Neurologie Neuartige Gehirn-Computer-Schnittstelle: Gelähmte Menschen könnten Videogames spielen

20. Januar 2025, 17:42 Uhr

Es ist ein weiterer Schritt für mehr Autonomie von gelähmten Menschen: US-Forscher haben eine spezielle Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, mit deren Hilfe man nur mit den Gedanken bestimmte Anwendungen ausführen kann wie etwa ein Videospiel steuern oder ein Musikinstrument spielen.

Den Experten um Mathew Willsey von der University of Michigan ist es gelungen, eine Gehirn-Computer-Schnittstelle zu bilden, die kontinuierlich die elektrische Aktivität der vielen Nervenzellen im Gehirn aufzeichnen kann – und diese Informationen auch direkt in komplexe Bewegungen übersetzt. Damit sind letztlich auch komplizierte Fingerbewegungen für gelähmte Menschen möglich, mit denen diese viele motorische Aktivitäten ausführen wie beispielsweise ein Musikinstrument oder ein Videogame spielen.

Drei verschiedene Fingergruppen inklusive Daumen steuerbar

Die Schnittstelle wurde dabei einer Person mit Lähmung in den Armen und Beinen in den linken Gyrus praecentralis implantiert, einen Bereich des Gehirns, der für die Steuerung der Handbewegungen zentral ist. Danach wurde die neuronale Aktivität aufgezeichnet, während der Studienteilnehmer dabei zusah, wie eine virtuelle Hand verschiedene Bewegungen ausführte. Mithilfe von maschinellem Lernen entwickelten die Forschenden einen Algorithmus, der die Signale für die spezifischen Fingerbewegungen immer genauer entschlüsseln konnte. Über diese Signale war die Schnittstelle schließlich in der Lage, die folgenden Fingerbewegungen vorauszusehen.

So konnte der Proband in der Studie bei einer virtuellen Hand drei verschiedene Fingergruppen kontrollieren, inklusive des Daumens. Die Präzision sei dabei deutlich größer als in bisherigen vergleichbaren Untersuchungen gewesen, betonen die Wissenschaftler. Im Rahmen der Studie konnte der gelähmte Mensch somit sogar in einer Art Videospiel eine Drohne starten und landen lassen sowie genau durch verschiedene Hindernisse steuern.

Noch mehrere Jahre bis zur Marktreife

Die neuartige Gehirn-Computer-Schnittstelle aus den USA sei eine sehr substanzielle Weiterentwicklung, betont der Magdeburger Neurowissenschaftler Emrah Düzel. "Seit zwei Jahrzehnten gibt es ungefähr jedes Jahr eine interessante Neuentwicklung auf diesem Gebiet", so der Direktor des Instituts für Kognitive Neurologie und Demenzforschung an der Uni Magdeburg. "Nun haben wir offenbar das nächste Niveau erreicht."

Das Besondere an der neuartigen Schnittstelle sei dabei die Schnelligkeit, mit der die Finger gesteuert werden können, erklärt Düzel. So könnten sehr schnelle Gedankenprozesse in Bewegungen umgesetzt und damit letztlich auch Anwendungen wie das experimentelle Computerspiel mit der Drohne ausgeführt werden: "Das ist eine große Hilfe für Menschen mit Lähmungen, etwa nach einem Schlaganfall oder mit ALS." Allerdings dauere es bis zu einer Marktreife noch mindestens fünf bis zehn Jahre, schränkt der Experte. Denn erst müsse die neuartige Schnittstelle noch an deutlich mehr Probanden getestet und dann diverse Sicherheitsaspekte im Alltag überprüft werden.

Der Magdeburger Neurowissenschaftler Emrah Düzel.
Der Magdeburger Neurowissenschaftler Emrah Düzel. Bildrechte: Sarah Kossmann/Universitätsmedizin Magdeburg

Das ist eine große Hilfe für Menschen mit Lähmungen, etwa nach einem Schlaganfall oder mit ALS.

Emrah Düzel, Magdeburger Neurowissenschaftler

In Magdeburg gibt es für ähnliche Studien einen eigenen Forschungscampus "Stimulate" im Wissenschaftshafen. Dort sowie an der Uniklinik Magdeburg und am Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) wird ebenfalls an neurowissenschaftlichen Anwendungen geforscht. Allerdings liege der Fokus vor allem an der Uniklinik eher im Bereich Gedächtnisverbesserung, wie Emrah Düzel erklärt: "Damit sollen auf absehbare Zeit Merkprozesse im Gehirn verbessert werden, etwa bei Demenzpatienten." Diese Forschung stecke allerdings größtenteils noch in den Kinderschuhen.

Links/Studien

Die Studie "A high-performance brain–computer interface for finger decoding and quadcopter game control in an individual with paralysis" ist im Fachmagazin "Nature" erschienen.

cdi

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 25. März 2024 | 14:30 Uhr

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