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GLP-1-Analoga Abnehmspritzen: Wirkstoff GLP-1 hilft auch gegen Herzinfarkt und Fettleber

09. September 2024, 11:19 Uhr

Sogenannte GLP-1-Analoga sind die Wirkstoffe in den Abnehmspritzen und in Typ-2-Medikamenten. Nun gibt es Hinweise, dass sie auch die Rauchentwöhnung erleichtern können und das Risiko für Herzinfarkte senken.

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Ozempic wurde eigentlich als Medikament für Typ-2-Diabetiker entwickelt, bis Mediziner entdeckten, dass der Wirkstoff Semaglutid auch stark übergewichtigen Menschen beim Abnehmen hilft. Der Grund: Der sogenannte GLP-1-Agonist ist im Grunde ein Hormon und wirkt auf wichtige Rezeptoren in der Bauchspeicheldrüse – und im Gehirn. Und dieser Mechanismus könnte gegen eine ganze Reihe weiterer Erkrankungen helfen. Jetzt gibt es erste Hinweise, dass so auch Rauchern das Aufhören erleichtert werden kann.

Ozempic, Wegovy, Mounjaro: Helfen sie auch bei Herzinfarkt oder Parkinson?

Unter dem Stichwort Abnehmspritzen gibt es in den sozialen Netzwerken einen Hype um das Medikament Ozempic und Wegovy des Pharmakonzerns Novo Nordisk. Der Hersteller stellt allerdings klar, dass das missverständlich ist: Für die Therapie stark übergewichtiger Menschen ist nur Wegovy zugelassen und Ozempic umgekehrt nur für die Therapie von Typ-2-Diabetikern. Der Wirkstoff Semaglutid ist in beiden Medikamenten enthalten, allerdings in unterschiedlicher Dosierung. Hinzu kommt inzwischen Mounjaro mit dem Wirkstoff Tirzepatid vom Hersteller Eli Lily. Allen Dreien ist gemeinsam, dass es inzwischen eine ganze Reihe von Menschen gibt, die vom erfolgreichen Abnehmen mithilfe dieser Arzneimittel berichten.

Im Magazin Science berichtet der kanadische Mediziner Daniel Drucker von der Universität Toronto nun von einer ganzen Reihe weiterer möglicher Einsatzfelder, bei denen die GLP-1-Agonisten offenbar positive Wirkungen entfalten. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Senkung von Blutdruck oder die Nachbehandlung von Patienten mit Herzinfarkt.

Herzkreislauf-Patienten profitieren – Erfahrungen aus Halle

Die positiven Wirkungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestätigt Daniel Sedding vom Universitätsklinikum in Halle. "Eine Studie hat beispielsweise bei 17.000 Teilnehmern gezeigt, dass Patienten, die adipös sind und gleichzeitig eine Herzkreislauferkrankung haben stark profitieren von den Medikamenten."

Konkret bekamen Patienten, die GLP-1-Medikamente nahmen, viel seltener einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Das Uniklinikum in Halle beteiligt sich an diesen und anderen Studien, die die Ursachen erforschen. Dazu gehört, dass Patienten rasch gefährliches Körperfett, sogenanntes viszerales Fettgewebe, verlieren. Diese Fett löst sonst viele Entzündungen aus. Weniger Entzündungen bedeutet weniger Herzkreislauf-Krankheiten.

Blutdruck wird gesenkt, Leberwerte verbessern sich

Auch die langfristige Senkung des Blutzuckers hilft. Und damit eng verwandt ist auch der Blutdruck. "Ein weiterer ganz wesentlicher Faktor ist die Senkung des Blutdrucks. Wir wissen, der Blutdruck ist einer der Hauptrisikofaktoren in den Industrienationen. Der stille Killer, wie wir ihn oft bezeichnen", sagt Daniel Sedding.

