Autonomes Fahren Auto statt Babybauch: Wie 3D-Ultraschall das Fahren sicherer machen soll

29. Juli 2024, 08:41 Uhr

Fragen Sie sich auch manchmal, wann sie endlich kommen, die Autos, die allein fahren? Genügend Sensoren sind ja heute bereits in den Neufahrzeugen verbaut. Oder doch nicht? Britische Forscher arbeiten daran, Autos mit 3D-Ultraschall noch sicherer zu machen.

Ein Mann mit einer gelben Brille und einem dunklen T-Shirt
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Ultraschall kennt jedes Baby. Mütter wissen, wovon die Rede ist – Väter hoffentlich auch. Denn irgendwann, meist zwischen der 9. und 12. Schwangerschaftswoche, setzt eine Ärztin oder ein Arzt den Ultraschallwandler auf den Babybauch und die werdenden Eltern sehen ein komplettes 3D-Bild des Kindes. "Das sind auch Phased-Array-Wandler", sagt Henning Heuer, Experte für Prüf- und Analysesysteme, "phasengesteuerte Wandler. Die haben 64 oder 128 Kanäle und durch ein kluges, zeitversetztes Anregen breitet sich die Ultraschallwelle in einer bestimmten Richtung aus." Auch heißt: eine derartige Technik kann man auch im Auto einsetzen. Jedenfalls planen das Forscher in Großbritannien. Ob das sinnvoll ist, da ist Henning Heuer skeptisch.

Ein Forscherteam der University of Cranfield (Oxfordshire, England) um Marco Cecotti sagt, dass 3D-Ultraschall das autonome Fahren viel sicherer machen kann. Das aktuell gestartete Projekt soll bis Anfang 2025 den praktischen Nachweis erbringen. Auf Nachfrage von MDR WISSEN erklärt die Uni, dass ihr 3D-Ultraschallsystem eine präzise Objektlokalisierung in drei Dimensionen ermöglichen würde, "im Gegensatz zu herkömmlichen Einparkhilfen, die nur eine eindimensionale Erkennung mit kurzer Reichweite" bieten. "Diese fortschrittliche Technologie erzeugt Lidar-ähnliche Punktwolken für die 3D-Kartierung in Echtzeit und liefert ein umfassendes Situationsbewusstsein, das für die autonome Navigation und die erhöhte Fahrzeugsicherheit entscheidend ist."

Porträt Prof. Hennig Heuer 1 min
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Fortschrittlich sei das schon, aber auch nichts Neues, so Heuer. Sein Arbeitsfeld am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden sind Prüf- und Analysesysteme. Mit 3D-Ultraschall blickt er tief in technische Strukturen. "Wir schauen mit Ultraschall in Eisenbahnräder rein, in Motorblöcke, in Flugzeugturbinen", erklärt Heuer. "In alle Arten von Materialien, die funktionieren müssen. Eine Brücke zum Beispiel, Schweißnähte oder Pipelines." Hier ist Ultraschall sicherheitsrelevant. Bei Fahrzeugen dagegen wird selbst der einfache Ultraschall-Parkassistent inzwischen von Lidar und Radar verdrängt.

Lidar ist ein optisches Messverfahren. Dabei werden durch einen Laser Lichtpulse ausgesendet, die von Objekten reflektiert werden. So kann das Fahrzeug seine Umgebung "sehen". Die Hecke zum Beispiel, die Ultraschall nicht erkennt, da sie ein diffuses Signal zurückwirft, so Heuer. Und mit Radar kann man sogar hinter die Hecke oder den Schneehaufen schauen.

Mir ist nicht ganz klar, was das 'Killer-Kriterium' ist, was Ultraschall deutlich besser kann als die anderen Verfahren.

Prof. Dr.-Ing, Hennig Heuer Fraunhofer IKTS Dresden

3D-Ultraschall ist daher seiner Meinung nach eher für Indoor-Anwendungen geeignet. In einigen Fahrzeugen wird das jetzt schon genutzt, etwa um zu erkennen, ob Sitze belegt sind, Gegenstände vergessen wurden oder um die Infotainmentsysteme mit Handgesten zu steuern. Auch für das Fahren im Innenbereich wird die Technik bereits eingesetzt. So gibt es in Deutschland bereits einen Anbieter, der Gabelstapler damit ausrüstet, die dadurch in großen Lagerhallen Kollisionen vermeiden können. Immerhin bis zu 15 Meter Reichweite verspricht das britische Team gegenüber MDR WISSEN im Außenbereich. "Diese Reichweite ermöglicht die Erkennung von Hindernissen in voller 3D-Darstellung und gewährleistet einen sicheren Betrieb in verschiedenen Fahrszenarien, einschließlich städtischer Umgebungen und im Gelände."

