
Durchbruch für geologische Datierung? Dresdner Forscher finden nützliche Anomalie in der Tiefsee
Hauptinhalt
10. Februar 2025, 12:24 Uhr
Eine ungewöhnliche Probe aus den Tiefen des Ozeans könnte die geologische Datierung revolutionieren und dabei helfen, das Alter archäologischer Proben auch nach Jahrmillionen genau zu bestimmen.
Um herauszufinden, wie alt archäologische Funde sind, verwenden Wissenschaftler verschiedene Methoden. Die wohl bekannteste ist die Radiokarbondatierung, bei der bestimmt wird, wie viel radioaktives Kohlenstoff-14 in einem verstorbenen Organismus übrig ist. Weil das Isotop nach dem Tod eines Lebewesens nicht weiter aufgenommen wird und konstant zerfällt, können Forscher aus dem Verhältnis des strahlenden 14C zum stabilen Kohlenstoff 12C das Sterbedatum sehr genau bestimmen. Doch es gibt ein Problem dabei, erklärt der Physiker Dominik Koll vom Helmholtz-Zentrums Dresden Rossendorf (HZDR): "Allerdings reicht diese Methode nur etwa 50.000 Jahre zurück." Andere Isotope sind für ältere Proben nötig, etwa das kosmogene Beryllium-10 (10Be).
Kosmische Strahlung bringt Beryllium-10 auf die Erde
Dieses entsteht, wenn kosmische Strahlung auf Sauerstoff und Stickstoff in der oberen Atmosphäre trifft. Durch Niederschlag gelangt es auf die Erde und kann sich am Meeresgrund anreichern. Mit einer Halbwertszeit von 1,4 Millionen Jahren zerfällt es zu Bor und ermöglicht dadurch eine geologische Datierung, die mehr als zehn Millionen Jahre zurückreicht.

Doch um es dazu zu benutzen, das Alter geologischer Funde zu verwenden, benötigen die Wissenschaftler Zeitmarker, die sich in sämtlichen Proben finden – die sind für Beryllium-10 noch nicht über große Zeiträume von Jahrmillionen entdeckt. Bisher.
Anomalie in einer Eisen-Mangan-Kruste
Denn Forscher vom HZDR haben jetzt in Zusammenarbeit mit der TU Dresden und der Australian National University möglicherweise einen solchen Marker entdeckt. Und zwar in einer Probe auf dem Meeresboden in mehreren Kilometern Tiefe im Pazifik. Es handelt sich dabei um Ferromangankrusten, hauptsächlich bestehend aus Eisen und Mangan, die sich im Laufe von Jahrmillionen langsam, aber stetig gebildet hatten. Um die Fundstücke zu datieren, analysierte das Team den 10Be-Gehalt mit einer hochempfindlichen Methode – der Beschleuniger-Massenspektrometrie am HZDR. Dabei erlebten die Forscher eine Überraschung. "Bei etwa zehn Millionen Jahren fanden wir fast doppelt so viel 10Be, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre", berichtet Koll.
Zunächst vermuteten der Physiker und seine Kollegen eine Verunreinigung der Probe – doch weitere Untersuchungen an anderen Proben aus dem Pazifik zeigten die gleichen Ergebnisse. "Wir waren also auf eine bislang unentdeckte Anomalie gestoßen", schlussfolgert Koll. Wieso es zu der außergewöhnlichen Erhöhung des Isotops auf dem Meeresboden gekommen ist, können die Wissenschaftler bisher nur spekulieren. Die Dresdner Forscher haben zwei Erklärungsversuche: einen irdischen und einen aus dem All.
Veränderte Meeresströmung oder ein sterbender Stern?
Möglicherweise hat sich vor zehn bis zwölf Millionen Jahren die Meeresströmung nahe der Antarktis drastisch verändert. "Das könnte dafür gesorgt haben, dass 10Be durch die veränderten Meeresströmungen eine Zeitlang ungleichmäßig auf der Erde verteilt wurde", sagt Dominik Koll. "Dadurch könnte sich 10Be im Pazifik besonders angereichert haben."
Die astrophysikalische Erklärung für die Anomalie hängt mit einer Unregelmäßigkeit der kosmischen Strahlung zusammen. So könnte eine Explosion eines erdnahen Sterns diese erhöht haben und so die Bildung des Isotops angeregt haben. Oder unser kosmischer Sonnenschutz, die Heliosphäre, hatte durch eine Kollision mit einer interstellaren Wolke Probleme dabei, die Strahlung wie üblich abzuschirmen.
"Ob die Beryllium-Anomalie durch veränderte Meeresströmungen entstanden war oder astrophysikalische Gründe hat, können nur neue Messdaten zeigen", meint Koll. "Deshalb wollen wir künftig weitere Proben analysieren und hoffen, dass andere Forschungsgruppen das auch tun." Wäre die Unregelmäßigkeit des Vorkommens des Isotops weltweit zu finden, spreche das für ein kosmisches Ereignis, kommt es nur regional auf, wäre die irdische Erklärung der geänderten Meeresströmungen plausibler.
Potenzial für die geologische Datierung
Doch unabhängig davon, wie die ungewöhnliche Konzentration von Beryllium-10 entstanden ist, die geologische Datierung könnte sie grundlegend verändern und einen für die Altersbestimmung wichtigen Anker liefern. "Für Zeiträume von Jahrmillionen gibt es solche kosmogenen Zeitmarker noch nicht", fasst Koll zusammen. "Doch diese Beryllium-Anomalie hat das Potenzial, als ein solcher Marker zu fungieren."
Link zur Studie
Die Untersuchung "A cosmogenic 10Be anomaly during the late Miocene as independent time marker for marine archives" ist in "Nature Communications" erschienen.
idw/jar
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 13. Januar 2025 | 17:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/ce460000-ec0d-458b-877e-1823313f441f was not found on this server.