Landwirtschaft Vorm Jäten drücken? Mischkulturen und Unkraut helfen gegen Schädlinge – und wiederum gegen Unkraut
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01. Juli 2024, 10:10 Uhr
Blühstreifen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Oder zumindest in der Mitte des Ackers. Die Blütenoasen sind aber nicht nur ein wohlwollendes Angebot an Wildbienen, sondern auch förderlich für die Erträge. Generell zeigt sich: Mischkulturen helfen gegen Schädlinge und gegen Unkraut. Aber etwas Beikraut bleibt übrig – was wiederum ein großer Vorteil ist, wie ein neuer "Feldversuch" zeigt.
- Pflanzen können sich auf dem Feld gegenseitig mit Nährstoffen versorgen und vor Unkraut schützen
- Mischkulturen helfen auch gegen Schädlinge – vor allem in Kombination mit Blühstreifen
- Ein Rest an Unkraut bleibt – hat aber einen besonderen Effekt, auch im Garten zu Hause
Für die Lebensmittelindustrie ist der nachdrückliche Verweis auf einen hohen Proteingehalt sowas wie das Allheil-Marketing in Sachen Produktrettung geworden. Frei nach dem Prinzip: Eiweiß auf der Verpackung bedeutet Verpackung im Einkaufswagen. Verbrauchende sehnen sich offenbar nach Proteinen. Nur leider stammt ein Großteil aus Importen. Ein Umstand, den Landwirt Karl-Adolf Kremer nicht mehr hinnehmen wollte, als er vor sieben Jahren damit begann, die Ackerbohne wieder aufs Feld zu bringen. Nicht nur für den Proteinbestand im Lande war das eine vortreffliche Idee: "Das ist ein Kraftwerk im Boden, weil das, was letztendlich von der Wurzel im Boden übrig bleibt, steht der Folgefrucht, wenn wir jetzt hier Weizen oder Dinkel anbauen, auch wieder zur Verfügung", so Kremer. "Das können aber nur Leguminosen – Erbsen, Sojabohnen, Ackerbohnen und Lupinen."
Bohnen: Da haben auch andere Pflanzen was von
Eine Win-Win-Situation nennt er das. Angesichts der Tatsache, dass in funktionierenden Ökosystemen generell gern eine Hand die andere wäscht, wundert dieser Effekt kaum. Bohnenpflanzen machen sich aber nicht nur in der Fruchtfolge, sondern auch direkt nebeneinander mit anderen Feldgewächsen gut. Denn vom Stickstoff, den Bohnen speichern, profitieren auch andere Pflanzen. Nur mit dem Unkraut, mit dem können Bohnen nicht so gut. Anders als beispielsweise Getreide, sagt der Agrarökonom Thomas Döring: "Der Roggen ist ein ganz toller Unkrautunterdrücker, der kann das sehr gut."
Wenn Bohnen und Getreide also einen Pakt auf dem Acker eingehen, lohnt sich das durchaus. Hinzu kommt, das unterschiedliche Pflanzenarten unterschiedlich gebaut sind und den Raum auf dem Feld besser ausfüllen, erklärt Döring: "Manche sind eben mehr aufrecht, andere spreizen eher in die Breite. Ich habe also eine höhere Lichtausnutzung und eine stärkere Beschattung. Und das mögen die Unkräuter dann nicht."
Mischkulturen: Weniger Dünger, weniger Herbizide, weniger Pestizide – weniger "Pflanzenschutzmittel"
Solche Mischkulturen helfen nicht nur, Düngemittel- und Herbizideinsätze zu verringern oder ganz darauf zu verzichten. Sie sind auch unattraktiver für Schädlinge, weil die häufig nur auf eine Art spezialisiert sind. "Das heißt, der Abstand zur nächsten Wirtspflanze für den Schädling ist erstmal vergrößert. Und machen es ihm schwierig, sich auszubreiten", erklärt Thomas Döring. "Teilweise sind die Schädlinge von dieser Pflanzenvielfalt auch ein bisschen verwirrt." Das funktioniere zum Beispiel geruchlich. "Da duftet dann irgendwas überhaupt nicht nach dem, was die eigentlich so mögen." Oder die Schädlinge stören sich an der ungewohnten Optik.
Blühstreifen helfen den natürlichen Feinden von Schädlingen
Mit seinem Team an der Uni Bonn hat Thomas Döring jetzt zwei Jahre lang untersucht, ob sich durch eine Kombination diese Vorteile noch steigern lassen – und zwar anhand von Bohnen und Weizen sowie Gerste und Mohn, ergänzt durch Blühstreifen. "Diese Blühstreifen helfen den natürlichen Feinden von Schädlingen", zum Beispiel Marienkäfern oder Schwebefliegen.
Sprich: Es werden Nützlinge angelockt, die Schädlingen einfach den Garaus machen. Döring und Team konnten aber auch zeigen: Die Mischkulturen unterdrücken Unkräuter nicht komplett. Und das ist kein Fehler im System, sondern gut so – weil blühende Unkrautpflanzen den Nützlingen helfen, sich weiter im Feld auszubreiten und ebenfalls bei der Schädlingsbekämpfung Unterstützung leisten. "Zum Beispiel die Schwebfliegen, die nutzen als ausgewachsene Tiere, als Fliegen, den Nektar als Nahrungsquelle, die brauchen also solche Blüten." Aber auch der Nachwuchs ist zur Stelle: "Deren Larven im Larvenstadium fressen die Blattläuse." Unterm Strich bedeutet das alles: Mehr Ertrag, auch im Gegensatz zu Monokulturen.
Zur Einschränkung des Versuchs an der Uni Bonn gehört aber: Die Erkenntnisse der Untersuchung wurden auf Flächen gewonnen, die nach den Standards des Biolandbaus bewirtschaftet werden. Inwieweit sie sich auch auf die konventionelle Landwirtschaft übertragen lassen, muss also noch untersucht werden.
Im Schrebergarten einfach mal das Unkraut wachsen lassen
Und, so ein paar Maßstäbe kleiner, im heimischen Gärtchen? Eigentlich ist Thomas Döring da nicht der richtige Ansprechpartner. Sein Garten ist viel zu klein, da passt kein Beet drauf. Aber aus wissenschaftlicher Sicht kann er sagen, dass in Hobbygärten ohnehin Mischkulturen längst Mainstream sind. "Ich glaube, die Tendenz wäre nicht so sehr, nur eine einzige Kultur anzubauen, nur Kartoffeln."
Einen Rat hat er trotzdem in petto. Oder sagen wir: Einen Freifahrtschein für alle, die ihre Zeit lieber in der Hängematte verbringen als beim Unkrautjäten: "Dass man Unkräuter auch tatsächlich mal stehen lassen kann, insbesondere, wenn sie dann blühen." Klar, da ist ein gewisses Augenmaß gefragt. Nicht, dass sich die Unkräuter mit den ganzen Bodenressourcen, mit dem Licht und dem Wasser davonstehlen und für die Nutzpflanzen nichts mehr übrig bleibt. Und überhaupt: Natürlich immer nur so hoch wachsen lassen, wie es die Kleingartenordnung erlaubt. Was auf jeden Fall erlaubt ist: Ein paar Böhnchen zu pflanzen. Damit spart man sich auch gleich den Proteinriegel im Einkaufskorb.
Exklusive Preview der ARTE-Doku "Superfood Bohnen" Auf der langen Nacht der Wissenschaften am 5. Juli in Halle/Saale, Uni Halle, 19 Uhr geht's los.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. Juni 2024 | 14:51 Uhr
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