Vulkanausbrüche und Erdbeben Pazifischer Feuerring: Wo rohe tektonische Kräfte walten
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21. Dezember 2024, 15:00 Uhr
90 Prozent aller Erdbeben geschehen im Gebiet des Pazifischen Feuerrings, der sich in etwa hufeisenförmig an drei Kontinente anschmiegt. Dass seine Aktivität zurückgeht, werden wir alle nicht mehr erleben.
Zehn Erdbeben hat es in diesem Jahr 2024 gegeben, die eine Magnitude von 7,0 oder mehr erreicht haben, zuletzt am 17. Dezember im Gebiet des Inselstaates Vanuatu.
Auf der Weltkarte mit der bei uns üblichen Aufteilung (Amerika im Westen, Asien und Ozeanien im Osten) sieht die Verteilung der Orte der diesjährigen zehn stärksten Beben so aus, dass man von einer Dreiteilung sprechen könnte: Drei an der nord- und südamerikanischen Westküste, eines in Zentralasien, sechs an der asiatisch-ozeanischen Ostküste.
Wenn man die Karte aber ein bisschen verschiebt, so dass Europa und Afrika ganz im Westen sind und Amerika im Osten, ist das Beben-Muster etwas deutlicher zu sehen. Neun der zehn starken Erdbeben dieses Jahres passierten an den "Rändern" des Pazifiks. Und das ist kein Zufall, sondern entspricht exakt der Wahrscheinlichkeit über viele Jahre hinweg: Die allermeisten der starken Beben und überhaupt 90 Prozent aller Erdbeben geschehen in dieser Region, die man den Pazifischen Feuerring nennt.
Nicht nur 90 Prozent aller Beben, sondern auch etwa 75 Prozent aller Vulkanausbrüche gehen auf das "Konto" des Pazifischen Feuerrings. Aber warum? "Der Grund, warum es so viele Erdbeben und Vulkane um den Pazifik herum gibt, ist, dass die kalten und schweren ozeanischen Platten dieser Region durch ihr eigenes Gewicht an den Rändern des Pazifiks in den Erdmantel gezogen werden", erklärt Sascha Brune. Er ist Leiter der Sektion "Geodynamische Modellierung" am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und Universitätsprofessor in Potsdam. Durch so ein Abtauchen der einen Platte unter eine andere entstehen sogenannte Subduktionszonen, wo sich die Erdplatten verhaken und große Spannungen aufbauen, die hin und wieder ruckartig freigesetzt werden. "Und von diesen Subduktionszonen", so Brune, "gibt es mit einer Länge von etwa 30.000 Kilometern sehr viele um den Pazifik herum."
Wenn man nun aber hofft, dass das irgendwann aufhört und die Erde in diesen Regionen zur Ruhe kommt, muss man in plattentektonischen Zeiträumen denken. "Ein Ende des Ozeans und seines Feuerrings könnte erst in mehreren hundert Millionen Jahren stattfinden", erklärt Sascha Brune, "falls Nord- und Südamerika ihre Reise nach Westen weiterführen, die vor 200 Millionen Jahren mit dem Zerbrechen des 'Urkontinents' Pangäa begonnen hat."
Übrigens war der Pazifische Feuerring, der heute im Süden sehr offen ist und daher eher die Form eines krummen Hufeisens hat, tatsächlich mal etwas mehr ringförmig geschlossen. "Bis vor etwa 90 Millionen Jahren", sagt GFZ-Forscher Brune, "gab es auch eine Subduktionszone (und damit Erdbeben und Vulkane) im südlichen Teil des Ozeans, in Richtung der Antarktis, die aber später ihre Aktivität eingestellt hat."
Erdbeben in unserer Nähe
Mitteldeutschland ist weit entfernt von den Subduktionszonen des Pazifischen Feuerrings. Vulkanausbrüche und verheerende Beben mit Magnitude 7 oder mehr sind hierzulande nicht zu erwarten. Dennoch bebt auch hier immer mal wieder die Erde, aus ganz verschiedenen Gründen.
