Das Bild zeigt bunte Rohre, die für Fernwärme verwendet werden, im Vordergrund die Grafik MDR Klima-Update.
Fernwärme-Rohrsystem vor dem Einbau. Mit solchen Rohren sollen künftig noch mehr Haushalte an ein Wärmenetz angeschlossen werden. Bildrechte: MDR/ Sophie Mildner/ IMAGO/ imagebroker

MDR KLIMA-UPDATE | 8. September 2023 Das neue Heizungsgesetz: Rettet uns die "kommunale Wärmeplanung"?

Ausgabe #105 vom Freitag, 8. September 2023

01. September 2023, 11:00 Uhr

Das neue Gebäudeenergiegesetz wurde verabschiedet – allerdings in stark abgeschwächter Form. Eine zentrale Rolle spielt künftig die "kommunale Wärmeplanung". Bis spätestens Mitte 2028 sollen alle Gemeinden ein Konzept haben, aber wie genau geht man das an?

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
Bildrechte: MDR

Hallo liebe Lesende,

heute hat der Bundestag das neue Gebäudeenergiegesetz (vulgo Heizungsgesetz) endgültig verabschiedet. Dem voran ging eine hitzige Debatte, die sich bis über die Sommerpause des Bundestages zog. Dass das Thema emotionalisiert, finde ich verständlich – es geht schließlich um viel Geld für klimafreundliche Modernisierung. Und darum, es im Winter warm zu haben. Dazu ist das Gesetz nicht gerade unkompliziert und die Menge an kursierenden Fehlinformationen ist erheblich.

(Ein aktuelles und umfassendes FAQ zum Gebäudeenergiegesetz gibt es hier bei der tagesschau.)

Ursprünglich stand im Gebäudeenergiegesetz, dass beim Einbau einer neuen Heizung mindestens 65 Prozent der verbrauchten Energie aus erneuerbaren Ressourcen kommen muss. Nach aktuellem Stand wird das allerdings lediglich für Neubauten in Neubaugebieten gelten. Für den Rest heißt es nun erst einmal: abwarten. Bis die "kommunale Wärmeplanung" fertig ist. Bis Mitte 2028 sind alle Städte und Gemeinden dazu verpflichtet, diese vorzulegen. Diesen Punkt vor dem Einbau einer neuen Heizung abzuwarten, ergibt Sinn – denn je nach Angebot der Kommune ist eine Wärmepumpe nicht die beste und effizienteste Lösung. Dennoch gibt es für alle, die sich schon vor 2028 eine Wärmepumpe einbauen, eine Prämie von zwanzig Prozent. Was die kommunale Wärmeplanung dann möglicherweise doch wieder ein Stück weit untergräbt. Dabei ist die Planung der Wärmeversorgung vor Ort an sich eine tolle Sache! Wie genau sie funktioniert, erkläre ich gleich. Zunächst an dieser Stelle unsere …


#️⃣ Zahl der Woche:

2

… Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien gehen nach Afrika. Das sagt Rebeca Grynspan, Generalsekretärin der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen. Dabei hat der Kontinent ein großes Potenzial. Kenia beispielsweise bezieht bereits 90 Prozent seines Stromes aus erneuerbaren Energien. Und könnte sich vorstellen, Strom zu exportieren, wie Präsident William Ruto zu Beginn des ersten afrikanischen Klimagipfels in Nairobi Anfang der Woche betonte.

Während die G20-Länder für 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, wird der afrikanische Kontinent die Auswirkungen der globalen Veränderungen womöglich härter zu spüren bekommen. Nach Schätzungen der UN werden die Anpassungen an den Klimawandel alle afrikanischen Länder zusammengefasst zwischen 30 und 50 Milliarden US-Dollar kosten.

Kommunale Wärmeplanung – mehr als nur ein bisschen Fernwärme?  

Bevor das neue Heizungsgesetz die Verantwortung in diese Richtung schob, hatte ich wenig Ahnung von kommunaler Wärmeplanung. Und so dürfte es womöglich auch einigen Menschen in den Gemeindeverwaltungen hier in der Region gehen, die das Thema nun auf dem Tisch haben. Während es in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen bereits verpflichtend für alle Gemeinden ist, eine Wärmeplanung aufzustellen, gibt es in Mitteldeutschland noch keine derartigen Gesetze. Hier stehen die meisten (gerade kleineren) Kommunen noch ganz am Anfang. Der Städte- und Gemeindebund hält es für machbar, dass alle Kommunen bis 2028 ihre Planungen fertig haben – aber eine Herausforderung dürfte es dennoch für viele werden. In Sachsen-Anhalt zumindest gibt es nach Angaben der Landesenergieagentur noch keine abgeschlossenen Konzepte. Wie geht man also vor?

