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Wissen-News In Dresden und Halle erforschtes Polymerkristall könnte Durchbruch bei leitfähigen Kunststoffen sein
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14. Februar 2025, 13:47 Uhr
Seine außergewöhnliche elektrische Leitfähigkeit und sein "metallisches" Ladungstransportverhalten könnten das Polymerkristall "2DPANI" (eine spezielle Form von Polyanilin) zum neuen Wundermittel in der organischen Elektronik machen. Der unter anderem in Dresden und Halle erforschte und entwickelte Stoff weist Eigenschaften in der Leitfähigkeit auf, die man bislang von Polymeren nicht kannte.
Kunststoffe sind in der Elektrizität höchstens als Isolatoren zu gebrauchen. Dieses frühere vermeintliche Wissen ist längst widerlegt, spätestens seit der Arbeit von Alan J. Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa, die in den 1970er-Jahren die bahnbrechende Entdeckung machten, dass man die elektrischen Eigenschaften von Polymeren durch ein gezieltes "Doping" drastisch verändern konnte. Durch Zugabe bestimmter chemischer Stoffe (zum Beispiel Jod oder andere Halogene) wurde aus dem ursprünglich schlecht leitenden Polyacetylen ein leitendes Material, dessen elektrische Leitfähigkeit um Größenordnungen anstieg. Dieses Phänomen war eine Sensation, weil Polymere bis dahin eben als klassische Isolatoren galten und niemand erwartet hatte, dass Kunststoffe metallähnliche oder halbleitende Eigenschaften besitzen könnten. Im Jahr 2000 bekamen die drei Wissenschaftler für ihre wegweisende Forschung den Chemie-Nobelpreis.
Seitdem ist viel passiert, aber ein Problem konnte bislang nicht gelöst werden: Polymere leiten zwar recht gut innerhalb einer Schicht ihrer Struktur (entlang der Polymerketten), aber nicht über die Schichten hinweg. In einem dreidimensionalen Koordinatensystem könnte man also sagen: In Richtung der x-Achse und y-Achse ist die Leitfähigkeit gut, in Richtung der z-Achse nicht.
"2DPANI": Leitfähigkeit nicht nur innerhalb der Ebenen, sondern auch senkrecht über die Schichten hinweg
Um dieses Problem zu lösen, hat ein Forschungsteam der TU Dresden und des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik Halle in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern einen mehrschichtigen zweidimensionalen Polyanilin-Kristall namens "2DPANI" synthetisiert und charakterisiert. "Dieses Material weist eine außergewöhnliche Leitfähigkeit auf – nicht nur innerhalb seiner Ebenen, sondern auch senkrecht über die Schichten hinweg. Das nennen wir einen metallischen out-of-plane-Ladungstransport oder auch 3D-Leitung. Das ist ein grundlegender Durchbruch in der Polymerforschung", erklärt Thomas Heine, Professor für Theoretische Chemie an der TU Dresden.
Zunächst wurden die Struktur des Polymers simuliert und der metallische Charakter berechnet. Nach dem Sythetisieren des neuen Polymers wurden Gleichstromtransportstudien durchgeführt. Diese Messungen zeigten eine anisotrope Leitfähigkeit von 16 Siemens pro Zentimeter (S/cm) in der Ebene und 7 S/cm außerhalb der Ebene, was um etwa drei Größenordnungen höher liegt als bei herkömmlichen linear leitenden Polymeren.
Siemens (S) ist die Maßeinheit des elektrischen Leitwertes und gleichzeitig der Kehrwert zum Ohm (Ω), der Maßeinheit des elektrischen Widerstands.
Je geringer der Widerstand (Ohm), desto höher der Leitwert (Siemens).
Darüber hinaus zeigten Messungen bei niedrigen Temperaturen, dass die Leitfähigkeit außerhalb der Ebene mit abnehmender Temperatur zunimmt – ein charakteristisches Verhalten von Metallen – was die außergewöhnlichen metallischen "out-of-plane"-Transporteigenschaften des Materials bestätigt. Weitere Messungen mittels Infrarot- und Terahertz-Nahfeldmikroskopie in Spanien ergaben dann sogar eine Gleichstromleitfähigkeit von etwa 200 S/cm.
Dieser mutmaßiche Durchbruch eröffnet die Möglichkeit, dreidimensionale metallische Leitfähigkeit in metallfreien organischen und polymeren Materialien zu erreichen. Damit bieten sich laut TU Dresden aufregende neue Perspektiven für Anwendungen in der Elektronik, der elektromagnetischen Abschirmung oder der Sensorik. Das "metallische" Polymer könnte als preiswert herstellbare funktionelle Elektrode dienen, zum Beispiel bei der Produktion von Wasserstoff.
Links / Studien
Die Studie "Two-dimensional polyaniline crystal with metallic out-of-plane conductivity" ist im Fachjournal "Nature" erschienen.
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 30. Januar 2025 | 15:32 Uhr
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