Auch der Stoffwechsel der Leber kann möglicherweise mit den Wirkstoffen behandelt werden, ebenso wie allgemeine, systemische Entzündungen oder die Parkinson-Krankheit. Aber wie erklären sich diese teilweise nachgewiesenen, teilweise noch vermuteten, breit gestreuten Wirkungen?

GLP-1-Medikamente: Sie wirken auf einen wichtigen Teil des Gehirns

Matthias Laudes ist ärztlicher Leiter im Bereich Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und außerdem im Vorstand der Deutschen Adipositas Gesellschaft. Er beschreibt die Entwicklung der sogenannten GLP-1-Agonisten als große Erfolgsgeschichte. Schon seit 20 Jahren gebe es positive Erfahrungen in der Therapie von Typ-2-Diabetes, sagt er. "Diese Wirkstoffe sind extrem gut darin, den HbA1c-Wert zu senken, das ist ein Langzweitwert für den Blutzucker. Andere Diabetes-Medikamente schaffen ein Prozent, GLP-1-Analoga zwischen 1,5 und 2 Prozent."

Grund dafür ist die Wirkweise: Die Wirkstoffe sind Hormonen nachempfunden, die im Dünndarm gebildet werden und die die Bauchspeicheldrüse steuern. So werde der Blutzuckerspiegel geregelt, noch bevor der Zucker im Körper ankomme, erklärt Laudes: "Das ist der sogenannte Inkretineffekt." Als Mediziner dann bemerkten, dass Menschen mit den GLP-1-Analoga auch noch leichter abnahmen, untersuchten sie die Wirkung auf das Gehirn und waren überrascht: Die Wirkstoffe regulieren auch das Sättigungsempfinden im Hypothalamus.

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Anhaltender Hunger: In Hungerzeiten ein Vorteil, heute ein Problem

Der Hypothalamus gehört zum sogenannten Zwischengehirn, einer Art Schnittstelle zwischen Blutkreislauf und zentralem Nervensystem. Hier werden unter anderem Blutdruck, Blutverteilung, der Flüssigkeitshaushalt, die Kalorienverwertung und vieles mehr gesteuert. Auch das Empfinden von Hunger, Appetit und Sättigung passiert hier. Und bei vielen Menschen ist genau diese Funktion aus heutiger Sicht gestört.

Denn im Laufe der Menschheitsgeschichte mit ihren vielen Hungersnöten hatten solche Menschen einen Vorteil, die in Zeiten der Knappheit über Fettreserven verfügten. Sie haben häufiger überlebt und konnten deshalb später mehr Kinder bekommen. Um solche Reserven überhaupt aufbauen zu können, muss ein Mensch mehr Appetit haben, als für seinen aktuellen Energieverbrauch notwendig ist. Bei sehr vielen Menschen mit Adipositas signalisiert das Zwischenhirn ständig weiteren Appetit, obwohl viel zu viele Reserven vorhanden sind. "Wir glauben, dass genau dieser Effekt im Hypothalamus durch GLP-1-Analoga normalisiert wird, dass Menschen also aufhören, auf Reserven zu essen", erklärt Laudes.

Wegovy, Ozempic und Mounjaro: Medikamente alleine reichen nicht aus

Seine Erfahrung mit übergewichtigen Patienten, die dringend abnehmen wollen: "Diese Menschen wissen in der Theorie, was sich machen sollen. Sie können das aber nicht umsetzen, solange der Hypothalamus weiter Hunger signalisiert." Die GLP-1-Therapie helfe, genau diese Störung zu beheben. "Das erleichtert den Patienten die Umstellung ihrer Gewohnheiten", sagt Laudes.

Die Gabe der Medikamente alleine reiche noch nicht aus, um dauerhaft erfolgreich abzunehmen. Wichtig sei die begleitende Therapie, um die Lebensgewohnheiten zu verändern. "Man darf die Medikamente nicht einfach breit verteilen, sondern man muss das einbetten in ein begleitendes Lebensstilinterventionsprogramm", so Laudes. Allerdings: Wahrscheinlich müssen die Medikamente trotzdem dauerhaft eingenommen werden. "Nach allem, was wir bisher wissen, ändern sie nichts an dem ursächlichen Mechanismus. Sie steuern der Funktion nur entgegen." Das bedeutet: Setzt jemand die Medikamente ab, verlangt sein Gehirn wieder nach mehr Essen, als er eigentlich benötigt.