📝 Bestandsaufnahme

Im ersten Schritt der Wärmeplanung versucht die Kommune zu ermitteln, wie hoch der Bedarf vor Ort ist und welche Wärmequellen es bereits gibt. Außerdem wird zusammengefasst, welche Infrastruktur vorhanden ist.

Dazu gehört eine Inventarisierung: Was für Gebäudetypen gibt es? Wie alt sind sie? Im Zuge dessen kann es für die Kommunen wichtig sein, zu erfahren, welche Heizungen in den einzelnen Gebäuden angeschlossen sind. Gebiete mit besonders vielen alten Heizungen könnten dann beispielsweise vorranging an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden. Dieser Punkt sorgte politisch in den vergangenen Wochen ebenfalls für Diskussionen. Dass die Schornsteinfeger und Energieversorger solche Daten erfassen, ist allerdings nicht ungewöhnlich. Es hilft beispielsweise dabei, einzuschätzen, welche Gebiete einen ähnlichen Heizbedarf haben – hier bietet sich oft auch ein gemeinsames Wärmeversorgungskonzept an. 
Außerdem erfasst die Gemeinde, welche Energieerzeugungsanlagen (beispielsweise Heizkraftwerke) es bereits gibt. Auf Grundlage all dieser Daten erstellt die Gemeinde eine Energie- und Treibhausgasbilanz. 

📉 Prognose

Wer die Zukunft planen will, muss nicht nur den aktuellen Verbrauch kennen, sondern auch für die kommenden Jahrzehnte planen. Immerhin hält eine Heizungsanlage meist länger als 20 Jahre. Was sich in diesem Zeitraum aber ändern kann, ist beispielsweise

  • die Dämmung und weitere Sanierung der Gebäude
  • die Gebäude an sich – beispielsweise durch Neubau und Verdichtung 
  • die Wirtschaft vor Ort 
  • die Bewohnenden (andere Demografie, andere Nutzungsgewohnheiten)
  • das künftige Klima  

All diese Faktoren müssen für die kommunale Wärmeplanung berücksichtigt werden. Denn wenn am Ende vollkommen überdimensionierte Fernwärmeanlagen für eine schrumpfende Bevölkerung gebaut werden, ist das nicht effizient. Das gilt übrigens auch, wenn alle Anwohner eine Wärmepumpe installiert haben und ihr Fernwärmebedarf zuvor einkalkuiert wurde.

💪 Potenzial

Hier zeigt sich noch einmal, wie wichtig es ist, dass die Wärmeplanung an die Bedingungen vor Ort angepasst wird. Denn jede Region hat andere Voraussetzungen für eine Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien. Toll ist natürlich, wenn man ohnehin verfügbare Abwärme nutzen kann, beispielsweise von Biogasanlagen, Industrie und Gewerbe oder dem Abwasser. 

Zusätzlich zur Abwärme ermittelt die Kommune noch, in welchem Umfang Biomasse, Erdwärme, Solarthermie auf Dächern und Freiflächen oder Umweltwärme (beispielsweise aus Seen oder dem Grundwasser) genutzt werden können. Mein persönlicher Favorit auf diesem Gebiet ist übrigens die Kompost-Vergärungsanlage. Dort entsteht aus dem im Haushalt angefallenen Biomüll einer Kommune Strom und Abwärme. Beides kann wieder genutzt werden. Zwar nicht in unendlichen Dimensionen, aber dennoch sehr charmant. Ein Beispiel für Umweltwärme ist die neue Großwärmepumpe in Köln, die Wärme aus dem Rhein nutzen und damit rund 30.000 Haushalte versorgen soll. 

