Seismologie Erdgasförderung und Bergbau rufen Erdbeben in Deutschland hervor

07. April 2025, 16:17 Uhr

Das Erdbeben in Norddeutschland am 1. April war ein sogenanntes induziertes Beben, also kein natürliches. Auch in Mitteldeutschland kommen solche Beben recht häufig vor. In Norddeutschland geht das auf die Erdgasförderung zurück, in Mitteldeutschland meist auf den Bergbau.

Ein Erdbeben mit Magnitude 3,4 in Norddeutschland – wie kann das denn sein? Wer dachte, dass bei jener Meldung vom 1. April irgendwas nicht stimmt, lag aber falsch. Zwar ist der dem Zweifel vermutlich zugrunde liegende Gedanke richtig, dass Norddeutschland nicht gerade für seine plattentektonischen Untergrund-Aktivitäten bekannt ist, aber es gibt eben nicht nur tektonische Erdbeben.

Die andere Gruppe von Erdbeben, bei denen kein tektonischer Ursprung vorliegt, nennt man induziert. Man könnte auch sagen, menschengemacht. Denn diese Beben gehen auf menschliche Aktivitäten (mit technischer Hilfe) zurück, in diesem Fall auf die Erdgasförderung in Norddeutschland. Zumindest geht das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) auch beim aktuellen Fall ganz fest davon aus. Man werde zwar noch einige Tage brauchen, um den abschließenden Beweis zu erbringen, sagte ein Sprecher dem NDR, aber im norddeutschen Erdgasförderungsgebiet kommt es immer mal wieder zu solchen Beben. Das gehört zur Normalität.

Induzierte Erdbeben auch recht häufig in Mitteldeutschland

Auch in Mitteldeutschland kommt es mit relativ großer Regelmäßigkeit zu solchen induzierten Beben, wenngleich sie hier nichts mit Erdgasförderung zu tun haben. Hier gehen sie fast immer auf den Bergbau zurück. Menschen im thüringischen Bereich des Südharzes vor allem können ein Lied davon singen, aber auch in Westthüringen und im Erzgebirgskreis. Seitdem der Seismologie-Verbund Mitteldeutschland Erdbeben in der Region erfasst und auswertet, nämlich seit 2009, gab es 230 (erfasste) induzierte Beben.

Und wenn man jedes dieser erfassten Beben als gleichwertig ansieht, kommt man ganz klar zu dem Schluss, dass ihre Anzahl im Laufe der Jahre deutlich zugenommen hat. Aber so viel vorweg: Der Schein trügt.

Induzierte Erdbeben in Mitteldeutschland sind nicht häufiger geworden

In Wahrheit liegt diese scheinbare Zunahme am immer dichter und genauer werdenden Messnetz. Mittlerweile kann der Seismologie-Verbund Mitteldeutschland auf Daten von 84 Messstellen zurückgreifen, vor einigen Jahren waren das noch viel weniger.

Das Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) und die Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena gehören zum Seismologie-Verbund Mitteldeutschland. Sie erklären gegenüber MDR WISSEN für Thüringen: "Die scheinbare zeitliche Zunahme liegt vielmehr daran, dass auf Grund verbesserter Messtechnik und der Installation neuer seismologischer Messstellen das Detektionsvermögen des Thüringer Seismologischen Netzes im Laufe der letzten zehn Jahre signifikant zugenommen hat. So wurden im Jahr 2024 auch viele kleine Erdbeben festgestellt, die im Jahr 2015 noch unentdeckt blieben." Allein im Bereich Südharz gab es 2015 erst vier Messstellen, heute sind es elf.

Besonders anschaulich wird der Effekt des besseren Messnetzes, wenn man sich die Magnituden (Stärken) der erfassten Beben ansieht und die statistischen Gesetze der Erdbebenwahrscheinlichkeit im Hinterkopf behält, nach denen kleine Erdbeben sehr viel häufiger als große Erdbeben auftreten (sogenannte "Gutenberg-Richter-Beziehung").

Magnituden unter 1,0 wurden früher kaum erkannt, heute dagegen schon viel häufiger, deshalb hat die Anzahl dieser kleinen Beben scheinbar stark zugenommen. In Wahrheit gab es die aber auch früher schon, nur konnten sie nicht zuverlässig erfasst werden. An den Beben mit einer Magnitude über 1,0 sieht man jedenfalls, dass die Abfolge induzierter Beben in Mitteldeutschland seit 2009 relativ gleichbleibend ist.

Koordinaten und Tiefe haben fast immer Abweichungen

Schwieriger als das pure Registrieren eines kleineren Erdbebens ist für das Messnetz allerdings die genaue Verortung, was seine Koordinaten auf der Erdoberfläche (Epizentrum) und die Tiefe des eigentlichen Erdbebenherds (Hypozentrum) angeht. Ein anschauliches Beispiel für Ungenauigkeiten beim Epizentrum ist der Einsturz der Dresdner Carolabrücke am 11. September 2024. Auch dieses Ereignis wurde von seismologischen Messinstrumenten wahrgenommen und als ein induziertes Erdbeben mit Magnitude 0,6 eingeordnet.

Weil das Messnetz um Dresden herum aber nicht sonderlich dicht ist, lag das errechnete Epizentrum etwa 1,6 Kilometer Luftlinie entfernt – am Rudolf-Harbig-Stadion. Dort ist es zwar auch manchmal sehr laut, aber hier lag natürlich eine Messungenauigkeit vor.

TLUBN und FSU können das erklären. Zum einen liege das eben an den wenigen Messpunkten in der Nähe. Und "neben der reinen Anzahl der Messpunkte ist auch ihre geometrische Verteilung in Bezug auf das Erdbebenhypozentrum entscheidend. Für eine gute Ortung ist eine gute 'azimutale Überdeckung' wichtig, das heißt, in alle Richtungen um das Epizentrum müssen Messstationen vorhanden sein."

Noch schwieriger wird es bei der Berechnung der genauen Tiefe eines Bebens. Um die exakt zu bestimmen, dürften Messstation höchstens so weit entfernt sein, wie das Erdbeben tief ist. Im Südharz beispielsweise geschehen die induzierten Bergbau-Beben typischerweise in etwa einem Kilometer Tiefe. Um das noch genauer zu bestimmen, bräuchte man laut TLUBN und FSU alle zwei Kilometer eine Station. "Eine so hohe Anzahl an Messpunkten wäre aus unserer Sicht finanziell nicht gerechtfertigt. Daher erfolgt im Bereich Südharz durch den Seismologieverbund Mitteldeutschland nur eine Abschätzung, ob das Herdgebiet flach oder tief liegt." Dies sei ausreichend, um zwischen induzierten und natürlichen Erdbeben zu unterscheiden. Denn natürliche (tektonische) finden in deutlich größerer Tiefe statt.

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MDR FERNSEHEN Di 26.09.2023 11:33Uhr 01:41 min

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 07. April 2025 | 09:51 Uhr

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