus-Ringe sind so zart, dass Astronomen sie erst 2007 mit dem Hubble-Weltraumteleskop aufgespürt haben. Das James-Webb-Team ist sich sicher, die beiden fehlenden Uranusringe in kommenden Aufnahmen festhalten zu können. Der helle Planetenteil der Aufnahme zeigt die Nordpolkappe. An dessen Rande sowie am oberen Rand des Planeten sind zudem zwei helle Wolken zu erkennen. Sie gehören wahrscheinlich zu den häufigen Stürmen des Planeten.

Es stürmt auf am Nordpol des Uranus

Was hat es nun mit dem anfangs erwähnten Sturm an seinen Polen auf sich? In den letzten Jahren haben Forschende Radioteleskope wie das Very Large Array (VLA) in New Mexiko (USA) eingesetzt, um Uranus zu untersuchen. Seit 2015 haben Astronominnen und Astronomen eine bessere Sicht auf den Eisplaneten und seine Pole. Das war in den letzten Jahrzehnten anderes, denn da waren seine Pole nicht zur Erde hin ausgerichtet. 

Nun hat die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa zum ersten Mal eindeutige Beweise für einen polaren Wirbelsturm gefunden. Dafür untersuchten sie die von dem Planeten ausgesendeten Radiowellen. Mit den in den Jahren 2015, 2021 und 2022 gesammelten Daten konnten die Forschenden viel tiefer in die Uranus-Atmosphäre und unter die Wolken des Eisriesen schauen. Durch den entdeckten Wirbelsturm sind sie sich sicher, dass die zirkulierende Luft am Nordpol wärmer und trockener zu sein scheint als bisher angenommen wurde. 

Das bestätigt eine weitere Annahme: Unabhängig davon, ob die Planeten hauptsächlich aus Gestein oder Gas bestehen, weisen ihre Atmosphären an den Polen Anzeichen für einen Wirbel auf. "Diese Beobachtungen verraten uns viel mehr über die Geschichte des Uranus. Es ist eine viel dynamischere Welt, als man vielleicht denkt. Er ist nicht einfach nur ein blauer Gasball. Es passiert eine Menge unter der Haube", erklärt Alex Akins. Er ist der Hauptautor der aktuellen Studie vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa. 

An fast allen Polen in unserem Sonnensystem stürmt es

Der Zyklon auf dem Uranus hat eine kompakte Form mit warmer und trockener Luft in seinem Kern und ähnelt den Zyklonen, die von der Nasa-Raumsonde Cassini auf dem Saturn entdeckt wurden. 

Bei diesen Wirbelstürmen wird zwischen Zyklonen und Antizyklonen unterschieden. Bei Ersteren stimmt die Rotationsrichtung mit der Planetenrotationsrichtung überein, bei den Antizyklonen drehen sich die Wirbelstürme in die gegengesetzte Richtung. Mit Ausnahme von Merkur – der keine nennenswerte Atmosphäre hat –, wurden nun an allen Polen der Planeten unseres Sonnensystems entweder Zyklone oder Antizyklone nachgewiesen. 

Im Gegensatz zu den Hurrikanen auf der Erde bilden sich die Wirbelstürme auf Uranus und Saturn nicht über Wasser und sie driften auch nicht, sondern sind an den Polen gebunden. "Stellt der warme Kern, den wir beobachtet haben, die gleiche Hochgeschwindigkeitszirkulation dar, die auch von der Voyager beobachtet wurde? Oder gibt es gestapelte Zyklone in der Uranusatmosphäre?", fragt sich Akins und erklärt anschließend: „Die Tatsache, dass wir immer noch so einfache Dinge über die Funktionsweise der Uranusatmosphäre herausfinden, macht mich wirklich neugierig darauf, mehr über diesen mysteriösen Planeten herauszufinden."

Uranus, lass Diamanten regnen!

Und als ob das noch nicht Mysterium genug sei: Auf Uranus soll es sogar Diamanten regnen. Auf der Erde dauert es Millionen, teils Milliarden Jahre, bis sich tief im Erdinneren Diamanten bilden. Nur aufgrund von Vulkanausbrüchen sind sie an der Oberfläche unseres Planeten zu finden. Was hier ein rares und knappes Gut zu sein scheint, ist bei Planeten wie Uranus quasi Ramschware.  

Einige Forschende gehen davon aus, dass das Phänomen des Diamantenregens auf Uranus und Neptun in unserem Sonnensystem durch den vorhandenen Sauerstoff unterstützt wird.

Anderes als auf der Oberfläche ist es im Planeteninneren 7.000 Grad Kelvin heiß. Selbst die äußersten Mantelschichten haben eine Temperatur von -2.000 Grad Kelvin. Dort herrscht ein enormer Druck, der sechs Millionen Mal so hoch wie in der Erdatmosphäre ist. Forschende vermuten, dass sich durch diesen Druck Kristalle formen, die weiter ins Innere des Planeten sinken. Dort ist es so heiß, dass sie verdampfen und wieder nach oben schweben und den Zyklus wiederholen - daher der Begriff Diamantregen. 

Ein Team aus Dresden konnte gemeinsam mit seinen amerikanischen Kollegen einen Forschungsversuch auf der Erde nachstellen, über den MDR WISSEN auch berichtet hat. Die winzigen Diamanten können für die Eisplaneten auch eine Energiequelle sein – was zumindest erklärt, warum Planeten wie Neptun mehr Energie abstrahlen als sie von der Sonne erhalten. Denn wenn die Diamanten "nach unten sinken, erwärmt das den Planeten zusätzlich", erklärt Dominik Kraus. Er war der Leiter eines Experiments am SLAC National Accelerator Laboratory in Menlo Park (Kalifornien, USA). Uranus ist somit spannender, als manchen annehmen.

Aufbruch zum Eisplaneten?

In ein paar Jahren wird der Abstand zwischen Erde und Uranus so gering wie selten sein. Für eine Reise zum Uranus würde sich ein Start in den Jahren 2031 oder 2032 anbieten. Dann würde die Raumsonde zwischen 2044 und 2045 den Eisplaneten erreichen. Wenn eine mögliche Sonde erst 2038 entsendet wird, dauert die Reise bereits 15 Jahre. Eine Raumfahrtmission zum Eisplaneten Anfang der 2030er-Jahre würde sich durchaus anbieten.

Links/Studien

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