Die Grafik zeigt ein Kraftwerk, das Wärme erzeugt und diese in einen Privathaushalt ableitet.
Funktionsprinzip Fernwärme: Das Kraftwerk links im Bild liefert die Wärme über Leitungen an mehrere Haushalte. Diese brauchen dafür keine eigene Heizanlage mehr, was Kosten sparen kann. Wie wirtschaftlich ein Fernwärmenetz ist, hängt dabei aber auch von der Anzahl der angeschlossenen Haushalte ab. Bildrechte: MDR/ Sophie Mildner

Außerdem wird in diesem Schritt ermittelt, wie sehr die Kommune insgesamt ihren Bedarf an Heizenergie durch eine Dämmung der Häuser senken kann. Dämmung hat einen enormen Effekt. Nach einer Berechnung des Umweltbundesamtes dauert es weniger als zwei Jahre, bis sich die Dämmung einer Altbauwand (50er Jahre) energetisch amortisiert hat.

🎯 Ziele

2045 soll Deutschland klimaneutral sein, deshalb werden auf kommunaler Ebene abschließend diverse Zielszenarien entwickelt, mit denen das gelingen kann. CO2-Neutralität ist auch für die Wirtschaftlichkeit eines Wärmenetzes wichtig, weil Einsparungen möglicherweise auch über einen hohen CO2-Preis erreicht werden. Natürlich entscheidet aber auch die Anzahl der angeschlossenen Haushalte und die Verfügbarkeit von Abwärme. Es deutet sich an dieser Stelle bereits an: Kommunale Wärmeplanung ist absolut keine einfache Aufgabe. Und lässt sich eigentlich auch nicht komplett von der gesamtdeutschen Wirtschaft entkoppeln. Wenn beispielsweise der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix nicht gesteigert wird, ist auch eine mit Strom betriebene Wärmepumpe nicht CO2-neutral. 

Das alles zeigt, wie umfassend und teuer der klimafreundliche Umbau unserer Häuser, Büros und Wohnungen wird. Und wie knapp die Zeit ist: Wenn die letzten Kommunen Mitte 2028 ihre Wärmeversorgung vollständig geplant haben, bleiben uns noch weniger als 17 Jahre, bis alles CO2-neutral sein soll. Diese enge Taktung trifft auf einen Mangel an Baumaterialien und Handwerkern: Laut dem Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung waren 2022 rund die Hälfte der Baubetriebe von Lieferengpässen betroffen – während die Auftragslage steigt.

Druck kommt in diesem Punkt übrigens auch von der Europäischen Union. Deren Gebäuderichtlinie wird aktuell überarbeitet, die Novelle sieht vor, dass jedes Land bis 2030 die 15 Prozent der Gebäude mit den meisten Emissionen renoviert haben muss. In Deutschland betrifft das laut einer Einschätzung des Eigentümerverbandes Haus & Grund fast drei Millionen Eigenheime und Mehrfamilienhäuser.

Mehr über die EU-Gebäuderichtlinie erfahren Sie hier. 


🗓 Klima-Termine

Mittwoch, 13. September – Dresden

Macht Hitze krank? Risiken und Nebenwirkungen der Klimakrise beleuchtet eine Veranstaltung im Dresdner Hygienemuseum. Es sind Podiumsgäste unter anderem aus der Wissenschaft, von Behörden und aus der medizinischen Praxis geladen. Infos hier.

Freitag, 15. September – global & lokal

Für den kommenden Freitag rufen Fridays for Future zum globalen Klimastreik auf. Auch in Mitteldeutschland sind zahlreiche Demonstrationen geplant. Hier gibt es alle Informationen dazu.

18. bis 22. September – Woche der Klimaanpassung

Die WDKA23 macht Klimaanpassung in Deutschland sichtbar mit Workshops, Ausstellung, Stadtgespräche, Klimaspaziergänge, Baumpflanzungen und anderen Aktionen. Auch in und um Mitteldeutschland stehen bereits Veranstaltungen auf dem Plan: In Chemnitz, Leipzig, Halle, Erfurt, Tangermünde, Hof, Braunschweig, Wolfsburg. Alle Events

Mittwoch, 20. September – online

Kommt nach dem Deutschlandticket die Mobilitätsgarantie? Fragt der Thinktank Agora Verkehrswende in einem Online-Webinar gemeinsam mit drei Forschenden. Mehr dazu hier.