Da gibt es einerseits die bekannten Schwarmbeben im Vogtland, bei denen aber nicht die Plattentektonik die unmittelbare Ursache ist und die außerdem die Besonderheit haben, dass das erste Beben einer Serie meist nicht das stärkste ist. "Sie werden durch das Zusammenwirken von aufsteigenden Fluiden aus der Erdkruste und aus dem oberen Erdmantel in Kombination mit vorhandenen geologischen Schwächezonen verursacht", erklärt Torsten Dahm, Leiter der Sektion "Erdbeben- und Vulkanphysik" am GFZ und Uni-Professor in Potsdam. Die seismischen Netze im Vogtland und Nordwestböhmen wurden länderübergreifend kontinuierlich verbessert, sagt Dahm, "und auch das GFZ betreibt dort heute hochmoderne seismische Stationen."
Sobald man das Vogtland in nördliche Richtung verlässt, befindet man sich bis hin zum Großraum Leipzig-Halle allerdings wieder in eine Zone, wo Beben aus plattentektonischen Gründen möglich sind. "Diese tektonischen Erdbeben treten in größerer Tiefe in der Erdkruste auf und hatten im letzten Jahrhundert in wenigen Fällen Schäden verursacht", sagt Torsten Dahm.
Aber noch eine Art von Erdbeben gibt es. Die hat weder mit Plattentektonik noch mit aufsteigenden Fluiden zu tun, sondern ist menschengemacht. Man nennt sie induzierte Erdbeben. Oftmals haben sie im Bergbau ihre Ursache. In zwei Gebieten Polens kann man ein Lied davon singen. In der Region nordwestlich von Wrocław (Breslau), wo Kuperbergbau stattfindet, ganz besonders. Mehr als 150 Erdstöße mit Magnitude 4 oder höher gab es dort in den vergangenen 15 Jahren, also etwa zehn pro Jahr.
"Das Phänomen ist in diesen Regionen bekannt, und die Erdbeben werden in den Katalogen der seismischen Dienste aus Deutschland, Polen und Tschechien in der Regel als bergbaubedingte Erdbeben klassifiziert", sagt GFZ-Vulkanologe Torsten Dahm. Im weiter östlich gelegenen polnisch-tschechischen Grenzgebiet mit nicht ganz so vielen starken Beben sei es der Kohlebergbau, der verantwortlich ist.
Unterschied zwischen "Gefährdung" und "Risiko"
Wenn es aber um mögliche Gefahren durch Erdbeben und Vulkane im europäischen Raum geht, dann schauen viele auf die Phlegräischen Felder in Italien, westlich von Neapel. Nicht, dass "Europas Supervulkan" dort in jüngerer Vergangenheit besonders starke Beben hervorgerufen hat, da gab es in anderen Teilen Europas deutlich stärkere, aber es werden von Jahr zu Jahr mehr Beben. 3.775 kleine und mittlere Erdstöße wurden allein im laufenden Jahr 2024 aufgezeichnet, also im Schnitt mehr als zehn pro Tag. 115 davon hatten eine Magnitude von 2,0 oder mehr. Die Aktivität der Phlegräischen Felder steigt spürbar.
Was soll daran so besonders gefährlich sein, mag man sich fragen. Geowissenschaftler machen einen Unterschied zwischen Gefährdung und Risiko, wie GFZ-Forscher Torsten Dahm erläutert: "Tritt zum Beispiel ein Erdbeben gewisser Stärke in zwei Regionen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auf, wobei eine davon dicht besiedelt ist und die andere unbewohnt, dann ist die Erdbeben-Gefährdung beider Regionen gleich, das seismische Risiko ist in der besiedelten Region jedoch sehr hoch und in der unbesiedelten vermutlich klein."
Und diese Einordnung könne man auf Vulkangefahren übertragen. "Das vulkanische Risiko ist in den Phlegräischen Feldern sehr hoch, auch wenn es andere Vulkanregionen in Europa gibt, die eine vergleichbare oder sogar höhere Wahrscheinlichkeit für einen Ausbruch haben, vor allem weil die Phlegräischen Felder sehr dicht besiedelt sind", so Dahm. Im nur ein paar Kilometer entfernten Neapel, Italiens drittgrößter Stadt, leben fast eine Million Menschen, im gesamten Großraum, je nach Definition, zwei bis vier Millionen. Und das steigert zwar nicht die geowissenschaftliche Gefährdung, aber das Risiko umso mehr.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. Dezember 2024 | 09:45 Uhr
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