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Für Menschen mit Übergewicht ist das Medikament Wegovy eine Hoffnung. Allerdings hat dessen Hersteller vor der Markteinführung PR-Kampagnen lanciert und auch unabhängige Mediziner mit Honoraren bedacht. Ein Problem?

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Mögliche Nebenwirkung: Schädigung des Sehnervs?

Dafür deutet sich inzwischen in Bezug auf einige der beobachteten Nebenwirkungen vorsichtige Entwarnung an. Wurde bei einigen Abnehmwilligen beobachtet, dass sie während des Verlusts von Gewicht Selbstmordgedanken entwickelten, zeigt sich laut der Zusammenfassung im Magazin Science in jüngeren Studien, dass Suizidalität bei GLP-1-Therapien seltener auftrete, als bei anderen Abnehmtherapien. Laudes wiederum kennt das Problem aus seiner Praxis nicht. "Wir haben eine große Diabetes- und Adipositas-Ambulanz und haben dort bislang keinen Anstieg der Selbstmordrate beobachten können." Dennoch würden die Medikamente nicht eingesetzt, wenn jemand eine schwere Depression habe oder Selbstmordgedanken berichte.

Sie haben suizidale Gedanken oder eine persönliche Krise?

Die Telefonseelsorge ist für Sie da. Sie können jederzeit kostenlos unter 0 800 111 0 111, 0 800 111 0 222 oder 0 800 116 123 anrufen oder im Chat schreiben.

Auch Patienten mit einem Bauchspeicheldrüsenkrebs oder einer schweren Entzündung der Bauchspeicheldrüse sind von den GLP-1-Analoga ausgeschlossen, da das Hormon in der Drüse wirkt. Eine jüngst in Boston beschriebene Störung des Sehnervs hingegen könne noch nicht bestätigt oder zurückgewiesen werden. "Bislang kann sich keiner das Signal so richtig erklären. Diese Art des Nebeneffekts kann man noch nicht so richtig einordnen", so Laudes. Möglich sei aber, dass es eine Folge der starken Senkung des Blutzuckers sei. Denn große Schwankungen des Blutzuckers verändern den Flüssigkeitstransport in den Gefäßen, was einige von ihnen zum Platzen bringen könne. Hier brauche es aber dringend weitere Studien, um mehr Sicherheit zu bekommen.

GLP-1-Medikamente: Helfen sie beim Rauchen aufhören?

Das gilt auch für einen Effekt, den Forschende um Nora Volkow vom Nationalen Zentrum der USA gegen Drogen-Missbrauch jetzt im Journal "Annals of Internal Medicine" beschreiben. Sie haben umfangreich Patientendaten zu verschiedenen Therapien gegen Diabetes und Adipositas ausgewertet. Und dabei zeigte sich: Wer GLP-1-Wirkstoffe erhalten hatte, musste später seltener wegen Folgeschäden des Tabakkonsums behandelt werden. Auch nahmen diese Patienten seltener Rauchentwöhnungsprogramme in Anspruch, laut den Autoren ein Hinweis darauf, dass sie das Rauchen bereits aufgegeben hatten. Die beobachteten Effekte seien allerdings noch zu schwach, um einen Off-Label-Gebrauch der Wirkstoffe zu rechtfertigen. Hier seien weitere Studien nötig.

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Korrekturhinweis In einer früheren Version dieses Beitrags wurden Ozempic und Wegovy als Abnehmspritzen bezeichnet. Das ist falsch. Nur Wegovy ist als Medikament für die Behandlung von starkem Übergewicht zugelassen. Ozempic ist der Therapie von Typ-2-Diabetikern vorbehalten.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. August 2024 | 12:13 Uhr

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