📰 Klimaforschung und Menschheit

Marine Hitzewellen treffen Fischbestände weniger als vermutet

Marine Hitzewellen beeinträchtigen die Fischbestände offenbar weniger als erwartet. Forschende der US-Universität Rutgers haben Daten zu den Beständen kommerziell wichtiger Fischarten wie Flunder, Seelachs oder Rotbarsch in den Jahren 1993 bis 2019 ausgewertet. In dieser Zeit wurden insgesamt 248 marine Hitzewellen mit extremen Temperaturen auf dem Meeresboden gemessen. Dabei konnten die Forscher überraschenderweise keine allgemeinen negativen Auswirkungen der Hitzewellen auf die regionalen Fischbestände registrieren. Zwar wurden einige Rückgänge bei der Biomasse gefunden. Diese waren laut den Wissenschaftlern aber die Ausnahme und nicht die Regel. Die Forschenden untersuchten auch sehr große Hitzewellen wie den "Blob", ein Phänomen, das sich von 2014 bis 2016 im nordöstlichen Pazifik gebildet hatte. Der "Blob" führte zwar zu einem bedeutenden Rückgang der Fischbestände im Golf von Alaska, doch eine ähnliche Hitzewelle sorgte wiederum im nordwestlichen Atlantik zur gleichen Zeit für einen Zuwachs bei den Fischpopulationen.

Dengue-Fieber und der Klimawandel

Forschende warnen vor einer wachsenden Verbreitung von Dengue-Fieber in Europa. Das von tropischen Mückenarten wie der Asiatischen Tigermücke und der Gelbfiebermücke übertragene Dengue-Virus tritt mittlerweile nicht mehr nur in tropischen Gebieten auf. Jetzt kam es zu einzelnen Dengue-Fällen am Gardasee, berichtet das in Köln ansässige Science Media Center. Das Besondere dort: Laut europäischer Seuchenbehörde haben sich die Betroffenen in Italien mit dem Tropenvirus infiziert. Keiner von ihnen war auf Reisen. Längere Hitzeperioden sorgen dafür, dass das krankmachende Virus länger in den Mücken zirkulieren kann. "Seit 2010 werden in südeuropäischen Ländern regelmäßig einzelne Übertragungen des Dengue-Virus registriert", sagt der Mediziner Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des Centrums für Reisemedizin in Düsseldorf. Auf der vor Marokkos Küste liegenden portugiesischen Insel Madeira sei das Virus mittlerweile sogar dauerhaft heimisch, so die Forschenden. 

Hintergründe zum Thema gibt es in unserem Klima-Update #94 von meinem Kollegen Clemens Haug. 

Der heißeste Sommer jemals

Nach Angaben des europäischen Klimadatendiensts Copernicus war der Sommer 2023 der heißeste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Das betrifft vor allem die Monate Juni, Juli und August. Der Juli 2023 war dabei der wärmste Monat, gefolgt vom August. Die Temperaturen der Ozeane waren bereits im April diesen Jahres ungewöhnlich hoch und stiegen bis in den August hinein an. Mehr als 12 Prozent unter dem Schnitt für diese Jahreszeit liegt dafür das Meereseis in der Antarktis. Laut Copernicus ist es die größte Abweichung seit Beginn der sattellitengestützen Beobachtung des Eises. 

Mehr Informationen zu den Copernicus-Klimadaten gibt es hier. 


📻 Klima in MDR und ARD

👋 Zum Schluss

In Deutschland verursacht der Betrieb von Gebäuden circa 30 Prozent der Emissionen. Wenn wir – wie beschlossen – bis 2045 klimaneutral werden sollen, muss sich hier etwas verändern. Ich persönlich finde, kommunale Wärmeplanung kann da einen wertvollen Beitrag leisten. Toll wäre natürlich, wenn sie längst abgeschlossen wäre.

Ehrlicherweise denke ich in diesem Moment aber auch nervös an den alten Gas-Durchlauferhitzer in meiner Mietwohnung. Wer ein Haus besitzt, macht sich aktuell Gedanken über Investitionskosten – wer zur Miete wohnt, muss vermutlich ebenso mit einer Kostenumlegung rechnen. Oder mit explodierenden Heizkosten, wenn die Gasheizung nicht ausgetauscht wird. Meine Kolleginnen Hannah Bley, Lena Wensch und Antonia Weber haben im Rahmen unserer Kooperation mit der Universität Leipzig zu diesem Thema recherchiert, den entstandenen Artikel möchte ich Ihnen ans Herz legen.

Ich verabschiede mich an dieser Stelle und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, genießen Sie den Spätsommer! ☀️

Inka Zimmermann 


Sie haben eine Frage oder Feedback?

Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.

Mehr Klima-Updates