Forscherteam aus Mitteldeutschland Prähistorisches "Nilpferd" entdeckt
Hauptinhalt
02. August 2022, 08:59 Uhr
Wissenschaftler aus Thüringen und Sachsen haben in Südfrankreich ein prähistorisches Tierskelett ausgegraben, das zu einer bisher unbekannten Art gehört. Lalieudorhynchus gandi muss teilweise im Wasser gelebt haben – ansonsten hätten die Knochen das massige Urtier nicht tragen können. Das ist spannend, weil man bislang eher davon ausging, dass die Klasse der Caseiden, zu denen die neu gefundene Art gehört, an Land lebte.
Bereits 2001 begannen geologische Untersuchungen im südfranzösischen Lodève-Becken. Gelegen im südlichen Ausläufer des französischen Zentralmassivs, ist es gefüllt mit Sedimenten aus dem Perm – der letzten Periode des Paläozoikums. Diese Periode endete vor etwa 252,2 Millionen Jahren, also noch deutlich vor dem Zeitalter der Dinosaurier. Damals war das Gebiet von Überflutungen im Wechsel mit starken Dürreperioden geprägt, bei tropischem Klima. Die Gegend um Lodève war bereits länger für Saurierfährten bekannt, Knochen fand man aber eher selten – und wenn, dann waren sie auffallend klein.
Ausgrabungen über mehrere Jahre
In einem felsigen Bachbett stieß Geologe Jörg Schneider von der TU Bergakademie Freiberg bei seinen Untersuchungen auf auffällig große versteinerte Knochen, zwei Rippen. Ein deutsch-französisches Grabungsteam arbeitete in den folgenden Sommern daran, den umliegenden Sandstein Stück für Stück abzutragen. Und zwar unter Beteiligung weiterer Experten aus Mitteldeutschland: Dr. Ralf Werneburg, Direktor des Naturhistorischen Museums auf Schloss Bertholdsburg im thüringischen Schleusingen leitete die Ausgrabungen.
Eine bisher unbekannte Spezies
Die Ausbeute: ungewöhnlich große Knochen, darunter 60 Zentimeter lange Rippen, ein 50 Zentimeter langes Schulterblatt und 35 Zentimeter lange Oberschenkelknochen. Diese massiven Teile gehören zu einem Vertreter der Caseiden. Das sind frühe Verwandte der Säugetiere, die sich von Pflanzen ernährten. Genauer handelt es sich bei dem gefundenen Skelett um einen Lalieudorhynchus gandi – eine bisher unbekannte Spezies ohne deutschen Namen. Zu Lebzeiten muss das Tier durchaus massiv gewesen sein: aus den Knochenfunden lässt sich rekonstruieren, dass es circa 3,6 Meter lang war.
Korpulente Echse
Etwas korpulenter war der Urahne der Säugetiere wohl auch. Die Forschenden schließen aus dem Fund, dass Lalieudorhynchus gandi mehrere hundert Kilogramm auf die Waage gebracht haben muss. Er wirke "wie eine etwas zu dick geratene Echse mit Minikopf", schreiben die Forschenden in einer aktuellen Pressemitteilung.
Dass das Knochengerüst einen so schweren Körper tragen konnte, gibt einen weiteren spannenden Hinweis: Bislang ging man davon aus, dass sich die Caseiden an Land aufhielten – aber das Knochengewebe des gefundenen Urtieres trägt Züge einer Osteoporose, ist schwammartig und nicht allzu stabil. Das ergab die Analyse einer Knochenprobe. Damit das Knochengerüst einen derart massigen Körper getragen haben kann, muss das Tier sich – zumindest zeitweise – im Wasser aufgehalten und so die Knochen entlastet haben. Damit bestätigt der Fund eine neuere wissenschaftliche Hypothese, nach der die Caseiden womöglich die ersten "Urzeit-Nilpferde" waren und eben doch nicht ausschließlich an Land lebten.
Genetisch verwandt mit Funden aus Nordamerika
Interessant sind auch die Ergebnisse einer genetischen Analyse der Funde: demnach ist das gefundene Skelett näher mit dem nordamerikanischen "Cotylorhynchus" hancocki verwandt (ebenfalls aus der Gattung der Caseidae), als mit den bisher bekannten französischen Caseiden-Arten Ruthenosaurus und Euromycter, die im geografisch deutlich näheren Rodez-Becken gelebt haben müssen.
Links/Studien
Die Veröffentlichung zum prähistorischen Fund im Journal Palaeovertebrata ist hier verlinkt.
Eine aktuelle Pressemitteilung der Forschenden zum Thema gibt es hier.
iz