Lastenfahrräder 3 min
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Do 18.07.2024 09:05Uhr 02:35 min

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Das sei durchaus realistisch schätzt Heuer ein, aber nur, wenn das Wetter mitspielt, kein Regen oder Schnee stört. Dass 3D-Ultraschall dieses Manko ausgleichen kann, sei derzeit nicht bekannt. "Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es für einen Staubsaug-Roboter, der im Haus zwischen einer Katze und einer Blumenvase unterscheiden muss, eine sinnvolle Technik ist." Beim Einsatz im Fahrzeug fehlt ihm das "Killer-Kriterium" dafür, "was Ultraschall deutlich besser kann als die anderen Verfahren".

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Die britischen Forscher und ihre Partner aus der Industrie sehen ihre neuen Sensoren als kostengünstig und einfach umzusetzen. Statt der heute üblichen acht oder 16 Sensoren würden vier ausreichen. "Diese leistungsstarke 3D-Sensortechnologie kann eine Vielzahl von Einparkhilfen ersetzen und bietet eine erhebliche Verbesserung bei vergleichbaren oder geringeren Kosten", heißt es von der Cranfield University. Ein Einsatz für das autonome Fahren würde dann mittels Sensorfusion funktionieren.

"Wo Radar, Kameras und Ultraschallsensoren in der Vergangenheit für voneinander unabhängige Funktionen verwendet wurden, können mittlerweile alle relevanten Daten mittels Sensorfusion intelligent und zeitgleich verknüpft werden", so KI und Datenexperte Michael Nolting von VW in einer Veröffentlichung von Springer Fachmedien. Wobei Kameras, die etwa Verkehrszeichen erkennen, das Fernlicht einschalten oder Objekte auf der Straße erkennen, ähnliche Beschränkungen haben, wie 3D-Ultraschall: Sie brauchen gute Sicht, Regen, Schnee, Nebel und Dunkelheit behindern die Funktionsfähigkeit.

Die britischen Forscher sind sich sicher, dass sie im kommenden Jahr ihr Projekt auf die Straße bekommen, und zwar auf jede Straße, auch "in anspruchsvollen On- und Off-Road-Umgebungen", wie sie gegenüber MDR WISSEN erklären. "Das 'Sicherheitsmodul', das ein Steuergerät und Calyo Pulse-Sensoren (der Industriepartner der Forscher, Anm. d. Red.) umfasst, wird in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 auf dem Markt erhältlich sein."

Autonom fahrendes Fahrzeug
Mit Sensoren können Autos heute schon "sehen". Forscher in Deutschland arbeiten daran, dass sie in Zukunft auch "hören" können. Bildrechte: Panthermedia

Autos können sehen – und hören?

Kameras, Ultraschall, Lidar, Radar – das alles sind Features, die dem Auto helfen, auf seine Umgebung zu schauen. Aber vielleicht fragen Sie sich jetzt (wie der Autor): Was ist mit dem Hören? Sollten Autos nicht auch Ohren haben? Unbedingt, sagen die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg in ihrem Projekt "Gehör fürs Auto". Dann würde das Fahrzeug nie wieder ein Martinshorn überhören. Und statt mit dem Fuß unter dem Heck des Autos herumzurühren (Ultraschallsensor!), während man den Einkauf auf den Händen balanciert, müsste man einfach nur sagen: "Erwin (Ihr Auto hat natürlich einen Namen), bitte (und Sie sind freundlich zu ihm) öffne den Kofferraum." Schön können Sie Ihre Einkäufe sicher verstauen. "Danke Erwin" und Willkommen in der Zukunft.

Links/Studien

Das Projekt der Cranfield Univertsity "Self-driving technology: improving safety through sound", deren Partner aus der Industrie ein Starter Kit für den 3D Ultraschallsensor entwickeln haben.

ein Mann im Fahrsimulator 4 min
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MDR um 2 Di 18.06.2024 14:00Uhr 04:07 min

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 18. Juni 2024 | 14:00 Uhr

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